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Agenda 2010

Jagd auf kranke Hartz-IV-Empfänger – die Kleinen hängt man …

Nach Schätzungen der OECD schädigen Steuerhinterzieher den deutschen Staat mit jährlich mehr als 100 Mrd. Euro. Durch die Aufdeckung der „Offshore Leaks“ ist das Thema wieder auf die Tagesordnung zurückgekehrt. Doch was machen die deutschen Behörden? Jagen sie Steuerhinterzieher und deren Helfershelfer bei der Deutschen Bank? Nein. Deutsche Behörden machen stattdessen Jagd auf kranke Hartz-IV-Empfänger. Wenn erwerbsfähige Erwerbslose sich krankmelden, droht ihnen künftig ein Termin beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Und wenn das subjektive Gesundheitsempfinden nicht mit den objektiven Kriterien des MDK übereinstimmt, müssen die Erwerbslosen mit einer Sanktion rechnen – was nichts anderes heißt, als dass der Staat ihnen zeitweise die vom Grundgesetz garantierte Menschenwürde entzieht und ihnen das Existenzminimum verweigert. Die Kleinen hängt man, die Großen dürfen ihre eigenen Gesetze schreiben. Von Jens Berger.

Chinesische Pflegekräfte – das böse Spiel mit dem „Fachkräftemangel“

Da hierzulande rund 30.000 Fachkräfte im Pflegebereich fehlen und potentielle Bewerber aus der EU einen weiten Bogen um das Niedriglohnparadies Deutschland machen, will die Bundesagentur für Arbeit nun im großen Stil Pflegekräfte aus China und den Philippinen anwerben. Doch was sich hinter dem vermeintlichen „Fachkräftemangel“ versteckt, ist eigentlich vielmehr die logische Folge der Privatisierung des Gesundheitssystems. Der drohende Pflegenotstand wurde mutwillig herbeigeführt und ist politisch durchaus gewollt. Von Jens Berger.

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Was ist der korrekte Maßstab für erfolgreiche Wirtschaftspolitik? Deutschlands Arbeitslosenquote oder die im Euroraum? Ein Orientierungsversuch.

Wir leben seit 13 Jahren in einem gemeinsamen Währungsraum mit 16 anderen Ländern. Wegen der engen Verflechtung spricht alles dafür, das Wohlergehen bzw. die Probleme in der Eurozone insgesamt zum Maßstab dafür zu nehmen, ob die eigene Politik als erfolgreich zu betrachten ist oder nicht. In Deutschland tun die Politik wie auch die Medien und die Multiplikatoren und als Reflex darauf auch die Öffentlichkeit so, als sei die aktuelle Lage in Deutschland der entscheidende Maßstab. Anders kann man die große Zustimmung der Mehrheit zu Angela Merkel, zu Schäuble und ihrer Politik nicht werten. Albrecht Müller.

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Der DGB hat nicht mehr alle Tassen im Schrank

Als so genannter „Klartext“ erschien am 15. März ein Blatt des DGB zur Agenda 2010 [PDF – 130 KB]. Darin stand einiges Lesenswerte, aber der Gesamttenor ist eigentlich unglaublich. Die Überschrift lautet: „Höhere Löhne: Keine Gefahr für Wettbewerbsfähigkeit“. Auch der Text ist in Bezug auf die verteilungspolitisch und ökonomisch gebotenen Lohnerhöhungen ausgesprochen defensiv. Am Ende des Textes werden Zukunftsinvestitionen zur Stabilisierung der Konjunktur gefordert und angemerkt: „Das ist für die Krisenländer, aber auch für uns gut. Zum anderen gefährdet ein höheres Lohnniveau unsere Wettbewerbsfähigkeit und Exportchancen nicht.“ „Unsere Wettbewerbsfähigkeit“ und „Exportchancen“ – das sind die Sorgen der Gewerkschaften in der jetzigen Situation. Das ist sachlich nicht zu rechfertigen. Die Verantwortlichen des DGB haben offenbar nicht verstanden, dass die auseinanderklaffende Lohnentwicklung und damit auch ihre eigene defensive Lohnpolitik mitverantwortlich sind für die Krise in Europa. Die Agenda 2010 ist einer der Hauptverursacher der Euro-Krise. Das und einiges mehr müssten DGB und Einzelgewerkschaften zu den Zehnjahresfeiern der Agenda 2010 sagen: Von Albrecht Müller

Jubiläumsfeier für die Agenda 2010: Wenig Kritik und keine Empathie mit den Opfern

Wenn der „Managerkreis der Friedrich-Ebert-Stiftung“ (FES) aus Anlass des 10. Jahrestages der „Agenda-Rede“ Gerhard Schröders zu einer Jubiläumsfeier mit dem Titel „Bilanz und Perspektive“ der Hartz-Reformen einlädt, ist wohl wenig Kritik zu erwarten. Keiner der elf geladenen „Experten“ – angefangen von Frank-Walter Steinmeier, über Gabor Steingart (Handelsblatt), Martin Kannegiesser (Ehrenpräsident von Gesamtmetall), dem IGBCE-Gewerkschaftsvorsitzenden Michael Vassiliadis, dem neuen Vorsitzenden des Sachverständigenrats Christoph Schmidt , bis hin zum ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber oder der in den Verwaltungsrat der Schweizer Großbank UBS aufgerückten ehemaligen „Wirtschaftsweisen“ Beatrice Weder di Mauro stellte die Notwendigkeit dieser sozialpolitischen Wende in Frage. Im Gegenteil – man feierte unter Gleichgesinnten. Von P.R.[*]

Die Agenda 2010 – Begründung und Legitimationsbasis für eine unsoziale Politik

Eine kritische Bilanz zum 10. Jahrestag von Gerhard Schröders Regierungserklärung
In einem Großteil der Massenmedien wird die Agenda 2010 zu ihrem 10. Jahrestag am 14. März 2013 geradezu überschwänglich gelobt. Während sie das Handelsblatt (v. 6.3.2013) als „Geburtsstunde des deutschen Jobwunders“ würdigte, bescheinigte ihr die Welt (v. 7.3.2013) schon in der Überschrift eines Artikels, „keine Armut“ bewirkt zu haben. Klaus F. Zimmermann fragte in einem Gastbeitrag für den Kölner Stadt-Anzeiger (v. 8.3.2013) ungeduldig: „Wo bleibt die Agenda 2020?“ Was der Direktor des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) übersah: Angela Merkel, die heute vor ihrer erneuten Wiederwahl als Bundeskanzlerin steht, liebt keine „Blut-, Schweiß- und Tränenreden“, sondern bevorzugt ein möglichst geräuschloses Durchregieren ohne unnötiges Pathos und „Basta!“-Gehabe. Mit ihr wird es deshalb zwar keine „Agenda 2020“, wohl aber die von neoliberalen Ökonomen wie Zimmermann erhoffte Fortsetzung der neoliberalen Reformpolitik à la Schröder/Fischer geben, sei es weiterhin in einer Koalition der Unionsparteien mit der FDP oder wieder in einer Großen Koalition mit der SPD, die keineswegs von den „Agenda“-Reformen lassen möchte, aber in ihrem Wahlprogramm vorsichtig „Teilkorrekturen“ anmahnt, ohne dafür nach der Bundestagswahl eine Durchsetzungschance zu haben. Von Christoph Butterwegge

Altkanzler Schröder: „Wer sich vorm Arbeiten drückt, muss mit Sanktionen rechnen”

10 Jahre nach der Agenda 2010 macht Schröder in einem Interview mit der Bild-Zeitung noch einmal in aller Klarheit deutlich, welcher geradezu absurden Gedankenwelt er aufgesessen ist. Schröder hat sich rückwärts auf ein Pferd setzen lassen, das vom Schwanz her aufgezäumt war und er hat bis heute nicht gemerkt, dass sich der Gaul nicht vorwärts sondern rückwärts bewegt.
Nach dem Motto, „was nicht wahr sein darf, nicht wahr sein kann“, verfälscht er Tatsachen und biegt sein Bild in der Geschichte zurecht. Von Wolfgang Lieb.

Der „Managerkreis der Friedrich-Ebert-Stiftung“ feiert das 10-jährige Jubiläum der Agenda 2010 – nur unter Freunden

Unter dem Titel „Agenda 2010 – Bilanz und Perspektive“ feiert der Managerkreis der FES am 14. März 2013 – dem zehnten Jahrestag der Verkündung der Agenda – eine Geburtstagsparty (Download hier). Wie es bei diesen „Managern“ der sozialdemokratischen Stiftung nicht anders zu erwarten ist, sind ausschließlich Freunde der Agenda eingeladen. Der Brückenkopf der neoliberalen Bewegung hinein in die Sozialdemokratie will sich offensichtlich seine Jubiläumsfeier nicht durch Kritiker stören lassen. Man müsste ja sonst befürchten, dass die Party-Stimmung durch ein paar Hinweise auf die verheerenden Folgen der Agenda für Millionen von Menschen in Deutschland und inzwischen in ganz Europa ziemlich schnell in den Keller rutschen könnte. Um sich selbst zu applaudieren, stellt man lieber den guten Ruf der Stiftung in Frage. Von Wolfgang Lieb.

Amazon und Du – Macht und Ohnmacht des Verbrauchers

Die ARD-Dokumentation „Ausgeliefert! Leiharbeiter bei Amazon“ hat vielen Menschen die Augen geöffnet. Für das Internet-Versandhaus ist die Reportage über ausländische Leiharbeiter, die in Deutschland wie Sklaven gehalten werden, ein PR-Gau. Der „Shitstorm“, der momentan in den sozialen Netzwerken über Amazon hinwegzieht, ist gewaltig. Amazon duckt sich weg und spielt auf Zeit – der Konzern weiß, schon morgen wird wahrscheinlich bereits die nächste Sau durchs virtuelle Dorf getrieben. Es ist an der Zeit, dass der Verbraucher seinen Kompass neu justiert und sich endlich der Macht bewusst wird, die er nicht nur in den Händen, sondern vor allem in seiner Brieftasche hält. Von Jens Berger.

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Der deutsche Währungskrieg, Beifall aus Brüssel

Die deutschen Ausfuhren waren 2012 so hoch wie noch nie: Deutschland exportierte im Wert von 1097 Milliarden Euro. Der deutsche Exportüberschuss ist mit 188 Milliarden Euro der zweithöchste in der Geschichte der Bundesrepublik und damit fast so hoch wie vor der Krise in 2007. Von Fabio De Masi[*].

Befriedungsverbrechen – Über die Psychologisierung und Medizinisierung sozialer Konflikte

In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 13. Januar 2013 stieß ich auf einen Artikel, der unter der Überschrift „Der Notarzt“ von einem psychologischen Beratungsdienst für Unternehmen berichtet. Die Mitarbeiter der Firmen, die mit diesem Beratungsdienst namens „Insite Interventions“ zusammenarbeiten, können dort anrufen, wenn ihnen die Arbeit über den Kopf wächst, das Privatleben aus den Fugen gerät, sie sich elend fühlen – erschöpft, ausgebrannt, arbeitsmüde. Wenn jemand mitten in der Nacht anruft, „muss man sofort einen Hoffnungsschimmer wecken“, erklärt Hansjörg Becker, der als Psychiater Ende der 90er Jahre die Arbeitswelt als Marktlücke entdeckte. „Employee Assistance Programm“ heißt der Service, den Becker und seine Kollegen den Unternehmen anbieten. Von Götz Eisenberg

„Nie gab es mehr Erwerbstätige“ – Propaganda mit Zahlen

So viele Erwerbstätige wie noch nie“, „Nie gab es mehr Erwerbstätige“. So oder so ähnlich lauteten die Schlagzeilen.
Im Jahr 2012 waren durchschnittlich rund 41,5 Millionen Personen mit Wohnort in Deutschland erwerbstätig, das waren 416 000 Personen oder 1,0 % mehr als ein Jahr zuvor. Nach ersten vorläufigen Berechnungen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) erreichte die Zahl der Erwerbstätigen damit im sechsten Jahr in Folge einen neuen Höchststand. Seit 2005 ist die Zahl der Erwerbstätigen um insgesamt 2,66 Millionen Personen (+ 6,8 %) gestiegen, so meldete gestern das Statistische Bundesamt. Unser Leser G.K. analysiert diese Erfolgsmeldung. Das Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe e.V. (BIAJ) hat darüber hinaus noch eine von den Medien weit verbreitete Falschmeldung entdeckt.

Ist die Bundesagentur für Arbeit Teil des Problems?

„Steuern nach Zahlen ist wie Malen nach Zahlen. Es kommt keine Qualität zustande. Wir müssen aufhören, die Führungsleistung in erster Linie an Zahlen festzumachen.“
Eine schonungslose Analyse des Vorsitzenden des Hauptpersonalrats der BA.

Schadensersatz für Lohndrücker?

Vor nunmehr fünf Jahren führte die Bundesregierung den Mindestlohn für Briefzusteller ein. Anfang 2010 wurde das Gesetz jedoch aus formalen Gründen vom Bundesverwaltungsgericht wieder gekippt. Gestern reichte der ehemals größte Konkurrent der Deutschen Post AG, die Pin Mail, Schadensersatzklage gegen die Bundesrepublik Deutschland ein. Es geht um fünf Millionen Euro, die Differenz zwischen dem Mindestlohn und dem Niedriglohn der Pin Mail. In einer gerechteren Welt würden nicht Lohndrücker die Bundesregierung verklagen, sondern von Berlin verklagt werden. Von Jens Berger

Das Streik-Urteil des Bundesarbeitsgerichts – ein Pyrrhussieg der Kirchen?

Ein Urteil der Erfurter Richter hat zwei Schlussfolgerungen ausgelöst: Die Süddeutsche Zeitung titelt: „Richter lockern kirchliches Streikverbot“, während die Frankfurter Allgemeine Zeitung behauptet: „Kirchen können Streiks ausschließen“. Haben die Richter ein Urteil gefällt, das nur Gewinner und keine Verlierer kennt?
Von Friedhelm Hengsbach SJ, Nell-Breuning Institut