Liebe NachDenkSeiten, lieber Herr Müller,
ich arbeite ich in einem kleinen unabhängigen Buchladen. Heute ist in der FAZ ein Artikel veröffentlicht worden, von dem ich denke, dass er auch für die NachDenkSeiten-Leser interessant sein könnte.
Der Artikel war heute schon in jeder Buchhandlung in unserer Stadt das Tagesthema und ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie auf Ihrer Homepage darauf hinweisen könnten.
Herr Reuss hat vielen Buchhändlern und auch Kunden aus der Seele gesprochen. Die Universitätsbibliothek, wie auch die Stadtbibliothek verlinken die Bilder, die sie ihren Kunden als “Mehrwert” zur Verfügung stellen auf Amazon, von denen sie die Daten beziehen, und bekommen ein Entgelt. Der genaue Betrag wird nicht genannt.
Einige Kommentare zu dem FAZ-Artikel lassen mein Buchhändlerherz bluten. Es ist so schade, zu glauben, dass Amazon einen besseren Service und eine bessere Beratung durch Kundenrezensionen biete.
Viele Rezensionen sind gefälscht. Wenn ich mir manchmal durchlese, welche Reiseführer und vor allen Dingen Karten empfohlen werden, bange ich um manche Leute, die diese Produkte kaufen und damit irgendwo in den Alpen herum hüpfen.
Vieles ist pures Marketing, Geldmacherei und Ahnungslosigkeit. Ein Beispiel …
Zum Service: Auf wessen Kosten? Heute Abend um 22.45 Uhr kommt wieder ein Bericht im Fernsehen, der die Arbeitsbedingungen unter die Lupe nimmt. Geschweige denn die Arbeitsbedingungen der Paketzusteller, die schlicht unter aller Sau sind. Ich habe täglich mit ihnen zu tun und weiß, wovon ich rede.
Vielleicht haben Sie als ehemaliger OB-Kandidat von Heidelberg mitbekommen, dass sich die Stadt als “Unesco – City of Literature” bewerben will. Als einer der Hauptgründe wird die größte Buchhandelsdichte pro Einwohner in Deutschland genannt. Wenn die Bibliotheken nun Ihre Studenten gezielt zu Amazon führen, wird diese hochgelobte Dichte abnehmen. Man erinnere sich, dass Heidelberg auch mal die größte Dichte an Kinos hatte.
Es schmerzt, wenn Leute mit enormer Vehemenz den Buchhändler als überholtes Relikt verteufeln und die Verlage mit ihrem E-Book-Wahn auf ein B2C-Geschäft hoffen (E-Books haben gerade mal 2% Marktanteil, Hörbücher 15%). Diese Stimmungsmache, die gegen den stationären Buchhandel und auch gegen die Ladenpreisbindung läuft, ist fatal. Die Fronten in der Diskussion sind so verhärtet, dass man sich gar nicht mehr traut, seine Position als Buchhändler zu erläutern. Und wenn, dann werden sie eh abgeschmettert.
Amazon ist der Buchhandel egal. Die Marge ist eh zu gering und erst kürzlich erschien das Ranking der einzelnen Marktanteile der Warensegmente: Auf der Überholspur Kleider und Unterhaltungselektronik. Hier ist die Gewinnspanne wesentlich höher.
Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie diesem Thema etwas Platz auf Ihren Nachdenkseiten, die mir so lieb und teuer sind, widmen würden.
Herzliche Grüße
S. J.