Beiträge von Wolfgang Lieb
Arbeitskräftemangel in der Zukunft? (Teil II)
In Teil I wurde dargestellt, wie aus einem rechnerischen Minus von 34 Prozent der 20- bis 65-Jährigen bis zum Jahr 2060 durch das Mitbedenken von ein paar schlichten Tatsachen ein jährliches Absinken von 0,23 Prozent wird.
Warum macht man diese dramatisierenden Zahlenspiele?
Natürlich wissen die Schöpfer der demografischen Horrorszenarien selbst, dass sie weder 50 Jahre in die Zukunft blicken können[1], noch dass Ihre Daten wirklich Anlass zur Panik bieten. Sie benutzen die Zahlen lediglich, um die Öffentlichkeit in ihrem Sinne zu manipulieren – kein wirklich seltenes Phänomen in unserer Republik[2]. Nur mithilfe des Demografie-Hammers war es möglich, den massiven Einstieg in die private Absicherung für das Alter durchzusetzen. Hauptgewinner dieser Strategie waren bekanntlich die Versicherungen und die Arbeitgeber, die mit diesem Einstieg eine Deckelung ihres Beitrages für die gesetzliche Rente erreichen konnten. Immerhin wurde für die Sicherung von Milliardengewinnen schon Schlimmeres getan, als harmlose Bevölkerungsdaten zu einem Instrument für dramatisierende Gedankenspiele umzufunktionieren. Von Klaus Bingler und Gerd Bosbach.
Parteitag der Grünen: Alles geht – von der Fundamentalopposition bis zu Schwarz-Grün
Nach dem Hamburger Parteitag haben Bündnis 90/Die Grünen ihren Gründungsmythos einer pazifistischen Umweltpartei endgültig aufgegeben und haben sich vollends zu einer Funktionspartei, also als Mehrheitsbeschaffer für alle nur denkbare Koalitionen gewandelt. Was sich in den unterschiedlichen Länderkoalitionen von Grün-Rot, über Rot-Grün, Schwarz-Grün bis Rot-Rot-Grün schon abzeichnete, wurde nun mehr auch programmatisch beschlossen, nämlich „ein konsequentes Sowohl-als-auch“ (taz). „Mehr Biss. Grün“ lautete die Parole auf der Rückwand, doch zahnlose Grüne mümmelten nur noch Einheitsbrei. Von Wolfgang Lieb.
Arbeitskräftemangel in der Zukunft? (Teil I)
Über statistische Taschenspielertricks (oder Denkfehler) in der Demografie-Debatte und die „Demografisierung“ einer sozialpolitischen Diskussion
Demografische Gedankenspiele haben seit Beginn des neuen Jahrtausends Hochkonjunktur. Dabei wird vor allem die Angst vor der Alterung der Gesellschaft bewusst instrumentalisiert, um den Sozialstaat „umzubauen“ oder, wie gerne formuliert wird, „an die veränderten demografischen Bedingungen anzupassen“. Das schlägt sich in sinkenden realen Renten, längeren Wochen- und Lebensarbeitszeiten für Beschäftigte sowie einer zunehmenden privaten Vorsorge für Krankheit und Alter nieder. Sogar die Schuldenbremse wird häufig demografisch begründet.
Auch zurzeit wird wieder Angst geschürt. Diesmal nicht vor den vielen Alten, sondern vor einer Zukunft, in der es angeblich zu wenige Arbeitskräfte gebe, um unsere Volkswirtschaft aufrecht zu erhalten. Von Klaus Bingler und Gerd Bosbach.
Nachdenken über Deutschland – Arbeit 4.0 von Frank Bsirske
Für „Das kritische Jahrbuch 2014/2015 – Nachdenken über Deutschland“ schrieb der Vorsitzender der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), Frank Bsirske, einen einleitenden Gastbeitrag über die digitale Revolution in der industriellen Produktion des 21. Jahrhunderts.
Die Metapher „Industrie 4.0“ weist auf einen tiefgreifenden Umbruch in der Arbeitswelt hin. Die Digitalisierung der Arbeit durchdringt dabei alle Dimensionen moderner Arbeit: Die Produktions-, die Dienstleistungs- und die Wissensarbeit. Während die Aufmerksamkeit von Wirtschaft und Politik sich vor allem auf die Herausforderungen in der Produktionsarbeit konzentrieren, wird nur allzu leicht die Dynamik in der Digitalisierung von Dienstleistungen und Dienstleistungsarbeit übersehen, die bereits heute gravierende Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft hat.
Schon heute werden rund 70 Prozent der Bruttowertschöpfung in den Dienstleistungsbranchen erarbeitet und mehr als 70 Prozent aller Erwerbstätigen sind mit Dienstleistungen beschäftigt. Zugleich ist der Anteil der durch Digitalisierung erzeugten Wertschöpfung im Dienstleistungsbereich auf ein Drittel der gesamten Wertschöpfung angewachsen – Tendenz steigend…
Übrigens „Das kritische Jahrbuch 2014/2015 – Nachdenken über Deutschland“ ist auch ein schönes Weihnachtsgeschenk für nachdenkliche Leserinnen und Leser oder für Menschen, denen Sie einen Denkanstoß geben möchten.
Zum einleitenden Gastbeitrag von Frank Bsirske: Arbeit 4.0
Eine andere Republik – Hartz IV und die Folgen
Der frühere Wirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement hat das im Volksmund als „Hartz IV“ bezeichnete Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt seinerzeit die „Mutter aller Reformen“ genannt. Tatsächlich hat sich Deutschland in den zehn Jahren seit Einführung der Arbeitsmarktreform am 1. Januar 2005 tiefgreifend gewandelt: Sowohl die von dem Gesetzespaket unmittelbar Betroffenen wie auch ihre Angehörigen und die mit ihnen in einer „Bedarfsgemeinschaft“ zusammenlebenden Personen werden stigmatisiert, sozial ausgegrenzt und isoliert. Auch für alle übrigen Gesellschaftsmitglieder hat sich die soziale Fallhöhe durch Hartz IV erheblich vergrößert, weshalb die Furcht vor dem materiellen Absturz sogar in der Mittelschicht um sich greift. Die mit den Hartz-Reformen in Gang gesetzte soziale Abwärtsspirale erschwert den normalen Alltag vieler Durchschnittsbürger/innen, beeinträchtigt jedoch auch deren aufrechten Gang. Von Christoph Butterwegge.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.