Albrecht Müller (* 16. Mai 1938 in Heidelberg) ist ein deutscher Volkswirt, Publizist und ehemaliger Politiker (SPD).
Müller war Planungschef im Bundeskanzleramt unter den Bundeskanzlern Willy Brandt und Helmut Schmidt. Weiter war er von 1987 bis 1994 für die SPD Mitglied des Deutschen Bundestages und ist seit 2003 als Autor und Mitherausgeber der NachDenkSeiten tätig.
Beiträge von Albrecht Müller
Wie 1914: Wir kennen keine Parteien mehr
Wegen des völkerrechtswidrigen Angriffs Russlands auf die Ukraine gab es am gestrigen Sonntag eine Sondersitzung des Deutschen Bundestages. Bundeskanzler Scholz hielt zum Einstieg eine Rede, die man als Kriegsrede bezeichnen kann. Der Applaus war rauschend und die Stimmung gut. Die übergroße Mehrheit der Mitglieder des Deutschen Bundestags und der Parteien, nämlich SPD, FDP, die Grünen, CDU und CSU, haben sich um Kanzler und Regierung versammelt. Sie befürworten die vorgeschlagene massive Aufrüstung und die angekündigten Waffenlieferungen an die Ukraine, was man ehrlicherweise als Beteiligung am dortigen Krieg interpretieren kann und muss. Der gestrige Tag und die vielen Sendungen und Sondersendungen und Berichte unserer Medien erinnern sehr an Juli und August 1914. Damals unterstützten auch die zuvor in der Sozialistischen Internationale für den Frieden aktiven deutschen Sozialdemokraten die Kriegskredite und bekamen damit auch den Segen von Kaiser Wilhelm II: Ich kenne keine Parteien mehr. Albrecht Müller.
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Eine Regierung, die sich von einem Botschafter unentwegt beschimpfen lässt, ist nicht autonom
Seit längerem schon kritisiert der Ukraine-Botschafter Melnyk die deutsche Bundesregierung. So am 24. Februar auch bei Lanz. Er warf Mitgliedern der Bundesregierung Kälte und Gleichgültigkeit vor. Das ist kein neuer Auftritt dieses Botschafters. Das hat Tradition. Genauso Tradition hat die Untätigkeit der Bundesregierung. Normalerweise wird ein Botschafter, der die Regierung seines Gastlandes so maßlos kritisiert, wie Botschafter Melnyk das tut, umgehend des Landes verwiesen. Ich habe in 14 Jahren Tätigkeit im Dienste von Kanzleramt und Bundesregierung keinen einzigen Fall erlebt, der auch nur annähernd die Dimension des unfreundlichen Auftritts des Botschafters Melnyk hatte. Man kann das Schweigen des Bundeskanzlers und der Bundesregierung nur so erklären, dass andere Mächte ihre Hand über diesem Botschafter halten. Albrecht Müller.
Hohe Zeit für transatlantische Dumpfbacken
Zugegeben, es ist ausgesprochen schwierig, sich eine sachlich fundierte und abgewogene Meinung zur militärischen Intervention Russlands und zur Entwicklung der Ukraine insgesamt zu bilden. Eine rationale Abwägung der Ursachen und der Umstände des schrecklichen Krieges in der Ukraine scheint nicht mehr möglich zu sein. So der Eindruck nach den Erklärungen von Scholz, Baerbock, Merz und der weitgehend mit ihnen korrespondierenden Medien. Sie verweigern die Wahrnehmung des Zusammenhangs zwischen der Entscheidung Russlands und dem Vorlauf transatlantischer und auch militärischer „Tätigkeit“ in der Ukraine; sie personalisieren (Putin) in extremer Weise und übersehen die eingetretene gefährliche Konstellation: Russland ist in die Enge getrieben. Bis hierher und nicht weiter, lautet der gezogene Schlussstrich. Wenn man diese Konstellation erkannt hat, dann muss man um der Sache und des Friedens willen vorsichtig mit dem Problem umgehen. Stattdessen wird Öl ins Feuer gegossen. Albrecht Müller.
Wetten …, dass wir von Scholz, Steinmeier und Co. nie eine so interessante Rede zu hören bekommen
Als ich heute früh im Beitrag Ratlos auf die Rede von Putin vom 21. Februar verlinkte, verzichtete ich darauf, die Lektüre zu empfehlen. Ich hatte sie noch nicht gelesen und war beeinflusst vom Verriss dieser Rede durch deutsche Kommentatoren, die ich in der Nacht zuvor gehört oder gelesen hatte. Nach Lektüre der Rede kann ich nun jedem politisch und zeitgeschichtlich interessierten Menschen nur dringend empfehlen, diesen Text zu lesen. Man lernt viel über Russland und die Ukraine, man lernt viel über Europa und vor allem über die westliche Welt und ihre Charakterlosigkeit. Und man erfährt viel darüber, dass sich der russische Präsident in vielfältiger Weise und immer wieder vom Westen betrogen fühlt und wie er dies belegt. Deshalb hier noch einmal der Link Präsident Putins komplette Rede an die Nation im Wortlaut | Anti-Spiegel verbunden mit einem Dankeschön an Thomas Röper vom Anti-Spiegel, der die Übersetzung besorgt hat. Albrecht Müller
Ratlos
Die Entscheidung Putins in Bezug auf die beiden Republiken in der Ostukraine, die militärische Intervention, die voll auf Kalten Krieg umschaltende Diskussion im Westen, die dabei sichtbar werdende Militanz und Aggressivität gegen die Wenigen, die wie zum Beispiel Sahra Wagenknecht gegen den Mainstream aufmucken, der erkennbare Abschied von der Idee einer gemeinsamen Sicherheit in Europa und die immer wieder durchschimmernde Bereitschaft, Krieg als möglich zu denken, die Bereitschaft, harte Sanktionen zu erlassen, die vor allem die normalen Menschen dort im Osten wie auch bei uns mit teuren Heizkosten treffen kann – das alles lässt einen ratlos zurück. Das muss ich zugeben. Trotzdem mit dem Versuch der Verständigung und Versöhnung auch mit Russland weitermachen? Trotzdem jedenfalls auf lange Sicht darüber nachdenken und planen, dass wir alle in der Welt guter Nachbarschaft besser leben als in einer Welt der Feindseligkeiten? Albrecht Müller.