Notiz am Rande: Platzeck meint, die Lockerung der Ladenöffnungszeiten bringe Arbeitplätze

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) sagte der “Bild am Sonntag”, eine hohe Flexibilität bei den Ladenöffnungszeiten von Montag bis Samstag sei sinnvoll, weil dadurch in Handel und Dienstleistungsgewerbe neue, dauerhafte Arbeitsplätze entstehen könnten. Dazu ist anzumerken. Alle bisherigen Lockerungen brachten nichts. Wie sollten sie auch. Wenn man die gleiche Kaufkraft auf eine längere Zeit verteilt, wird daraus nicht mehr. Platzeck vertritt wie die anderen auch die Interessen der großen Discounter. Und genau wie bei den anderen Eliten: keine Ahnung aber eine feste Meinung.

Ist die Arbeitslosenversicherung keine Versicherung?

Der Unmut gegen Hartz IV – vor allem bei älteren Arbeitnehmern – speist sich aus dem Gefühl eines Vertrauensbruchs. Viele Menschen haben Jahrzehnte in die Arbeitslosenversicherung einbezahlt und jetzt sollen sie nach einem Jahr ohne Arbeit Sozialhilfeempfänger werden. Das erleben viele als ungerecht und beschämend. Sie haben mehr einbezahlt als sie jetzt von ihrer „Versicherung“ zurück erstattet bekommen. Um den Protest zu dämpfen, werden jetzt immer wieder – zuletzt etwa in der wdr-Sendung „Hart aber fair“ am Mittwoch, den 8. 9. 2004 – unsinnige und irreführende Gegenrechnungen angestellt.

Infratest dimap stellt die “richtigen” Fragen für die “richtigen” Antworten

Am vergangenen Freitag meldete der „Bericht aus Berlin“ als Ergebnis der aktuellen Umfrage im Rahmen des Deutschland Trend: „Knappe Mehrheit gegen Reformstopp“. Einige Zeitungen, die zusammen mit der ARD diese Umfragen finanzieren, überschrieben ihre Artikel und Berichte am Samstag, den 4.9. z. B. mit „Mehrheit will Reformkurs fortsetzen. – Verschiebung der Gesundheitsreform stößt auf Ablehnung.“ (FR) oder „Mehrheit der Deutschen gegen Reformstopp“ (Die Rheinpfalz). 54% wollten „weitere Reformen so schnell wie möglich angehen“, hieß es in der entsprechenden Graphik mit der Überschrift „Weitere Reformen“.

Papagei-Papageien – Erst sagt es der Experte, dann übernehmen es die Politiker, dann plappern es alle nach

Ein Musterbeispiel dafür, wie vor allem die Wirtschaftsjournalisten völlig unbeeindruckt von Tatsachen und ohne Rücksicht auf die Logik ihrer Argumente gebetsmühlenhaft die ständig wiederholten Parolen nachplappern findet sich im Kölner Stadt-Anzeiger vom 3. September. Der „Kommentar“ von Günther M. Wiedemann ist ein Beispiel unter zahllosen anderen für den Niedergang des kritischen Sachverstands in der veröffentlichten Meinung und für die Selbstimmunisierung der gängigen Sachzwangrhetorik: „Ist die Medizin auch schädlich, so erhöhen wir halt die Dosis“.

Auch Joschka Fischer sagt die üblichen Denkfehler zur Begründung der Reformen nach.

Heute erschien ein Interview mit Joschka Fischer in der Frankfurter Rundschau. Auch bei ihm immer und immer wieder die gleichen Behauptungen, die auch durch Wiederholung nicht wahrer werden: Globalisierung und demographischer Wandel verändern angeblich die Rahmenbedingungen grundlegend, Deshalb müssten wir den Sozialstaat erneuern, und so auch die internationale Wettbewerbsfähigkeit wiedergewinnen.

Nichts daran stimmt: wir sind enorm wettbewerbsfähig, die Globalisierung ist überhaupt keine neue Herausforderung und der demographische Wandel lässt sich ohne Strukturreformen bewältigen. Zum Thema Globalisierung füge ich den einschlägigen Text aus Albrecht Müller, “Die Reformlüge” an.

Siehe auch Eintrag vom 26.8.2004

“Die Reformlüge”

Albrecht Müller, “Die Reformlüge – 40 Denkfehler, Mythen und Legenden, mit denen Politik und Wirtschaft Deutschland ruinieren”.

Wie viel Ungleichheit schafft Arbeitsplätze? Bei der Zahl der Wohlhabenden ist Deutschland Europameister gleichzeitig nimmt der Anteil der Armen zu.

Nach einer aktuellen Analyse des „Datamonitors“ hat die Zahl der Wohlhabenden in Deutschland in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Deutschland wird als der attraktivste Markt Europas für Vermögensverwalter und Privatbanken eingestuft. Der neue „Datenreport 2004“ weist aus, dass die Armut in Deutschland zunimmt. Wirtschaftsminister Clement brachte in die Debatte um „Soziale Gerechtigkeit“ „entweder fortdauernde Arbeitslosigkeit…oder mehr gesellschaftliche Ungleichheit“ als Alternative ein. Wie viel Ungleichheit ist also noch nötig um die Arbeitslosigkeit zu senken?

Betrifft Hartz IV: Besonders “betroffen” sind Arbeitslose, die auf eine “58er-Regelung” vertraut haben

Knapp 400 000 Arbeitslose, die 58 Jahre oder älter sind und die von der sog. “58er-Regelung” Gebrauch gemacht haben, müssen sich von der Politik in besonders zynischer Weise getäuscht fühlen. Überwiegend Menschen, die sich mit dem Versprechen, bis zur Rente ohne Abschläge Arbeitslosengeld oder –hilfe beziehen zu können, aus ihrem (ungekündigten oder gar unkündbaren) Beruf haben drängen lassen, sollen ab Januar 2005 unter die Regelungen von Hartz IV fallen. Erinnert sich Wirtschaftsminister Clement eigentlich nicht mehr an seine eigenen Versprechen?

“Bypass für einen Asthmakranken”

So kennzeichnet das Mitglied des Sachverständigenrates Prof. Peter Bofinger die Hartz IV Reform in einem Interview mit der Berliner Zeitung von heute. Zugleich veröffentlichte die andere große Berliner Tageszeitung, der Tagesspiegel einen Offenen Brief von mir an den Bundeskanzler unter dem Titel “Lass die Geschichte anders enden”. In beiden Beiträgen wird – unabgesprochen – darauf hingewiesen, wie wirkungslos und eher von negativer Wirkung die sogenannten Reformen sein werden, die heute die Politiker und die Öffentlichkeit total absorbieren. (AM)

Link 1: Bofinger-Interview » (Link nicht mehr erreichbar – 24.03.2006)
Link 2: Der offene Brief an den Bundeskanzler »

“Sei rüde, sei ehrlich, mach es schnell”

Das ist die Überschrift über einem Beitrag des Spiegel vom 16. August 2004 zu Sozialreformen im Rahmen der Titelgeschichte dieser Woche: “Angst vor der Armut”. In diesem Artikel wird über eine neue so genannte Benchmarking-Studie der Bertelsmann Stiftung berichtet. Eingebettet in den Hauptartikel “Das verunsicherte Volk” ist dann auch ein Interview mit dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche, Bischof Dr. Wolfgang Huber. Seine Hauptbotschaft laut Spiegel: Mehr Mut zu Reformen. Das ist der Tenor des gesamten Stücks. Wer sich mit den Reformen beschäftigt und die Art der Agitation bewundern will, sollte sich diese Beiträge ansehen.
Ich gebe einige Hinweise auf Denkfehler und Tücken, mit Schwerpunkt beim Bericht des Spiegel. Dabei greife ich auf Material zurück, das in einem Buch verarbeitet ist, das ich im letzten halben Jahr neben der Entwicklung der NachDenkSeiten geschrieben habe: Albrecht Müller, “Die Reformlüge – Denkfehler, Mythen und Legenden, mit denen Politik und Wirtschaft Deutschland ruinieren”. Mehr dazu in den nächsten Tagen.

Betrifft: Hartz IV. Oder worüber die Informationskampagne der Bundesregierung nicht informiert.

Jetzt wird also besser „vermittelt“. In ganzseitigen Anzeigen wird gefragt: „Wie verbessert Hartz IV die Lage der Arbeitslosen?“ In einzelnen Berechnungsbeispielen soll der allgemeine Eindruck erweckt werden, dass das Arbeitslosengeld II die bisherige finanzielle Lage der Betroffenen nur geringfügig verschlechtere, bei Alleinerziehenden gar verbessere. Worüber nicht informiert wird: 20% im Westen und 36% im Osten werden keinerlei Leistung mehr beziehen. 51% (West) bzw. 44% (Ost) geringere, 11% (West) bzw. 6% (Ost) eine etwa gleiche Leistung und 18% (West) bzw. 15% (Ost) eine höhere Leistung.