Rede von Albrecht Müller, Thema: Der Reform-Irrtum.
Deutscher Automobil Industrie Gipfel 2005 – Stuttgart 15.3.2005
Deutscher Automobil Industrie Gipfel 2005 – Stuttgart 15.3.2005
Heute kann ich die FAZ loben. Das tut gut. Und ich kann einen Physiker loben – das tue ich üblicherweise, weil ich unter diesen fast nur kluge Leute kenne. Unter dem Titel A-H-O-V-X erschien heute (Seite 10) ein Beitrag von Prof. Dr. Ruprecht Jaenicke. Der Physiker aus Mainz fragt, ob es sinnvoll sei, die Bevölkerung wieder zum Wachstum durch Geburten anzuregen. Und er bestätigt die selbstverständliche Richtigkeit des Mackenroth-Theorems. Leser der „Reformlüge“ finden verwandte Informationen. Der Beitrag ist auch eine Art Blattschuss für FAZ-Mitherausgeber Schirrmacher.
Quelle: FAZ »
… und die deutschen Ökonomen. In der Financial Times Deutschland ein zitierfähiger Artikel von Sebastian Dullien.
Quelle: FTD »
Ein Diskussionspartner machte mich anlässlich einer Buchlesung in Gelsenkirchen auf den rapiden Rückgang sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse aufmerksam. Seit März 2000 sank die Zahl von 27,6 auf 26,4 Mio.
Dieses Zitat von Benjamin Franklin trifft die Debatte um die Senkung der Unternehmenssteuer, wie sie im Vorfeld des „Jobgipfels beim Bundeskanzler“ vor allem von Seiten der Unternehmensverbände und der Union geführt wird.
Diese verweisen penetrant auf den nominalen deutschen Steuersatz für Kapitalgesellschaften von rd. 38%, der deutlich über dem EU-15-Durchschnitt von 31% und doppelt so hoch wie im Durchschnitt der 10 neuen EU-Ostländer liegt.
Über die tatsächlich bezahlte (effektive) Steuerbelastung aus Unternehmertätigkeit und Vermögen in Deutschland von 21% bei einem EU-Durchschnitt von 30% schweigt sich die Steuersenkungslobby aus.
Eine nominale Senkung der Unternehmenssteuersätze bedeutete nur: „Wer bisher viel bezahlt hat, zahlt dann weniger, wer bisher nicht bezahlt hat, zahlt weiterhin nichts.“ (Jarass) D.h. noch höhere Gewinne und noch weniger Steuereinnahmen für öffentliche Investitionen und noch weitere Senkungen der Sozialleistungen.
Einen Vorschlag [PDF – 139 KB], wie ein derart unsinniges Ergebnis vermieden werden könnte, macht der Steuerexperte Lorenz Jarass, der derzeit an der Stanford Universität in den USA lehrt.
Diesen Titel trägt der neueste Essay von John Kenneth Galbraith, in dem er viele Beispiele für den „Realitätsverlust der heutigen Wirtschaft“ abhandelt. Der 97-jährige Galbraith, einer der bekanntesten Wirtschaftswissenschaftler, kommt zu dem Schluss, „dass die wahren Verhältnisse auf keinem anderen Gebiet durch soziale oder auf Gewohnheit beruhende Präferenzen sowie materielle Individual- und Gruppeninteressen derart verschleiert werden wie in der Ökonomie und der Politik.“
Wie wenig sich die mehr als 60 Milliarden Euro Steuerentlastungen bei Ags und GmbHs in den letzten vier Jahren auf die Investitionsbereitschaft und wie positiv sie sich dagegen auf die Gewinne ausgewirkt haben, belegt ver.di in Wirtschaftspolitik-aktuell Nr. 8, 2005, mit einer Umsetzung der Daten des Statistischen Bundesamtes in eine Grafik.
Danach sind die Bruttoinvestitionen von 216 Milliarden Euro im Jahre 2000 auf 182 Milliarden Euro in 2002 gesunken und lagen 2004 bei 209 Milliarden Euro. In diesem Zeitraum sind die Gewinnsteuern von 27 Milliarden Euro auf einen Tiefststand von 9 Milliarden Euro in 2001 gesunken, um im Jahre 2004 etwa wieder etwa auf der Hälfte des Ausgangswerts, bei 14 Milliarden Euro, zu landen. Dafür sind die Gewinne in den letzten vier Jahren von 236 Milliarden Euro auf 281 Milliarden Euro gestiegen.
Fazit: Die Gewinne von heute sind eben nicht die Arbeitsplätze von morgen.
Quelle: wipo.verdi.de »
Heiner Flassbeck empfiehlt zum Hinweis in den NachDenkSeiten „eine wunderbar einfache Statistik mit Graphiken über die relevanten Zusammenhänge in Deutschland von 1992 bis 2004“. Sie finden sie beim Statistischen Bundesamt unter diesem Link [PDF – 2.9 MB].
Bei nahezu allen Wahlen seit der Verkündung der Agenda 2010 ging es mit der SPD bergab. In Sachsen ist sie mit 9,8% gar als Splitterpartei angekommen. Auch das Ergebnis in Schleswig-Holstein (minus 4,4% für die SPD bei gleichzeitigen plus 5% für die CDU) hätte man noch vor kurzem als „politischen Erdrutsch“ bezeichnet. Für den SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering, war die Niederlage von Heide Simonis ein weiterer Beweis dafür, dass die SPD sich aus dem tiefen Loch „rausgebuddelt“ hat. Wie tief unten muss sich eigentlich die SPD im Keller wähnen, wenn es für sie nach jeder Niederlage aufwärts geht?
Die Titelgeschichte des SPIEGELs vom 7.3.05 hat die Überschrift „Kanzler ohne Fortune“. Wieder einmal eine der üblichen Katastrophengeschichten. Geradezu genüsslich werden der Reihe nach negative Daten aufgelistet, etwa Nullwachstum, Absturz des Pro-Kopf-Einkommens, Rückgang der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten, Höchststand der Arbeitslosigkeit, hoher Anteil von Langzeitarbeitslosen, Abkoppelung Deutschlands von der Konjunkturentwicklung. Fazit: „Der mit großen Erwartungen gestartete SPD-Kanzler bekommt das zentrale Problem des Landes nicht in den Griff.“
Der Kanzler habe zwar den „bundesdeutschen Wohlfahrtsstaat umfassender reformiert als jeder seiner Vorgänger“, die ökonomische Wirkung der Reformen stünden aber „in keinem Verhältnis zum politischen Kraftaufwand“.
Erfahrungen eines Betriebsratsvorsitzenden eines mittelständischen Unternehmens
Der Staat darf in die grundgesetzlich garantierte Rundfunkfreiheit nicht eingreifen, die Brüsseler EU-Kommission soll das aber offenbar dürfen. Nach Meinung der Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes verzerrt der staatsfreie, öffentlich-rechtlich organisierte Rundfunk den Wettbewerb, weil er sich über Gebühren und nicht über den Markt finanziert. Deshalb stehe das Rundfunksystem in Deutschland und damit unser Grundgesetz nicht im Einklang mit dem EU-Recht. Im Namen der Wettbewerbsfreiheit soll nun die Rundfunkfreiheit in Deutschland einer Vielzahl von Auflagen und Einschränkungen vor allem im Hinblick auf seine zukünftigen Entwicklungschancen unterworfen werden. Zu Recht sprach der wdr-Intendant Fritz Pleitgen von der Gefahr eines „kapitalistischen Sowjetismus“.
Im vor-vorigen Tagebucheintrag („Undercover-Arbeit…“) wies ich daraufhin, wie die Lobby für die Privatvorsorge-Interessen arbeitet. Als ich heute früh meine Regionalzeitung „Die Rheinpfalz“ aufschlug, fand ich bestätigt, was sich bei SPIEGEL ONLINE abzeichnete: Auf der ersten Seite steht die Headline „Die Deutschen werden länger arbeiten müssen – Institut bezeichnet gesetzliche Altersvorsorge als unzureichend ..“ Im Text wird Miegel als „Rentenexperte“ ausführlich zitiert.
Mit Verspätung (Pardon!) stelle ich einen Hinweis von Jan Robben ins Netz: Anders als die deutschen Politiker und Medien scheint jetzt sogar der britische “Economist”, eigentlich das Kampfblatt des Neoliberalismus (und von Neoklassikern wie Horst Siebert in seinen Lehrbüchern den Studenten wärmstens anempfohlen), begriffen zu haben, dass die bisherigen Analysen irgendwie schief gewesen sein müssen. Zumindest liest man in der neusten Ausgabe vom 19. Februar 2005 Töne, die zu der bisherigen Melodie überhaupt nicht passen wollen.
Letzthin meinte einer unserer Leser, wir sähen den SPIEGEL zu kritisch. Das geht gar nicht. Mit einem neuen Beispiel der Irreführung durch Nichtinformation möchte ich Sie bekannt machen: SPIEGEL ONLINE berichtet unter der Überschrift „Altersvorsorge – Deutsche verpassen zu sparen“, das Deutsche Institut für Altersvorsorge (DIA) habe eine Studie bei dem Forschungsinstitut Empirica in Auftrag gegeben. Diese zeige, dass die Deutschen zu wenig sparen, jedenfalls reiche die Spar-Summe für die Erhaltung des jetzigen Lebensstandards nicht aus. Auch die Riester-Rente werde zu wenig genutzt. Deshalb schlage das Deutsche Institut für Altersvorsorge Alarm: Viele Erwerbstätige werden mehr sparen oder deutlich länger arbeiten müssen, wenn sie ihren Lebensstandard im Alter erhalten wollen. ”
Der Beitrag mündet zwangsläufig in der nicht formulierten Empfehlung: Jetzt hilft nur noch Privatvorsorge. – Die Autoren verschweigen wesentliche Informationen zur Einordnung dieser sachlich daherkommenden Story.