Sie verscherbeln, was ihre politischen Großväter an öffentlichen Einrichtungen aufgebaut haben. Auch Scharping ist im Geschäft.

In der vergangenen Woche war ich unterwegs auf Lesereise, unter anderem in Frankfurt, Berlin und Lübeck. In den Diskussionen spielte die massiv betriebene Privatisierung öffentlichen Eigentums eine große Rolle. Überall im Land werden zur Zeit die mit Hilfe der Steuerzahler aufgebauten kommunalen und Landeseinrichtungen privatisiert, verkauft, verscherbelt. In Hessen zum Beispiel wird systematisch das Landeseigentum zur Disposition gestellt, in Lübeck und Kiel die einzige Universitätsklinik des Landes Schleswig-Holstein. In vielen Privatisierungsfällen wird das von Rot-Grün mithilfe der Union noch kurz vor den Wahlen 2005 durchgeschleuste ÖPP-Beschleunigungsgesetz genutzt. In „Machtwahn“ habe ich beschrieben, dass bei diesen Privatisierungsvorgängen nicht die Frage entscheidend ist, ob die Privatisierung als gut oder schlecht zu betrachten ist. Man kann die Privatisierungsorgie, wie ich das nennen würde, nur begreifen, wenn man fragt, wer daran verdient.
Auf eine Antwort auf diese letzte Frage bin ich von einem Freund der NachDenkSeiten aufmerksam gemacht worden. Eine wahre Offenbarung: Rudolf Scharping – unter anderen natürlich. Machen Sie sich selbst ein Bild.

Eine interessante Begründung für einen Austritt aus der CSU: Eine neoliberale Partei ohne soziale Kompetenz.

Im vergangenen September war ich zu Gast beim Verein der Betriebsrentner in Diessen am Ammersee. In diesem Verein haben sich Menschen zusammengefunden, die unter der Insolvenz oder dem Verkauf ihrer Unternehmen zu leiden hatten.
Vorsitzender dieses Vereins ist Heider Heydrich. Ich habe mich bei jener Mitgliederversammlung im September 2005 deshalb sehr wohl gefühlt, weil dort über Parteigrenzen hinweg – auch bei CSU-Mitgliedern – das Engagements für eine soziale Gestaltung unserer Gesellschaft spürbar war. Jetzt ist der Vorsitzende aus der CSU ausgetreten und hat die Gründe dafür in einem Schreiben an den CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber und einer Austrittsbegründung erläutert. Aufschlussreich.

Quelle 1: Nachdenkseiten – Anschreiben Austritt [PDF – 17 KB]
Quelle 2: Nachdenkseiten – Austrittsbegründung [PDF – 326 KB]

Tipp: Neues Globalisierungsbuchs von Joseph E. Stiglitz

Zusammenfassender Bericht von Gerhard Kilper über Eric Le Bouchers Besprechung des neu erschienen Globalisierungsbuchs von Joseph E. Stiglitz („Un autre monde, contre le fanatisme du marché“, Verlag Fayard 2006), erschienen in der französischen Tageszeitung Le Monde vom 15.September 2006, Seite 19. Nach Le Boucher fordert Stiglitz – ähnlich wie sein französischer Ökonomen-Kollege Daniel Cohen – eine politische Korrektur des neoliberalen Globalisierungskonzepts.

„Ahmadinedschad nimmt Papst in Schutz“ – Ich nicht.

SpiegelOnline berichtet, der iranische Präsident habe Papst Benedikt in Schutz genommen. Ich kann das nach Lektüre der entsprechenden Passage der Rede von Regensburg nicht tun. Aus meiner Sicht ist die De-Eskalation zwischen dem Islam und dem Westen einschließlich der christlichen Religionen dringend geboten. Wenn ich die einschlägige Passage der Papstrede lese (siehe Anhang), dann spüre ich dabei den ehrlichen Willen zur Entspannung nicht – trotz aller sonstigen Äußerungen drum herum. Bilden Sie sich selbst ein Urteil. Die wichtigsten Passagen sind gefettet.

Die Neoliberalen forcieren ihre Agitation. Oder: Viel Spaß in Ghana

Ein Freund der NachDenkSeiten schreibt uns: „Just in der Woche, in der Sie ihre Seite überarbeiten, fanden einige, meiner Meinung nach, wirklich kranke und gefährliche Artikel ihren Weg in die Öffentlichkeit.“ Leider hat er recht. Die Agitation wird forciert. Je mehr sichtbar werden könnte, dass die durchgedrückten Reformen das versprochene Ergebnis nicht bringen, um so mehr wird der Misserfolg der angeblich mangelnden Reformbereitschaft zugeschrieben und gefordert, die Dosis zu erhöhen. Typisch dafür: Hartz IV.
Ein jetzt immer wiederkehrendes Motiv der Agitation ist die Behauptung, es gebe keine Mehrheit für Reformen, weil die meisten Wähler vom Sozialstaat profitierten. So bei Sinn, von Petersdorff und Steingart nachzulesen. Das ist der helle Wahnsinn, wenn man bedenkt, welche massiven Reformen alleine mit der Agenda 2010 und den Hartz-Reformen bei uns durchgesetzt und umgesetzt worden sind.
Mit Steingart werde ich mich gründlicher auseinandersetzen in einem Beitrag, der vermutlich morgen in den NachDenkSeiten steht. Einige andere einschlägige Beispiele, die unser Freund auflistete, folgen hier. Vorweg aber ein wirklich bemerkenswerter Beitrag von Andreas Hoffmann in der Süddeutschen Zeitung über die permanente Miesmache: „Viel Spaß in Ghana!“

Die Überschüsse der Bundesagentur für Arbeit – Das Prinzip „Fördern und Fordern“ wird ausgehebelt

Die Aktive Arbeitsmarktpolitik ist der einzige Bereich, in dem die BA seit Jahren Überschüsse „erwirtschaftet“. Die BA konzentriert sich bewusst auf Maßnahmen kurzer Dauer und auf die Vermittlung der marktnahen Arbeitslosen. Bei den „Betreuungskunden“ wird das Grundprinzip des Sozialgesetzbuches III und der Hartz-Reform, das Fördern und Fordern, ausgehebelt; sie werden mit dem Makel langzeitarbeitslos an die Arbeitsgemeinschaften weitergereicht, wo die Vermittlungschancen ohnehin schlechter sind – und die BA (nicht die Arbeitsagenturen) kündet von Überschüssen und Erfolgen.
Das ergibt eine Analyse eines unserer Leser, der ein ausgewiesener Arbeitsmarktexperte ist.

Der Bauer als Energielieferant – Eine intensivere Nutzung nachwachsender Rohstoffe ist nur dann zu befürworten, wenn strenge umweltpolitische Auflagen die Nachhaltigkeit des Anbaus von Energiepflanzen sicherstellen.

In den letzten Jahren wird von Bauernverbänden und der EU z.B. der Anbau von Getreide zur Energieerzeugung vorangetrieben. Energiepflanzen sollen zu einer größeren Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen beitragen. Europäische Landwirte stehen einer solchen neuen Energiepolitik offen gegenüber, weil ihnen – über die herkömmliche Agrarproduktion hinaus – neue, Gewinn bringende Erwerbsmöglichkeiten eröffnet werden.
Durch den großflächigen Anbau von Energiepflanzen auf konventionelle Weise entstehen jedoch Schäden an Boden und Umwelt, die unter ökologischen Gesichtspunkten nicht vertretbar sind, weil das Prinzip der Nachhaltigkeit verletzt wird. Das ist das Fazit eines Beitrags von Christine Wicht und Carsten Lenz über den Bauer als Energielieferanten.

Apokalyptische Schreiberlinge heizen die Globalisierungshysterie an

Schirrmacher von der FAZ sieht einen „Methusalem-Komplott“ auf uns zukommen, Steingart vom SPIEGEL nun gar noch einen „Weltkrieg um Wohlstand“. Katastrophismus und das Schüren von Ängsten werden zu Mitteln der politischen Demagogie gegen Sozialstaat und für radikale Reformen – auf einem „Weltarbeitsmarkt“ reiße es die Löhne mit Wucht auf asiatisches Niveau: Weltweit gleicher Lohn für gleiche Arbeit.
Wir werden uns auf den NachDenkSeiten mit dem „Geisterguru“ Steingart noch ausführlicher beschäftigen, hier zunächst einmal ein Hinweis auf Thomas Frickes „Globalisierung für Fortgeschrittene“ in der FTD und ein Beitrag von Heiner Flassbeck, der aufzeigt, warum die Angstmache vor der „Chinesischen Gefahr“ politisch dumm, wirtschaftlich falsch und einfach heuchlerisch ist.

BILD täuscht mal wieder – Deutschland sei auf dem Arbeitsmarkt „sozialistischer“ als das kommunistische China

Franz Müntefering in einer Fotomontage als „Großer Vorsitzender Mün-te-fe-ling“ und mit dicker Balkenüberschrift titelt am 15.9.06 BILD: Schockbericht der Weltbank „Deutschland sozialistischer als China!
Zum Glück könnte man eigentlich nur sagen: Wir haben keine 36.000 Todesurteile, bei uns gibt es nicht Millionen von Wanderarbeitern, die auf der Straße nächtigen, es gibt nicht tausende von verunglückten Bergleuten, keine verseuchten Flüsse mehr und unmenschliche Ausbeutung. Aber selbst der mehr als dumme Vergleich ist wie Joachim Jahnke nachweist eine Täuschung: China wird in der zitierten Weltbankliste gar nicht geführt, sondern Hongkong.
Der Unsinn dieser Weltbankliste ergibt sich auch schon daraus, wenn man dort einmal nachliest, wer alles vor Deutschland liegt.

Ein paar Anmerkungen zu den Wahlen

Meine Zeitung zeigt Wowereit und Beck beim Feiern. Was die zu feiern haben, bleibt mir ein Rätsel. Die SPD in Berlin hat 12% ihrer Wähler, in absoluten Ziffern 57.860 Wähler, verloren, die Linke doppelt soviel. Die Wahlbeteiligung ist massiv eingebrochen. In Berlin um 10 Punkte auf 58%. Das wäre ein Grund zum Nachdenken. Statt dessen werden Parolen verbreitet, die man sich vorher ausgedacht hat: die FDP feiert ihre bundesweite Präsenz, Pflüger die Sanierung der CDU in Berlin (wo denn?), Beck feiert den angeblichen Lafontaine-Effekt beim Niedergang der PDS in Ost-Berlin (der massive Verlust hat vermutlich sehr viel mehr mit der Privatisierung-Politik des bisherigen Wirtschaftssenators und Frontmanns der PDS zu tun), und so weiter.

Kurt Becks Programm

Kurt Beck ist schwer zu packen. Wenn er redet oder schreibt, lässt er bei jeder Aussage, die er macht, ein oder manchmal sogar mehrere Hintertürchen offen, um wieder entwischen zu können, sobald man sich darauf einlässt. Das ist vermutlich der Grund, warum sich vom „Seeheimer Kreis“, über die „Netzwerker“ bis hin zu den „Jusos“ alle in seinem als programmatisch erklärten Beitrag (bezeichnenderweise) in der „Welt am Sonntag“ wieder finden können.