Startseite - Zurück - Drucken
NachDenkSeiten – Die kritische Website
Titel: Hinweise des Tages
Datum: 25. Februar 2011 um 9:22 Uhr
Rubrik: Hinweise des Tages
Verantwortlich: Jens Berger
Heute unter anderem zu folgenden Themen: Guttenberg; Angekaufte Daten-CDs Steuersünder sanieren Staatshaushalt; Schäuble will Schulden beschleunigt abbauen; Trotz Milliardengewinns: Commerzbank zahlt keine Zinsen auf Staatshilfen; Das schwarze Schaf; Diskussion um Hartz IV: Schmerzmittel – mehr nicht; EU-Gesetzentwurf: „Mindestlohn ausgehebelt“; Totale Unsicherheit; Druck, Schikane und Angst – ein Leiharbeiter packt aus; Pharma-Industrie Millionenbetrug bei HIV-Medikamenten; Neusprech heute: Der „Anreiz“; AWD-Mitarbeiter packen aus; Zehn Mann für den Cyber-War; Was Vorratsdaten über uns verraten; Bild im Iran: Dummheit und Gefahr; A revolution against neoliberalism? ; Das Allerletzte: Merkel – Mehr für Schutz geistigen Eigentums tun; zu guter Letzt: Springer (MB/JB)
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
Anmerkung Orlando Pascheit: Offensichtlich waren die Kanzlerin und ihr Minister nicht darüber informiert, dass auch von offizieller Seite die Sache noch nicht ausgestanden war. Intern war die Haltung zu einer weitergehenden Prüfung zumindest strittig. Oder glaubten sie allen Ernstes einen offiziell des Täuschens Überführten weiterhin im Amt halten zu können? Die Kanzlerin hat, als sie von Bayreuther Entscheidung bei einer Veranstaltung der Stiftung Ordnungspolitik (!) in Freiburg erfuhr, noch gemeint: “Die Entscheidung der Uni Bayreuth liegt auf der Linie dessen, was der Verteidigungsminister vorgegeben hat. Sie macht daher Sinn.” Man lese diesen Satz einmal ganz langsam. Es ist Ungeheuerlich, was sie da sagt. Die Universität habe in ihrem ureigensten Bereich, der Wissenschaft, einer Vorgabe der Politik entsprochen. Und sie setzt dann noch nach, sie mache deswegen Sinn. Der Beschluss der Universität sei also sinnvoll, da er der politischen Vorgabe entsprochen habe. Ohne auf die persönliche Vorgeschichte Angela Merkels anspielen zu wollen, diese findet man eher in totalitäre Parteidiktaturen wie der ehemaligen DDR.
Aber schon die Zweiteilung in einen versagenden Wissenschaftler und einen erfolgreichen Minister ist bei näherer Betrachtung vollkommen daneben. Das wird bei der variantenreichen Reproduktion dieser Formel besonders deutlich. „Minister werden hier in diesem Hause, in diesem Lande nicht wegen ihrer wissenschaftlichen Qualitäten beurteilt, sondern ihrer Fähigkeit, die Bundeswehr ordentlich zu führen“, sagte CSU-Landesgruppenschef Hans-Peter Friedrich im Parlament. Vergessen wir einmal, dass charakterliche Qualitäten Herrn Friedrich nicht interessieren, interessant ist, dass für die Führung einer Institution, die zwei Hochschulen beherbergt wissenschaftliche Qualitäten keine Rolle spielen. “Die im Jahr 1973 gegründete Universität der Bundeswehr München dient grundsätzlich der wissenschaftlichen Ausbildung von Offizieren und Offizieranwärtern” heißt es auf ihrer Website und in Hamburg: „Die Helmut-Schmidt-Universität … steigert die Attraktivität des Offizierberufs und ist zugleich Impulsgeber und Leistungsträger für die Streitkräfte.” Können wir diese Universtäten jetzt streichen. Wozu braucht der einfache Offizier eine wissenschaftliche Ausbildung, wenn der Minister diese nicht benötigt. Nun ja, im Sinne des Sparhaushalts der Regierung wäre das doch ein Vorschlag? Aber im Ernst, natürlich braucht ein Minister wissenschaftliche Qualitäten. Nur, dazu braucht man keinen Doktor, wahrscheinlich nicht einmal ein Studium, obschon es gewiss hilfreich ist. Wissenschaftliches Arbeiten umfasst nicht nur die Beachtung bestimmter Regeln, wie z. B. das korrekte Zitieren, also nicht nur das formale Verfahren, sondern ist vor allem eine Form des Nachdenkens, des Herangehens an ein Problem, das zur Problemlösung führt oder zumindest das Nichtwissen auf ein höheres Niveau führt. Es beginnt mit dem Sammeln von Informationen, die aufbereitet und analysiert sein wollen und dann hinsichtlich der Fragestellung mit eigenen Überlegungen zur Synthese gebracht werden müssen. Klicken wir bei „Word“ auf Synonyme für wissenschaftlich, so erscheint methodisch, feststellbar, erklärbar, nüchtern, planvoll, zielgerecht. Wissenschaftliche Qualitäten sind sicherlich an ein anspruchsvolles Vorgehen gekoppelt, aber nicht an eine Dissertation. Methodisches, feststellbares, erklärbares, nüchternes, planvolles, zielgerechtes Vorgehen ist von einem Minister unbedingt zu erwarten, u.a. Dies müsste Guttenberg eigentlich leichter fallen, da er immerhin studiert hat. Warum also plötzlich von dieser Qualifikation absehen?
Anmerkung unseres Lesers G.K.: Guttenberg und der Springer-Konzern scheinen die Öffentlichkeit für ausgesprochen dumm zu halten, denn der Zusammenhang zwischen dem propagandistischen Hochjubeln des Barons insbesondere durch den Springer-Konzern und der finanziell äußerst lukrativen Auftragsvergabe an Zeitungen dieses Verlages ist nicht sonderlich weit hergeholt. Guttenberg und in ganz besonderem Maße die Medien des Springer-Konzerns hatten in der Vergangenheit kräftig an dessen “Saubermann”-Image gebastet. Nicht nur die Guttenberg-Betrügereien im Zusammenhang mit der Doktorarbeit, sondern auch dessen “inniges” Verhältnis zum Kloakenjournalismus von BILD zeigen, wie deutlich das kampagnenhaft aufgebaute “Saubermann”-Image und die Realität auseinanderklaffen. Respekt vor der wieder einmal unzweideutigen Stellungnahme durch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU).
Ergänzende Anmerkung MB: Ja klar. „Anzeigenbereich und Redaktion arbeiteten bei dem Konzern streng getrennt.“ Das kennen wir bei der BILD auch in anderem Zusammenhang sehr gut. S. dazu diesen NachDenkSeiten-Beitrag vom 18.06.2006. Nutzen Sie auch die Suchfunktion in den NachDenkSeiten. Mit den Suchbegriffen „BILD“ und „Allianz“ finden Sie einige Artikel zwischen 2005 und der jüngsten Vergangenheit.
Zum Thema Guttenberg einige Anmerkungen unseres Lesers H.-G. B.: Vom Verteidigungsminister ist nun bekannt und von ihm selber eingestanden, dass er unter Druck erhebliche Fehler macht. Er merkt in solchen Situationen auch offensichtlich nicht, dass er im Begriff ist Fehler zu machen und hat keine Distanz zu seinem Handeln, Aufgrund der er seine Entschlüsse hinterfragen könnte. Bei seiner Dissertation ging es „nur“ um Fußnoten und Urheberrechtlicher Fragen. Als Verteidigungsminster hat er Fragen von schwerwiegener Bedeutung für Gesundheit und Leben von Soldaten und wichtigste deutsche Interressen zu entscheiden. Auch bei Guttenbergs Entscheidungen im Zusammenhang mit der Entlassung und degradierung vom Mitarbeitern und Soldaten stellt sich die Frage, ob er mit den Situationen überfordert war und falsch gehandelt hat. Es ist absolut unverständlich, dass die Bundeskanzlerin diese organisierte Verantwortungslosigkeit weiter duldet.
Ein an der Universität tätiger Professor meint: Ich halte es ebenfalls für sehr wahrscheinlich, dass der Titel gekauft wurde bei einem überaus schlampigen Ghostwriter. Mich verblüfft jedoch, dass bisher niemand (jedenfalls für mich erkennbar) nach den beiden Gutachtern der Uni Bayreuth gefragt hat. Jede Dissertation wird von mindestens zwei Professoren des Faches geprüft, möglicherweise auch noch einem Externen – die müssen doch gemerkt haben, was da los ist, oder – der wahrscheinlichere Fall – sie arbeiten mit dem Ghostwriter zusammen, gegen Geld natürlich und vermutlich nicht zum ersten Mal. Natürlich muss Guttenberg dazu befragt werden und seinen Ghostwriter nennen, dem man auf diese Weise vielleicht das Handwerk legen kann. Folglich gäbe es gute Gründe, deutlich tiefer nachzugraben. Wieso wird das so auffällig ruhig aus der Diskussion herausgehalten? Die Gutachter sind übrigens in der Regel in der Dissertation genannt, es kann also nicht schwer sein, sie herauszufinden.
Passend zu unserem Beitrag: Umfragen einfach ignorieren – das ist der beste Schutz vor Manipulation
Unser Leser J.R. berichtet uns: Mir ist etwas Ähnliches gestern bei ARD-Plasberg aufgefallen: Bis gegen 17:30 war als “Umfrage-Ergebnis” dort zu lesen:
Rücktritt ja: 70% / Rücktritt nein: 30%
Kurz danach drehte das Ergebnis fast ins Gegenteil.
Ja: 42% / Nein: 58%
Heute (das Gästebuch ist immer noch geschlossen): Ja: 49% / Nein:51%
Ich glaub, mich laust der Affe! Manipulation ist offenbar nicht nur ein Privileg der Springerpresse. Übrigens: Jeder, der auch nur einen Hauch von Kritik an der Redaktion von “Hartaberfair” im dortigen Gästebuch platzieren will, wird gnadenlos wegzensiert. Das ist mir schon mehrfach passiert. Es lebe der gebührenfinanzierte “freie” Rundfunk! Es lebe die ARD! Zum Kotzen!
Passend dazu:
Bild.de-Leser revoltieren gegen Guttenberg
Kein Blatt hat in den vergangenen Monaten so viel Stimmung für Karl-Theodor zu Guttenberg gemacht wie die “Bild”-Zeitung. Doch nun begehren die Online-Leser des Blattes auf und stimmen mehrheitlich für seinen Rücktritt – in der gedruckten Zeitung ist die Guttenberg-Welt bei Springer hingegen noch in Ordnung.
Quelle: Spiegel
Und ein anonymer NachDenkSeiten-Fan teilt uns mit: Nachdem wir in den letzten Tagen die widersprüchlisten Präsentationen und Interpretationen von Meinung- und “Volks”- Befragungen in Sachen Guttenberg erleben durften, macht sich der Verdacht breit, dass sich gewisse Medien offenbar ganz gezielt auf solche Umfragen stürzen, die den Eindruck vermitteln, man “spreche fürs Volk”. In diesem Zusammenhang fiel mehr immer wieder der in Printpresse und Fernsehen kolportierte Hinweis auf eine Guttenberg-Fan-Seite auf, auf der sich bis gestern abend angeblich 250.000 “Guttenberg- Fans” Sympathien bekundet hätten. Wie unbrauchbar und leicht manipulierbar dieser ins Feld geführte “Beliebtheits-Indikator” tatsächlich ist, wird wohl jedem schlagartig klar, wenn er folgendes weiß: Facebookfans lassen sich “kaufen“. Und zwar billiger als jede Umfrage. 1.000 Fans zu 99 Euro, 10.000 Fans zu 699 Euro, 100.000 zu 4.999 Euro. Angesichts der enormen Bedeutung des Anliegens diverser Kräfte, Guttenberg unbeschadet über diese Affäre zu bringen, dürfte es ein Klacks sein, diese Summe aufzubringen.
Ergänzung AM: In der Sendung von Maybrit Illner, wo Guttenberg auch Thema war, wurde relativ einvernehmlich festgestellt, dass die verschiedenen Umfragen nicht repräsentativ sein. Dem stimmte sogar der Vertreter der Bild-Zeitung zu. Aber dann wurde im weiteren Verlauf der Diskussion immer wieder so getan, als seien sie repräsentativ. Auch ein Symbol für die Verwilderung der öffentlichen Debatte.
Anmerkung MB: Wie viele Steuer- und Finanzprüfer könnten mit diesem Geld angemessen bezahlt werden? Es ist belegt, dass jeder Steuerprüfer ein Vielfaches seiner Personalkosten erwirtschaftet.
Anmerkung MB: So etwas kommt in den besten Familien vor – und in den schlechtesten. Für seinen Vater kann Herr Sarrazin jr. nichts.
Anmerkung MB: In Vielem kann man der Kommentatorin zustimmen, nicht in ihrem Fazit im letzten Absatz. Was sie als Tröpfeln von ein paar Euro mehr auf die Bedürftigen bezeichnet, ist der gescheiterte „Versuch“, ein Urteil von Deutschlands höchstem Gericht umzusetzen. Wie soll der Erfolg von Vermittlern bewertet werden, um diesen mit Prämien zu belohnen? Um welche Stellen geht es da, spielt die Qualität einer Stelle eine Rolle oder geht es nur wieder um raus aus der Statistik? Und welche Anreize brauchen Unternehmen bitte noch, um Langzeitarbeitslose aufzunehmen? Bitte geben Sie mal in einer Suchmaschine Ihrer Wahl „Eingliederungszuschuss“ bzw. „Wiedereingliederungszuschuss“ in Kombination mit „SGB“ ein; Sie werden TAGE LANG zu lesen haben. Die finanziellen Engpässe bei der Arbeitsvermittlung haben selbstverständlich auch damit zu tun, dass innerhalb von wenigen Jahren der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung um mehr als die Hälfte gekürzt wurde. Das hat natürlich Auswirkungen und gehört dazu, wird in diesem Kommentar aber leider übersehen.
Anmerkung MB: Jetzt mal ganz sachlich – warum sollte ein solcher Konzern die unternehmerische Entscheidung treffen, Leiarbeitnehmer/innen fest zu übernehmen und damit viel höhere Personalkosten zu zahlen, wenn ihnen die Politik die Möglichkeit gibt, es bzw. sie so billig zu haben.
Anmerkung unseres Lesers L.S.: Ich war selbst Zeitarbeiter. Mehr noch als die organisierte Lohndrückerei durch Politik und Wirtschaft, das scheinheilige Handeln der Gewerkschaften gegen die Leiharbeiter im Interesse der Unternehmen und Festangestellten, hat mich aber die Ablehnung und Gleichgültigkeit meiner fest angestellten “Kollegen” gegenüber uns Leiharbeitern getroffen.
Nachträgliche Anmerkung von AM: Ich halte diesen verallgemeinernden Vorwurf an die Gewerkschaften für falsch und bedaure diese Wertung in den NachDenkSeiten. Ich kann auch in der jetzt laufenden Aktion von Gewerkschaften gegen die Leiharbeit kein scheinheiliges Handeln sehen. Ich habe an der praktischen Arbeit der Betriebsräte und Gewerkschafter in meiner Region zum Beispiel mit erlebt, dass sie sich systematisch bemüht haben, Kolleginnen und Kollegen, die in unsichere Arbeitsverhältnisse eingestellt waren, in sichere Jobs zu holen.
Anmerkung MB: Da wird Herr Maschmeyer noch Einiges an juristischen Kapazitäten für die Berichterstattung des Schweizer Fernsehens brauchen. Neben all den Fakten lassen besonders Maschmeyers Vergleiche seiner früheren Kundschaft mit Affen und Hamstern tief blicken.
Anmerkung MB: Die Art von kritischem Kommentar, die ich bei der Überschrift erwarte, bleibt leider aus. Da müssen wir das mal wieder übernehmen …
Wenn die Bedrohung wirklich so erheblich ist, dann sind zehn Planstellen eine lächerliche Placebo-Maßnahme. Wer wirklich Schaden anrichten oder mit dem Chaos Geld verdienen möchte, wird dadurch wohl nicht aufgehalten werden.
Anmerkung MB: Georg Schramm sagte mal in anderem Zusammenhang, wenn wir Mobiltelefone nur zum Telefonieren benzutzen würden, ginge ein gesamter Wirtschaftszweig zu Grunde.
dazu: Die heikle Iran-Mission der BamS-Reporter
Freiheit für Jens Koch und Marcus Hellwig. 132 Tage, fast vier Monate lang, saßen die Reporter der Bild am Sonntag im Gefängnis im Iran. Und genauso lang waren die Medien hierzulande solidarisch, schalteten große Anzeigen, hielten sich mit Kritik zurück. Doch jetzt können und müssen Fragen gestellt werden. Berechtigte Fragen. Bohrende Fragen. Zapp über eine unverantwortliche Mission und einen unverhofften Propagandasieg des Iran.
Quelle: NDR Zapp
“The political economy of the Mubarak regime was shaped by many currents in Egypt’s own history, but its broad outlines were by no means unique. Similar stories can be told throughout the rest of the Middle East, Latin America, Asia, Europe and Africa. Everywhere neoliberalism has been tried, the results are similar: living up to the utopian ideal is impossible; formal measures of economic activity mask huge disparities in the fortunes of the rich and poor; elites become “masters of the universe,” using force to defend their prerogatives, and manipulating the economy to their advantage, but never living in anything resembling the heavily marketised worlds that are imposed on the poor.”
Quelle: Aljazeera
Anmerkung J. H.: Ich hab grade einen interessanten artikel auf aljazeera gefunden, der das involvment der army – als ägyptischer wirtschaftsfaktor – und die verquickung des mubarak regimes mit der neoliberalen agenda ganz schön durchleuchtet…
Anmerkung AM: Leider in Englisch.
passend dazu:
„Raubkopierer sind Verbrecher“
Hauptadresse: http://www.nachdenkseiten.de/
Artikel-Adresse: http://www.nachdenkseiten.de/?p=8473