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Titel: Deutsches Institut für Altersvorsorge: “Verloren im Dschungel der Möglichkeiten”

Datum: 30. August 2007 um 12:34 Uhr
Rubrik: Demoskopie/Umfragen, Lobbyismus und politische Korruption, PR, Riester-Rürup-Täuschung, Privatrente
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Informationsdefizite, Überforderungen durch Produkt- und Fördervielfalt sowie Geldmangel sind die größten Hemmnisse für eine effektive und passgenaue Altersvorsorge. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Untersuchung des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA). Für die Studie wurden 26 Bundesbürger im Alter von Ende 20 bis Mitte 40 vom Forschungsinstitut empirica (Berlin) im Auftrag des DIA jeweils bis zu zwei Stunden befragt. Das Ergebnis: Die Komplexität der Materie und die verwirrende Vielfalt der Förderwege sowie die Furcht vor einer falschen Anlageentscheidung und einer langfristigen Festlegung schrecken vom Abschluss eines Altersvorsorgevertrags ab.
Wieder einmal ein typisches PR-Machwerk als “Studie” getarnt. Wolfgang Lieb

Über Sinn und Zweck seines Schaffens gibt das DIA dankenswerterweise auf den eigenen Seiten Auskunft: “Ziel des Instituts ist es, Chancen und Risiken der staatlichen Altersversorgung bewusst zu machen und die private Initiative zu fördern.”
Gesellschafter des Instituts sind die Deutsche Bank AG, Deutsche Bank Bauspar AG, DWS Investment GmbH und Deutscher Herold AG, Kooperationspartner ist die Deutsche Bank Privat- und Geschäftskunden AG.
Sprecher des DIA ist Bernd Katzenstein, er ist gleichzeitig Chefredakteur des Kundenmagazins „Forum“ des Finanzdienstleisters MLP AG. Soviel zum erkenntnisleitenden Interesse des Auftraggebers der „Studie“.

Die Befragung der 26 Bundesbürger wurde vom privaten Forschungsinstitut „empirica“ durchgeführt. Ein Forschungsschwerpunkt liegt im Bereich “Vermögensbildung und Altersvorsorge”. Das Institut bekommt deshalb schon gerne mal einen Auftrag vom DIA, so etwa zum Thema „Mehr Altersvorsorge durch kürzere Ausbildungszeiten“.
Aufsichtsratsvorsitzender und Mitbegründer dieses Instituts ist Ulrich Pfeiffer. Pfeiffer ist auch Sprecher des Managerkreises der Friedrich-Ebert-Stiftung. Die von diesem „Managerkreis“ in den letzten Jahren veröffentlichten Papiere belegen über weite Strecken, dass sich die Mehrheit dieses Kreises als Lobby und Brückenkopf der neoliberalen Ideologie im Umfeld der SPD versteht. In den Papieren des Managerkreises wird seit Jahren gefordert, das „Rentenniveau abzusenken“ und die „Privatvorsorge ausbauen“.
Soviel zum erkenntnisleitenden Interesse des beauftragten Instituts.

Nun zur Sache:

Auch ohne Spezialkenntnisse in Umfragen, Studien etc. kann man die Zahl von 26 Befragten zurückhaltend formuliert als nicht sehr repräsentativ bezeichnen – da kann man sich auch nicht damit herausreden, dass die 26 Leute im Alter von Ende 20 bis Mitte 40 „bis zu zwei Stunden“ befragt wurden. Nun gut, könnte man sagen, es handle sich ja nur um eine „Pilotstudie“, mit der man mal sondieren wollte, wie man eine richtige Studie anlegen müsste.
Aber warum muss man eine solche „Pilotstudie“ veröffentlichen und dazu noch als Buch? Und warum muss die DIA dafür werben und an die Presse gehen?

Letztlich ging es dabei eigentlich nur um Marktforschung für die Finanzwirtschaft:
Etwa ein Drittel der Befragten, vor allem Akademiker, gehörten zu den „potentiell Unterversorgten“, heißt es in der Veröffentlichung. „Diese Gruppe ist nur mit sehr individuell zugeschnittenen und äußerst flexiblen Sparverträgen zu überzeugen“, rät Pfeiffer.
Weitere 20 Prozent der Befragten sähen sich dazu schlicht finanziell nicht in der Lage. Die einen glaubten das allerdings nur, entdecken aber nach entsprechender Beratung noch Einsparpotentiale in ihrem aktuellen Konsumverhalten.

Die Adressaten dieser Ratschläge zu „individuell zugeschnittenen“ und „äußerst flexiblen Sparverträgen“ oder zu „entsprechender Beratung“ über Einsparpotentiale in ihrem Konsumverhalten sind ziemlich klar – es können eigentlich nur die Finanzdienstleister sein.

Was es volkswirtschaftlich bedeutet, bei einer schwachen Binnennachfrage – dem Hauptproblem bei der gegenwärtigen Stabilisierung des Konjunkturaufschwungs – den Menschen einzureden, sie müssten noch mehr Abstriche bei ihrem Konsum machen, lassen wir hier einmal außer Betracht. Zu mehr Arbeitsplätzen und höheren Löhnen und damit zu mehr Beiträgen für die gesetzlichen Sicherungssysteme trüge ein solcher Konsumverzicht jedenfalls nicht gerade bei.

Bernd Katzenstein – wie gesagt Sprecher des DIA und Chefredakteur des MLP-Forums – zieht aus der Studie auch gleich die für seine Klientel und die Politik passenden Schlüsse:
Er plädiert angesichts der verwirrenden Vielzahl der Förderwege und Vorsorgeprodukte für einfache Lösungen, „so könnten beispielsweise zukünftige Gehaltserhöhungen komplett oder teilweise in Altersvorsorgepläne umgeleitet werden“.

Ja, das wäre doch was: Die Gewerkschaften nehmen bei Tarifverhandlungen künftig die Vertreter der Versicherungswirtschaft mit an den Tisch, damit die Prozentpunkte, die in die Altersvorsorgepläne umgelenkt werden sollten, möglichst hoch ausfallen. Vielleicht könnten sie ja damit sogar ihre gegenwärtige Schwäche gegenüber dem Unternehmerlager wieder etwas kompensieren.

Am besten wäre aber doch gleich ein verpflichtendes Gesetz, wonach Gehaltserhöhungen künftig „komplett oder teilweise“ als Spielgeld im Casino der Investmentbanker eingesetzt werden. Denn – so wurde jedenfalls vor dem gegenwärtigen Crash fast überall behauptet – auf den Finanzmärkten werden ja am effizientesten und profitabelsten die ökonomische Werte geschaffen, und nicht etwa dadurch, dass sich die Arbeitnehmer von ihren Löhnen Waren und Güter der (altertümlichen) Realökonomie leisten können.

Verzicht auf Gehaltserhöhungen zugunsten des Umsatzes der Versicherungswirtschaft, das wäre doch was für eine neue Öffentlichkeitskampagne der Finanzdienstleister und ihrer PR-Agenturen. Und die Forschungslobbyisten von DIA oder empirica würden auch das noch mit Dutzenden von „Studien“ als „alternativloses“ Konzept für die Politik begründen. Man braucht dazu ja nur mal 26 Leute intensiv zu befragen.

Und man kann sich inzwischen wohl sicher sein, dass solche „Studien“ in der Öffentlichkeit als ernsthafte, wissenschaftliche Expertenmeinungen aufgenommen werden.


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