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Titel: Quango in Berlin: Die Debatte um die Fristen von Pofallas Wechselspiel lenkt ab vom Kern des Skandals
Datum: 7. Januar 2014 um 9:45 Uhr
Rubrik: Audio-Podcast, Drehtür Politik und Wirtschaft, Lobbyismus und politische Korruption, Verkehrspolitik
Verantwortlich: Albrecht Müller
Hierzulande läuft jetzt eine Debatte darum, ob Politiker eine Anstandsfrist – eine Karenzzeit – einhalten sollten, wenn sie zur Wirtschaft wechseln, und ob und wie diese festgelegt werden soll usw. Diese Debatte lenkt ab vom Wesentlichen: Erstens müsste gefragt werden, ob der neue Vorstandsposten im Reigen des DB AG-Vorstands sinnvoll ist und ob gegebenenfalls Pofalla für den Job geeignet ist. Zweitens wäre kritisch zu fragen, welche Rolle ein Unternehmen wie die Deutsche Bahn für die von der Politik gesteuerte Versorgung von Personen spielt. Albrecht Müller.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
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Die Frage, ob und welche Frist zwischen einem politischen Amt und dem Übergang zu einer Tätigkeit in der Wirtschaft gesetzt werden sollte, ist eine ziemlich wenig relevante Frage.
In der öffentlichen Debatte spielt die Frage nach der „Anstandsfrist“ bzw. Karenzzeit eine große Rolle. Siehe zum Beispiel hier.
Am Beispiel des Ronald Pofalla und seines beabsichtigten Wechsels zur deutschen Bahn wird sichtbar wie bedeutungslos diese Frage ist und wie wichtig anderes wäre: seine Qualifikation zum Beispiel und seine fachpolitische Ausrichtung. Ob Merkels bisheriger Vertrauter Morgen in den Vorstand der Deutschen Bahn AG einzieht oder nach 18 Monaten, wie es der EU-Kommissar Oettinger für die Europäische Union rühmt, das macht doch keinen bedeutsamen Unterschied. Wenn Pofalla ein wirklich dem Schienenverkehr zugeneigter Politiker wäre, wenn er begriffen hätte, welche Bedeutung eine effizient organisierte, preiswerte und investierende Bahn für die Entwicklung unseres Landes hat, dann könnte er morgen Vorstandsmitglied werden. Wenn er sich aber als Vertreter der Finanzwirtschaft und speziell der Investmentbanken verstehen und seine neue Tätigkeit als Vorstand für die Lobbyarbeit zu Gunsten der Teilprivatisierung oder vollständigen Privatisierung der Deutschen Bahn AG nutzen würde, dann wäre er fehl am Platze und dann würde auch eine Frist von 18 Monaten nichts entscheidendes nutzen.
Von der verkehrspolitischen Einstellung des Ronald Pofalla weiß man allerdings wenig. Es ist aber unter Fachleuten nicht bestritten, dass die Bahn endlich wieder mehr Personen im Vorstand bräuchte, die der Bahn gedanklich und emotional verpflichtet sind. Die Deutsche Bahn leidet seit Jahrzehnten unter dem Problem, dass in ihren Führungspositionen im Aufsichtsrat und im Vorstand sachfremde Erwägungen personell verankert werden. Mit Mehdorn zum Beispiel die Großmannssucht der internationalen Tätigkeit und die geradezu idiotische Vorstellung, das Unternehmen Bahn vor allem börsenfähig zu machen. Mit den Vorstandschefs Dürr – in den neunziger Jahren – und dem jetzigen Grube kamen und kommen bestenfalls nur die Ziele eines ordentlichen Managements zum Zuge.
Wie wichtig eine bessere Verankerung verkehrspolitischen Engagements und speziell einer starken Verpflichtung für den Schienenverkehr in den Führungsgremien der Deutschen Bahn AG wäre, zeigt schon ein Blick auf den Aufsichtsrat. Dort sitzen neben den 10 Vertretern der Arbeitnehmer, der Betriebsräte und Gewerkschaften vor allem Vertreter der Unternehmerschaft und der Unternehmensberatung, ein FDP Politiker und Staatssekretäre aus Ministerien. Ein engagiert verkehrspolitisch beschriebenes Blatt ist mir bei der Durchsicht der Namen nicht aufgefallen.
Auch im Vorstand fehlt dieses Engagement. Deshalb, wenn schon ein neuer, dann bitte ein klarer Akzent zu Gunsten des Schienenverkehrs. Ronald Pofalla bringt diesen Akzent nach meiner Einschätzung nicht. Ich würde mich gerne eines besseren belehren lassen.
Nebenbei: Wie irrelevant die Fristendebatte ist, zeigt sich an anderen Beispielen der politischen Korruption. In Stichworten:
Merkels Regierung und Pofalla nutzen eine Erfindung von Margret Thatcher: Quango
Die Versorgung Pofallas bei der Deutschen Bahn AG erinnert an Methoden, die Margret Thatcher in Großbritannien einführte und nutzte, die so genannten Quangos, quasi-autonomous non-governmental organizations. Thatcher hat in ihrer Regierungszeit öffentliche Unternehmen und öffentliche Aufgaben privatisiert und an ein Netz von Agenturen vergeben. Dort wurden Parteianhänger untergebracht. Sie profitierten von dieser Teilprivatisierung und waren zugleich ein Basisnetz der konservativen Partei.
Will Hutton, Autor und ehemaliger Economic Editor des Guardian, hat diesen Vorgang in seinem Buch „The State We’re In“ beschrieben. Siehe die Seiten 4 und 5 in Anlage 1 Wir sind auf den NachDenkSeiten schon mehrmals auf dieses beachtenswerte Buch eingegangen, wenn es bei der Analyse von hiesigen Vorgängen half. Siehe Links und einschlägige Texte in Anlage 2.
Sich das klarzumachen ist wichtig, weil damit auch die Privatisierung und Teilprivatisierung öffentlichen Eigentums in einem anderen Licht erscheint. Die Privatisierung dient nicht vor allem der Förderung marktwirtschaftlicher Prozesse, sondern der Festigung des politischen Einfluss und der Versorgung verdienter Freunde.
Spiegel online präsentierte am 2.11.2014 eine Auswahl von „Ex-Politikern bei der Deutschen Bahn“: Reinhard Klimmt (SPD), Otto Wiesheu (CSU), Jürgen Heyer (SPD), Hartmut Meyer (SPD), Georg von Waldenfels (CSU), Klaus Wedemeier (SPD) und Franz-Josef Kniola (SPD)
Mit der Bahnreform der frühen Neunzigerjahre wurden reihenweise Versorgungsmöglichkeiten geschaffen – nicht nur über Beraterverträge
Nicht nur das gesamte Unternehmen wurde in eine Aktiengesellschaft verwandelt, auch die fünf Geschäftsbereiche wurden zu AGs umgewandeltt. Damit wurde eine beachtliche Zahl von Vorstandsposten geschaffen, die dann zum Teil politisch besetzt wurden. Kanzler Kohl hat beispielsweise seinen wirtschaftspolitischen Berater Ludewig zum Chef des Konzerns gemacht – eine gloriose Fehlbesetzung. Auch eine Reihe anderer Posten waren politisch besetzt worden. Es kamen nicht nur Politiker zu Amt und Würden, sondern auch Freundinnen und Freunde aus anderen Milieus. Für viele galt, dass sie mit dem verkehrspolitischen Anliegen der Bahn – der Förderung des Schienenverkehrs – nicht viel „am Hut hatten“. Die Besetzung des Vorstands der Aktiengesellschaft für den Nahverkehr mit dem früheren verkehrspolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Klaus Daubertshäuser, kann man als sachlich gerechtfertigte Besetzung sehen, jedenfalls weit mehr als jene mit Ludewig für den Chefposten des gesamten Unternehmens.
Fazit:
Anlage 1:
Will Hutton über Quangos, Seiten 4 und 5 seines Buches „The State We’re In“
Anlage 2:
Links zu bisherigen Beiträgen über Quangos in den NachDenkSeiten
Eine Privatisierung nach der andern – was steckt dahinter?
…
Diese damalige Trennung in den neunziger Jahren brachte uns einzelne Aktiengesellschaften für die genannten Bereiche, jeweils mit eigenen gut bezahlten Vorständen. Es waren Wasserköpfe quer über die Bahnlandschaft. Dabei gab es noch ein interessantes Detail: erst diese Art von Privatisierung machte es der Politik in Kombination mit der Wirtschaft möglich, Spezies unterzubringen. Der britische Journalist und Autor Will Hutton nannte das in einem Buch (The State we are in) über die Privatisierung bei Maggie Thatcher „Quangos“ – Quasi-autonome-Nichtregierungsorganisationen. …
Bundesagentur ist vermutlich die größte Quango
Verantwortlich: Albrecht Müller
Es gibt Bücher, denen man eine wirkliche Erkenntnis verdankt. Eines davon ist für mich Will Huttons „The State we’re in“. Hutton hat in diesem Buch den treffenden Begriff „Quango“ auf die Privatisierungspolitik von Frau Thatcher angewandt: Quasi-autonomous-non-Government-Organisations. In solchen hat Frau Thatcher im Privatisierungsprozess ihre politischen „Unteroffiziere“ untergebracht bzw. diese mit solchen Organisationen bedacht und so ökonomisch fundierte Seilschaften gebildet. Als ich jetzt davon las, ein CDU-Mitglied sei als Auftragnehmer der Bundesagentur für Arbeit besonders erfolgreich und verdiene Millionen, musste ich an diesen Begriff denken. Albrecht Müller …
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