Hinweise des Tages

Jens Berger
Ein Artikel von:

Heute unter anderem zu folgenden Themen: Eurokrise; Stuttgart 21; Atomausstieg; Steuergerechtigkeit statt Steuersenkung; Elend der Umverteilungspolitiker; INSM – Fehlfinanzierung Sozialversicherung; Temporärarbeitende nicht mehr benachteiligen; Der Fortschritt ist bezahlbar; München will mit Ein-Euro-Jobs privaten Unternehmen Konkurrenz machen; Das Europa der Konzerne wächst; Sven Giegold über Bankenlobby: “Eine unglaubliche Übermacht”; Pariser Alleingang: Waffen für die Rebellen; Meeresspiegel steigt heute schneller als je zuvor in den letzten 2000 Jahren; Ist das Kyoto-Protokoll tot? Eine Einschätzung zum aktuellen Stand der Klimaverhandlungen; Dr. Merkels Kernschmelze; Lütgert verlässt Netzwerk Recherche – “Das Kapitel ist für mich beendet”; Das Panik-Orchester; zu guter Letzt: Moderater Lohnabschluss (MB/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Eurokrise
  2. Stuttgart 21
  3. Atomausstieg
  4. Steuergerechtigkeit statt Steuersenkung
  5. Elend der Umverteilungspolitiker
  6. INSM – Fehlfinanzierung Sozialversicherung
  7. Temporärarbeitende nicht mehr benachteiligen
  8. Der Fortschritt ist bezahlbar
  9. München will mit Ein-Euro-Jobs privaten Unternehmen Konkurrenz machen
  10. Das Europa der Konzerne wächst
  11. Sven Giegold über Bankenlobby: “Eine unglaubliche Übermacht”
  12. Pariser Alleingang: Waffen für die Rebellen
  13. Meeresspiegel steigt heute schneller als je zuvor in den letzten 2000 Jahren
  14. Ist das Kyoto-Protokoll tot? Eine Einschätzung zum aktuellen Stand der Klimaverhandlungen
  15. Dr. Merkels Kernschmelze
  16. Lütgert verlässt Netzwerk Recherche – “Das Kapitel ist für mich beendet”
  17. Das Panik-Orchester
  18. zu guter Letzt: Moderater Lohnabschluss

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Eurokrise
    1. Rettungspaket für Griechenland – Banken drücken sich vor substantiellen Hilfen
      Und der Gewinner sind – die Banken: Zwar verkündet Finanzminister Wolfgang Schäuble, dass sich die Geldhäuser mit 3,2 Milliarden Euro am Hilfspaket für Griechenland beteiligen. Doch der Beitrag klingt großzügiger als er ist. Am Ende dürften die Banken davon sogar profitieren – und zahlen müssen wieder die Bürger.
      Quelle: Süddeutsche Zeitung
    2. Ein Beiträgchen für Griechenland
      Die deutschen Banken beteiligen sich nun doch an der Hellas-Rettung – zumindest ein bisschen. Lob gebührt ihnen dafür nicht – schließlich wussten sie, was sie taten, als sie griechische Staatsanleihen kauften.
      Quelle: FTD
    3. Nur die erste Hürde
      Das Sparprogramm ist einseitig auf Steuererhöhungen konzentriert; Wachstumsimpulse fehlen. Was nützen sanierte Staatsfinanzen, wenn die Realwirtschaft pleitegeht?
      Quelle: Frankfurter Rundschau
  2. Die Bahn und ihre Stimmungsmache für S 21
    1. Stuttgart 21, die Bahn und die Demonstranten.
      Seit fast einem Jahr beschäftigen sich die Medien intensiv mit dem Streit um diesen Bahnhof. Welcher Seite dabei bundesweit die Sympathien zufliegen, liegt aber immer auch an der jeweiligen Berichterstattung. Anfangs hatte die Bahn die Deutungshoheit. Dann waren es die Demonstranten. Und nun, nach der von Heiner Geißler verordneten Ruhepause, ist wieder die Bahn obenauf, weil die Journalisten eben auch begeistert auf jeden Zug aufspringen. Zapp über die Medien und den Stresstest.
      Quelle: NDR Zapp

      Anmerkung MB: Dazu auch „Bei Abriss Aufstand: Wie der wachsende Bürgerprotest madig gemacht werden soll
      Welche wirtschaftlichen und finanziellen Interessen hinter Stuttgart21 stehen, wurde im September 2010 ausführlich im Stern geschildert.

    2. Zwischenbericht von sma bewertet S21-Test kritisch
      Die Verwirrung um den so genannten Stresstest zu Stuttgart 21 hört nicht auf. Der unabhängige Gutachter, das Schweizer Planungsbüro sma, hat Zweifel daran, dass das Bahn-Projekt den Test in allen Punkten besteht. Die Deutsche Bahn reagierte gelassen auf die Kritik des Gutachters.
      Quelle: SWR
    3. Wie aus Bürgern Wutbürger werden
      Grau melierte Herrschaften in weißen Bundfaltenhosen nehmen umständlich im evangelischen Gemeindehaus in Stuttgart Platz. Damen in geblümten Sommerkostümen fächeln sich Frischluft zu. Man kennt sich, man winkt verhalten, aber herzlich. Alte Männer justieren ihre Hörgeräte, junge Business-Typen rücken die Krawatten zurecht. Sehen so die berüchtigten »Wutbürger« aus? Nein. Die Bewohner des Nordstadt-Viertels, das bald an die größte Baustelle Europas grenzen könnte, sind eigentlich friedliche Steuerzahler. Nach zwei Stunden missglückter Informationspolitik der Deutschen Bahn sieht die Sache anders aus. Der Saal kocht. […] Die Bahn reagiert mit einem Schwall von Behördendeutsch. Eckart Fricke, neuer Konzernbevollmächtigter für Baden-Württemberg, lässt eine kaum lesbare Folie mit Zahlen an die Wand werfen, die »Grenzwerte« für Baulärm auflistet: 60 Dezibel am Tag, 45 in der Nacht. […] Das Hohngelächter ist kaum zu überhören und wird lauter, als nach »Entschädigungszahlungen« gefragt wird. Diese sind fällig, wenn der Lärm mehr als zwei Monate lang zu hoch ist. »Wer misst das, wer ist zuständig?«, fragt eine junge Dame und erhält auf mehrmaliges Drängen die Zusage, Name und Adresse des Emissionsschutzbeauftragten genannt zu bekommen. Ansonsten wird sie mit »zu ergreifenden Maßnahmen« vertröstet.
      Quelle: Reutlinger Generalanzeiger
  3. Atomausstieg
    1. Atomausstieg doch nicht unumkehrbar
      Die Linke hat beim wissenschaftlichen Dienst des Bundestags ein Gutachten in Auftrag gegeben, aus dem nun hervorgeht, dass jeder neu gewählte Bundestag die Gesetze zur Energiewende wieder kippen könnte.
      Quelle: Frankfurter Rundschau
    2. Bundestag beschließt Weiterbetrieb von neun Risiko-Atomkraftwerken
      Die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW kritisiert den von CDU, CSU, FDP, SPD und Grünen heute gefassten Bundestagsbeschluss zum Weiterbetrieb von neun Atomkraftwerksblöcken als verantwortungslos. „Obwohl vor Monaten mit viel Getöse eine Ethikkommission eingesetzt wurde, war in der von Parteiengeplänkel geprägten Bundestagsdebatte die Frage der ethischen Verantwortbarkeit dieser Risiko-Fortschreibung kein Gegenstand der Diskussion“, kritisiert IPPNW-Atomexperte Henrik Paulitz. „Selbst für Politiker, die in der Vergangenheit jedes meldepflichtige Ereignis zum Störfall hochstilisiert haben, sind die gefährlichen Sicherheitslücken der zuletzt in Deutschland errichteten Konvoi-Atomkraftwerke kein Thema.“
      Quelle: IPPNW
    3. Trittin-Interview: „Die sollen weg, rückstandsfrei!“
      Historisch wird es diesen Donnerstag im Bundestag, wenn der Ausstieg aus der Atomkraft und die Energiewende beschlossen werden. Jürgen Trittin spricht im FR-Interview über rote Industriepolitik und die Zukunft der Grünen.
      Quelle: Frankfurter Rundschau

      Anmerkung MB: „Wie fühlt es sich für einen alten Linken an, eine konservative Kanzlerin zu unterstützen?“
      Wäre Trittin ein alter Linker, wäre er bei den Linken und hätte als grüner bzw. linker Bundesminister sicher nicht die Umsetzung der Hartz-Gesetze und die Kommerzialisierung der Rentenversicherung – Beispiele ohne Anspruch auf Vollständigkeit – unterstützt.

  4. Steuergerechtigkeit statt Steuersenkung
    Die Regierungsparteien stehen seit den Steuergeschenken für Hoteliers und der Laufzeitverlängerung für Atommeiler in der Missgunst des Wahlvolkes. Die Liberalen knabbern sogar an der Fünfprozenthürde.
    Nun versprechen die „Bürger-Entlastungs-Parteien” wieder einmal, Steuern und Sozialabgaben zu senken. Die FDP behauptet, mit Steuersenkungen die Bürger am Aufschwung zu beteiligen und mit mehr Netto vom Brutto die Binnennachfrage zu stärken. Die Union entdeckt mit der Senkung der Sozialabgaben ihr Herz für den „kleinen Mann”, der kaum Steuern aber viel Sozialabgaben zahle.
    Solche Heilsversprechen kennt Deutschland seit über 30 Jahren. Sie wurden immer unterschiedlich begründet: Während der rot-grünen Zeit, um den heimischen Wirtschaftsstandort für den internationalen Wettbewerb fit zu machen. Und seit 2005 kommen Merkel und Westerwelle mit einem Zusatz-Argument: Mehr Netto vom Brutto. Ganz neu ist allerdings, dass die FDP in der Steuersenkung sogar eine Stärkung der Binnennachfrage entdeckt hat.
    Zu den Fakten: Verantwortlich für die schwache Binnennachfrage sind niedrige Löhne, nicht zu hohe Steuern. Rund die Hälfte der privaten Haushalte zahlt keine Einkommensteuer, weil sie zu wenig verdienen. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse und der politisch geförderte Niedriglohnsektor sind für diesen Missstand am Arbeitsmarkt verantwortlich. Ihnen helfen nur kräftige Lohnerhöhungen und Mindestlöhne. Erst dann klappt es auch mit mehr Binnennachfrage. Denn von der Steuersenkung profitieren nur Steuerpflichtige. Und mit steigendem Einkommen steigt auch die steuerliche Entlastung. Das nennt man Klientelpolitik. Zudem führte in der Vergangenheit nachweislich keine einzige Steuersenkung zu mehr Konsum (siehe Abbildung). Vor allem, wenn gleichzeitig immer mehr Arbeitnehmer/-innen unter chronischer Lohnarmut leiden.
    Quelle: DGB Klartext [PDF – 213 KB]
  5. Elend der Umverteilungspolitiker
    Bisweilen kommt man aus eher beiläufigen Meldungen auf den Kern des Problems. Die Süddeutsche berichtet über die Versorgungsrücklage des Landes NRW. Diese Rücklage wurde einst geschaffen um den Kollaps der Länderfinanzen wegen des demographischen Wandels zu verhindern. Ansonsten ließen sich die Beamtenpensionen im Jahr 2030 nicht mehr finanzieren. Diese These fand damals in der Politik weitgehend ungeteilte Zustimmung. Schließlich hatten Volkswirte interessante Theorien erfunden. […]
    Aber selbstredend ging es den Raffelhüschens nie um die Kinder und Enkel, wenn es nicht gerade die eigenen gewesen sein sollten. Ihnen ging es immer nur um Verteilungsfragen. Für die einen die Lasten, für die anderen das Vermögen. Es sollte bloß nicht über die andere Seite der Bilanz nachgedacht werden.
    Quelle: Weissgarnix
  6. INSM – Fehlfinanzierung Sozialversicherung
    Die deutschen Sozialversicherungen geben jährlich über 100 Milliarden Euro für versicherungsfremde Leistungen aus. Gleichzeitig werden über 60 Milliarden Euro zwischen den verschiedenen Einkommensgruppen umverteilt – auch von unten nach oben. Zu diesem Ergebnis kommt ein von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) finanziertes Gutachten des Zentrums Generationenforschung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. […]
    Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft fordert, in einem ersten Schritt die kostenlose Mitversicherung von nicht berufstätigen Ehepartnern in der gesetzlichen Krankenversicherung zu beenden. “Die kostenlose Mitversicherung von Hausfrauen und Hausmännern ist nichts anderes als eine Herdprämie”, sagte INSM-Geschäftsführer Hubertus Pellengahr in der Pressekonferenz. Es sei grob ungerecht, Familien mit einem Verdiener gegenüber Doppelverdienerfamilien in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu begünstigen.
    Quelle: INSM

    Anmerkung unseres Lesers M.W.: Und auch der Versicherungsvertreter aus Freiburg ist mit von der Partie.

    Ergänzende Anmerkung MB: Neuleserinnen und Neuleser sollten wissen, das der so genannte Finanzwissenschaftler Prof. Bernd Raffelhüschen Aktivist für die Arbeitgeber-Lobby Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, welche auch die betreffende Studie fördert, sowie Aufsichtsrat bei der ERGO-Versicherungsgruppe ist. Sein Forschungszentrum Generationenverträge an der Uni Freiburg wird u.A. von einer Reihe Versicherungsgesellschaften (Profiteuren privater Kranken- und Rentenversicherung) sowie eben der Arbeitgeberlobby Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft gesponsort. Sie können sich ja Gedanken darüber machen, welche Absichten verfolgt werden, wenn ein solcher Professor – oder nach unserer Definition Versicherungsvertreter mit Professorentitel – Gutachten im Auftrag von Arbeitgebern und Versicherungskonzernen schreibt.
    Das Ärzteblatt beschreibt übrigens im letzten Absatz, dass hinter der Initiative die Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustie stehen. Das ist in der Berichterstattung von Medien leider gar nicht selbstverständlich, auch nicht in einer Fachzeitschrift für Ärzte.

  7. Temporärarbeitende nicht mehr benachteiligen / Gleiche Arbeitsbedingungen für Temporärarbeitende wie für Festangestellte
    Quelle: Presseportal (Schweiz)

    Anmerkung MB: Wer gibt den deutschen Tarifparteien bitte Nachhilfeunterricht …

  8. Der Fortschritt ist bezahlbar
    Deutschland kann sich den Fortschritt in Form von Energiewende und Ausbau sozialer Dienste leisten. Seine hohen Exportüberschüsse belegen ein unausgeschöpftes Konsum- und Investitionspotenzial. Aber auch ohne sie bräuchten wir keinen Wohlstandsverlust zu befürchten. Zwar müssen sich Verbrauchs- und Produktionsstrukturen ändern. Aber der Wechsel kann in einem Wachstumskontext durch mehr Beschäftigung und höhere Produktivität ohne unfreiwillige Einschränkungen traditionellen Konsums erfolgen. Dazu müssen die neuen Bedarfe mit stabiler Kaufkraft ausgestattet werden – am besten mittels einer gleichmäßigeren Verteilung der Einkommen und einer Beschränkung des Vermögenswachstums.
    Quelle: Friedrich-Ebert-Stiftung [PDF – 87.5 KB]
  9. München will mit Ein-Euro-Jobs privaten Unternehmen Konkurrenz machen
    In gemeinsamer Sitzung der Ausschüsse für Soziales, Arbeit und Wirtschaft wurde heute die aktuelle Situation im Jobcenter München beraten. Verborgen zwischen verschiedensten Detailfragen findet sich ein Auftrag an den Oberbürgermeister, der von besonderer Brisanz ist. […] In der Beschlussvorlage erklärten nun die zuständigen ReferentInnen, Brigitte Meier und Dieter Reiter, dadurch seien die meisten der Münchner Ein-Euro-Jobs “bedroht”. Ihre Konsequenz daraus: der Münchner Oberbürgermeister wurde nun beauftragt, sich in Land und Bund für die Aufhebung der Anforderung der Zusätzlichkeit einzusetzen, indem “auch ‚marktnahe’ Beschäftigung durch Soziale Träger möglich wird”
    Quelle 1: DIE LINKE im Stadtrat München
    Quelle 2: Interview mit Stadträtin Henn in Mittwochsmagazin von Radio LORA 92,4 MHz (Das Interview beginnt ab 00:33:50) [Audio – mp3]
  10. Das Europa der Konzerne wächst
    Das Westfalenstadion heißt jetzt Signal Iduna Park und das Frankenstadion easyCredit-Stadion. Mancher Fußballverein hat, um an Geld zu gelangen, den ehrenwerten Namen seiner Spielstätte in die Tonne geworfen. In England gehört der gesamte Spielbetrieb einer Bank, jedenfalls schlägt sich das im Namen der Liga nieder: Barclays Premier League. Was im Fußball bereits seit Jahren Praxis ist, droht nun als allgemeine Maxime eines neuen Europas umgesetzt zu werden. (…) Was wir gerade erleben, ist die restliche Zerschlagung staatlicher Einflussnahme und Beteiligung an wirtschaftlichen Fragen. Die Europäische Union macht derzeit klar, dass Staatsgebilde ihr Tafelsilber zu verkaufen haben, damit in private Hände hineingewirtschaftet werden kann. Die Einflussnahme der Lobbyisten in Brüssel ist gigantisch…” (…)
    Nie war die Europäische Union näher am schon lange gärenden Vorwurf, sie sei eine Union der Konzerne. Das ist sie mit jedem Tag etwas mehr, denn sie macht ihre Mitgliedsstaaten erpressbar, indem sie sich für die Omnipotenz privatisierter Unternehmen ausspricht. Handlungspielräume für den Staat sind damit nichtig. Das Primat der Politik ist somit nicht gänzlich verschwunden, es wird nur in die Wirtschaft delegiert. Dort soll Politik gemacht werden, wenn es nach EU geht. (…) Man denke nur an die Hartz-Kommission, die auch und maßgeblich von Unternehmerhand geleitet wurde. Das war nur die Vorstufe, denn fortan werden in Europa nicht nur Kommissionen unterwandert werden, man wird den Konzernen peu a peu immer mehr politische Macht übertragen…”
    Quelle: ad sinistram

    Anmerkung unseres Lesers G.K.: Den neoliberalen Kreisen in Politik, Medien und “Wissenschaft” ist es in den vergangenen Monaten hervorragend gelungen, von der enormen Verantwortung der neoliberalen Ideologie für den Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise abzulenken. Die massiven ökonomischen Schäden, die aus der “Liberalisierung” und “Deregulierung” der Finanzmärkte resultierten, das zunehmend spekulative Geschäftsgebahren der Banken zu Lasten der realwirtschaftlichen Investitionsfinanzierung oder das zwielichtige Treiben der Ratingagenturen werden in der medialen Berichterstattung mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt. Die neoliberalen Medien, Politiker und “Experten” bewerten die Sinnhaftigkeit politischer Entscheidungen zunehmend wieder an der Maxime, ob diese die Zustimmung “der (Finanz-) Märkte” finden oder nicht. Ganz so, als sei die Interessenslage der Finanzmärkte entscheidend für die Lösung der ökonomischen Verwerfungen innerhalb der Eurozone. Daß “die Märkte” und die Exekution der neoliberalen Ideologie ganz entscheidend Mitverantwortung für diese ökonomischen Verwerfungen tragen, soll möglichst vollständig aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verschwinden.

    So wird beispielsweise der Eindruck erweckt, unter den aufgespannten “Euro-Rettungsschirmen” würden insbesondere die “Staaten” Unterschlupf finden. Daß es sich bei den weitgehend von den europäischen Steuerzahlern finanzierten “Rettungsschirmen” erneut v.a. um Bankenrettungspakete handelt, wird in der medialen Berichterstattung zumeist ausgeblendet. Dies ist der offenkundige Versuch, “die Märkte” weitestgehend reinzuwaschen und stattdessen “dem Staat” nahezu alle Verantwortung für die ökonomischen Verwerfungen in die Schuhe zu schieben.

    Ergänzende Anmerkung MB: Das tut jetzt zwar nichts zur Sache aber das Frankfurter Waldstadion, wo jetzt das Fußball-Weltmeisterinnen-Spiel Deutschland – Nigeria ausgetragen wird, heißt seit einigen Jahren „Commerzbank“-Arena. Bei einem der ersten Spiele im damals umgebauten Stadion war ein Fehler in der Dachkonstruktion und ein Wolkenbruch führte zu einer unfreiwilligen Dusche für das Publikum. Das war keine gute Werbung für den Namensträger des Stadions und die Frankfurter nannten das ehemalige Waldstadion bzw. die heutige Commerzbank-Arena „Regenwaldstadion.

  11. Sven Giegold über Bankenlobby: “Eine unglaubliche Übermacht”
    Der Lobby-Einfluss der Banken in der EU ist groß. Finance Watch werde dagegenhalten, diene dem Gemeinwohl und werde so Einfluss erhalten, sagt der grüne EU-Parlamentarier Sven Giegold.
    Quelle: taz

    dazu: Bürger wollen Durchblick
    Bisher hatte die Bankenlobby in Brüssel kaum einen adäquaten Gegner. Das soll sich mit “Finance Watch” ändern. Die Organisation ist wie Greenpeace, nur ohne Schlauchboote.
    2.000 Änderungsanträge gab es, als im Europäischen Parlament über die Richtlinie zur Regulierung von Hedgefonds abgestimmt wurde. 2.000 Anträge, die zwar von verschiedenen Abgeordneten eingebracht wurden, aber teilweise wortwörtlich übereinstimmten. “Das ist ein Indiz dafür, dass diese Anträge nicht von den Abgeordneten selber kamen, sondern von Lobbyisten”, sagt der Europaabgeordnete Sven Giegold von Bündnis90/Grüne, der für seine Partei im Sonderausschuss zur Finanz-, Wirtschafts- und Sozialkrise sitzt und sich um eine bessere Regulierung der Finanzmärkte bemüht.
    Aber das ist schwierig, denn die Bereitschaft der Politiker, tatsächlich etwas am System zu ändern, lässt nach. Gleichzeitig tut die Bankenlobby alles, um eine Einschränkung ihrer Geschäfte zu verhindern.
    Quelle: taz

  12. Pariser Alleingang: Waffen für die Rebellen
    Wieder einmal preschen die Franzosen vor: Sarkozy liefert den libyschen Rebellen Waffen – ohne die Nato zu informieren. Aus Flugzeugen wurden via Fallschirm Maschinen- und Sturmgewehre abgeworfen. Hat Paris gegen das UN-Embargo verstoßen, das Waffenlieferungen an Libyen verbietet?
    Quelle: Süddeutsche Zeitung
  13. Meeresspiegel steigt heute schneller als je zuvor in den letzten 2000 Jahren
    Seit Beginn der Industrialisierung steigt der Meeresspiegel schneller als je zuvor in den letzten zweitausend Jahren. Nach vielen Jahrhunderten mit stabilen oder nur langsam steigenden Werten geht die Kurve seit Ende des 19. Jahrhunderts steil nach oben. Das zeigt eine Untersuchung von Ablagerungen an der US-Atlantikküste – die erste durchgehende Rekonstruktion der Veränderungen des Meeresspiegels über einen solch großen Zeitraum.
    Quelle: Informationsdienst Wissenschaft
  14. Ist das Kyoto-Protokoll tot? Eine Einschätzung zum aktuellen Stand der Klimaverhandlungen
    Die Klimaverhandlungen in Bonn vertagen sich nahezu ergebnislos auf ein Treffen im Herbst. Läuten Sie damit das Ende des Kyoto-Protokolls ein? Gibt es noch einen Rettungsanker? Eine Einschätzung des Klimaökonomen Prof. Dr. Reimund Schwarze.
    Quelle: Informationsdienst Wissenschaft
  15. Dr. Merkels Kernschmelze
    Die nächste Wandlung, bitte! Der Atomausstieg ist der bisherige Höhepunkt einer langen Serie von CDU-Kehrtwenden. Erneut zeigt sich: Bei der Modernisierung ihrer Partei rennt Angela Merkel den Ideen der anderen hinterher. Was kommt als nächstes?
    Nur ein bisschen gemurrt haben sie, die Atomfreunde in der Union. Der eine oder andere hat an diesem Donnerstag sogar gegen die eigene Regierung gestimmt. Die letzten Zuckungen des Widerstands. Aber das war’s dann auch.
    Quelle: SPIEGEL Online
  16. Lütgert verlässt Netzwerk Recherche – “Das Kapitel ist für mich beendet”
    Ein Name fehlt auf der Teilnehmerliste der Jahreskonferenz von Netzwerk Recherche (NR): Wenn am Freitag 700 “Investigative” zusammenkommen, bleibt Christoph Lütgert fern. Der “Panorama”-Autor reagierte verärgert auf die Entscheidung des Vorstands, dass nicht er AWD-Gründer Carsten Maschmeyer interviewen durfte. Lütgert trat aus dem Verein aus, Maschmeyer sagte seinen Auftritt ab. Im MEEDIA-Interview erklärt der Reporter, warum er mit NR abgeschlossen hat und dass der Streit nur Maschmeyer nutze.
    Quelle: Meedia
  17. Das Panik-Orchester
    Die Zeitungsverlage kämpfen gegen Blogger und öffentlich-rechtliche TV-Sender. Es geht ihnen um die Privatisierung des Internets
    Mathias Döpfner steckt in einem Dilemma. Der hagere Mann, still und kultiviert, ist Chef des größten europäischen Zeitungsverlags und seinem Unternehmen geht es – einerseits – glänzend. Ein paar Zahlen? Die Rendite im Zeitungsgeschäft liegt bei 22 Prozent, der Konzernumsatz ist in den ersten drei Monaten des Jahres um elf Prozent gewachsen, das Konzernergebnis um 6,5 Prozent, und allein die Erlöse aus dem digitalen Segment haben um 26 Prozent zugelegt. Das ist alles sehr beeindruckend, und da die Axel Springer AG den strengen Veröffentlichungskriterien des Aktiensrechts unterliegt, muss sie die schönen Zahlen auch öffentlich verkünden.
    Andererseits sieht sich Döpfner dazu gezwungen, aus strategischen Gründen Untergangsstimmung zu verbreiten. Springer hat gerade im Verbund mit anderen großen Verlagen Klage gegen die ARD erhoben. […] Jetzt muss ein anderes Bild her. Der Süddeutschen Zeitung gab Döpfner unlängst ein Interview, das vom Geist der Panik durchweht ist. „Wir kämpfen um unsere Existenzgrundlage.“ Wenn der Springer-Chef derart aufdreht, muss viel auf dem Spiel stehen. So ist es auch. Und dabei ist Döpfners Schlacht gegen die Netzaktivitäten nur Teil eines viel größeren Feldzugs. Es geht aber nicht um das Überleben der Verlage. Es geht um die Vorherrschaft im Internet. Um die Frage, ob das Netz öffentlich bleibt oder privatisiert wird.
    Quelle: Der Freitag
  18. zu guter Letzt: Moderater Lohnabschluss
    Der Arbeitgeberverband des Deutschen Bundestags und die Gewerkschaft der Parlamentarier sind zu einem raschen und lautlosen Tarifabschluss gekommen. Ohne Arbeitskampf und in seltener Einigkeit haben sich die Tarifparteien CDU, CSU, FDP und SPD auf eine stufenweise Erhöhung ihres “Tagegelds” geeinigt. Um moderate 292 Euro für das Jahr 2012 und den gleichen Betrag noch einmal für das Jahr 2013 steigt das monatliche Einstiegsgehalt von derzeit 7668 auf 7960 bzw. 8252 Euro.
    Quelle: André Tautenhahn

Rubriken:

Hinweise des Tages

Schlagwörter:

Die NachDenkSeiten sind für eine kritische Meinungsbildung wichtig, das sagen uns sehr, sehr viele - aber sie kosten auch Geld und deshalb bitten wir Sie, liebe Leser, um Ihre Unterstützung.
Herzlichen Dank!