Rezension: Wolfgang Hetzer, „Finanzmafia – Wie Banken und Banditen unsere Demokratie gefährden“

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Wolfgang Hetzer, seit 2002 Leiter der Abteilung „Intelligence: Strategic Assessment & Analysis“ im Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) in Brüssel, geht in seinem neuen Buch der Frage nach, „ob die internationalen Finanzmärkte zum Tummelplatz einer besonderen Art der Organisierten Kriminalität geworden sind, die es in einem Milieu höchster krimineller Energie, exquisiter fachlicher Qualifikation und korruptiver Verflechtung geschafft hat, die Zusammenhänge zwischen Arbeit, Leistung und Erfolg als Grundlage einer bürgerlichen Gesellschaft und einer rechtsstaatlichen Kultur in einer jahrelangen hemmungslosen und selbstsüchtigen Bereicherungsorgie zu zerstören“. (S.12) Als Jurist und entsprechend seiner Profession als „Betrugsbekämpfer“ beschäftigt er sich vor allem auch mit der strafrechtlichen Aufarbeitung der Finanzkrise. Wolfgang Lieb

„Die pflichtwidrige Vernichtung fremden Kapitals ist eine Straftat“, so lautet der erste Satz in der Einleitung. Doch es gebe eben keinen Straftatbestand der „Kapitalvernichtung“ und bislang sei noch niemand wegen der Verursachung der Finanzkrise rechtskräftig verurteilt worden. (S. 11) Die naheliegende Frage wer die Verantwortung für einen derart hohen Schaden trage, führe aus Sicht des ehemaligen Bundesfinanzministers Steinbrück ins „Nirwana“. Die Teilnahme an Systemkriminalität sei offenbar ohne Strafbarkeitsrisiko. Das Strafrecht sei in seiner gegenwärtigen Verfassung dafür nicht geeignet. Die Definitionsversuche von Organisierter Kriminalität (OK) oder auch der Korruption (273) böten angesichts der in der Finanzkrise zu Tage getretenen kriminellen Energie kein ausreichendes Raster, obwohl die Praktiken, die in der Finanzwirtschaft eingesetzt worden seien, zu einer „strukturellen und funktionellen Überschneidung mit der OK geführte haben“. (S. 124) Das Zusammenspiel von ökonomischen Interessen, politischen Ambitionen und nationalen Egoismus lägen jedoch (bisher) außerhalb der Reichweite strafrechtlicher Normen. Diese Vorgänge folgten „dem Primat der Politik“. (S. 13)

Die Zuschreibung strafrechtlich relevanter Verantwortlichkeit, sei ein anspruchsvoller Prozess und die historische Erfahrung zeige, dass strafrechtlich begründete Vorwürfe quasi gegenstandslos würden, wenn bestimmte Verhaltensweisen fester Bestandteil eines geradezu irrationalen Zusammenhangs geworden seien oder Widersprüchlichkeit zum Funktionsprinzip mutiert sei. (S. 147) So hätten Ratingagenturen, auf die sich die Banker bei ihren „Irrtümern“ beriefen, Schadensersatzklagen mit der (geradezu lächerlichen) Berufung auf das Recht der freien Meinungsäußerung abwehren können. (S. 153) Sie rechtfertigten sich damit, dass einzelne die Akteure keine Schuld trügen und dass sie allenfalls „Teil des Systems“ seien. (271)

Es gebe kaum aus sich heraus lesbare Straftatbestände; das Kapitalmarktstrafrecht, für das es noch nicht einmal eine verbindliche Definition gebe, sei weit verstreut und mache die Anwender orientierungslos. (S. 148)

Hetzer ist skeptisch, ob es jemals einen Funktionswandel des Strafrechts geben wird, der ein Sanktionsrepertoire bieten könnte, das auch den Herausforderungen einer „Systemkriminalität“ gerecht werden könne. (S. 151) Am Beispiel der Vermittlung von ABS-Anleihen (forderungsbesicherten Wertpapiere) dekliniert Hetzel über 12 Seiten des Buches (172 – 184) durch, wie diffizil die strafrechtliche Überprüfung des Untreuetatbestandes ist. Immerhin gelangt er zum Ergebnis, dass unter bestimmten Voraussetzungen ein Anfangsverdacht bestehe, um strafrechtliche Ermittlungen aufzunehmen. Er muss aber gleichzeitig einräumen, dass in der juristischen Literatur und noch mehr in der Rechtsprechung die Debatte über die mögliche Strafbarkeit verantwortlicher Bankmanager immer noch am Anfang stehe. Von einer Sanktionierung der zur Aufsicht berufenen Politiker sei noch nicht einmal die Rede. (185)

Bei der Deutschen Industriebank (IKB) zum Beispiel habe die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen Untreue nach § 266 StGB eingestellt. Hetzer ist der Meinung, dass dies voreilig war, und er hält eine weitere Diskussion über die Untreuestrafbarkeit schon im Hinblick auf ähnlich gelagerte Fälle bei der NSH-Nordbank oder der Landesbank Baden-Württemberg für notwendig. Ausführlich erörtert Hetzer die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juni 2010 hinsichtlich des Strafverfahrens gegen ehemalige Vorstände der Berliner Bank (u.a. den CDU-Politiker Klaus-Rüdiger Landowsky). Letztlich hatte die Verfassungsbeschwerde gegen deren strafrechtliche Verurteilung wegen Untreue Erfolg, weil das vorausgegangene Urteil des Strafgerichts den wirtschaftlichen Nachteil (also den Schaden) nicht ausreichend „bestimmt“ ermittelt habe. Dennoch ist Hetzer der Meinung, dass das höchstrichterliche Urteil bei einer weiteren juristischen Aufarbeitung der Finanzkrise eine wichtige Rolle spielen könne. (200)

Noch weniger als beim Straftatbestand der Untreue, sei die juristische Aufbereitung zur Strafbarkeit wegen Betrugs vorangekommen. Der rechtswissenschaftliche Diskurs habe auch da gerade erst begonnen (202). Nach seinen strafrechtsdogmatischen und rechtspolitischen Betrachtungen kommt er im Gegensatz zur landläufigen Verteidigungsstrategie zu der Einschätzung, dass die Finanzkrise „eben nicht (nur) ein bloßes Systemversagen ist. Sie ist durch massenhaftes objektiv straftatbestandsmäßiges Verhalten der verantwortlichen Personen im Bankensektor mit verursacht worden. Staatliche Instanzen haben dabei grob fahrlässig geholfen.“ (202)

Scharf geht Hetzer auch mit dem Skandal ins Gericht, dass keinerlei Anstrengungen unternommen würden, die illegitime Beute aus Scheingewinnen der Vergangenheit oder aus voreilig bezahlten und unangemessenen Boni zu konfiszieren. Die Praxis der Beutesicherung selbst in staatlich geretteten Banken würde einfach fortgesetzt. Es sei jedoch höchste Zeit, dass das traditionell gegen die „Unterschicht“ eingesetzte Strafrecht auch gegen die „Oberschicht“ gleichmäßig angewendet werde: „Wenn es jemals irgendein Feld gegeben hat, wo dies überfällig ist, so ist es die Finanzkrise.“ (203)

Trotz dieses flammenden Appells gelangt Hetzer zu einem eher ernüchternden (und enttäuschenden) Fazit: „Es ist äußerst ungewiss, ob die Anwendung des Strafrechts gegenüber einzelnen Verantwortungsträgern in Wirtschaft, Finanzindustrie und Politik geeignete präventive und repressive Wirkungen haben könnte, weil der notwendige Klärungsprozess im Hinblick auf rechtsstaatliche Strafbarkeitsvoraussetzungen und sinnvolle Sanktionen gerade erst begonnen hat.“ (283)

Hetzer reist als „Lehrstücke“ für Dilettantismus und Versagen von Managern und Kontrolleuren die (teilweise ins Unappetitliche abrutschende) Machenschaften der Manager der Privatbank Sal. Oppenheim und der HSH Nordbank an. Ausführlich behandelt er die „unheilige Allianz von Politikern und Bankern“ im Zusammenhang mit dem Deal der BayernLB mit der Hypo Group Alpe Adria. Für jeden der hinter die Kulissen dieses Zusammenspiels zwischen Regierungen, Finanzinstituten und Wirtschaftsunternehmen schaue, müsse sich die Frage stellen, ob es sich hier nicht geradezu um organisierte Kriminalität handle.

Im Schlusskapitel wirft Hetzer die Frage auf, ob Korruption nicht geradezu zur Leitkultur“ geworden sei. Es sei nicht mehr zu übersehen, dass sich die Gewinnabsichten von Wirtschaftssubjekten, die Ambitionen von Politikern, die Finanzierungsbedürfnisse von Parteien und die Geldgier von Amtsträgern immer häufiger kreuzten. (276) Angesichts der daraus entstandenen „anspruchsvollen“ Korruption müssten die vergleichsweise einfachen Begriffe des Strafrechts zerschellen. „Wenn Käuflichkeit den inneren Charakter eines Gemeinwesens prägt, degeneriert Rechtsgehorsam ohnehin zur lächerlichen Attitüde.“ (276)

Wie es sich für einen Juristen gehört, beschreibt Hetzer im ersten Drittel seines Buches den Sachverhalt auf den er danach seine strafrechtlichen Erörterungen bezieht und unter die Straftatbestände der Untreue, des Betrugs, der Organisierten Kriminalität und der Korruption zu subsumieren versucht.

Der Ausbruch der „gravierendste(n) globale(n) Finanzkrise seit der Großen Depression“, werde üblicherweise auf den Sommer 2007 datiert. Die Entwicklung dahin sei allerdings schon seit vielen Jahren auch für Spitzenpolitiker hinreichend klar erkennbar gewesen und die große Krise sei keineswegs zu Ende. (S. 15) Die Politik habe in den meisten Ländern nicht einmal im Ansatz begriffen, was da eigentlich passiert sei. Auch die Medien erweckten den Eindruck, als ob es sich um ein Geschehen handelte, das vorausschauender Steuerung entzogen war. Diese Sicht sei nicht nur irreführend, sondern schlicht falsch und allenfalls das Produkt eine geschickten Medienpolitik der verantwortlichen Entscheidungsträger und Machthaber. (S. 17)

Schon hinter dem Begriff „Krise“ steckten wirtschaftliche Interessen und politisches Kalkül, unterstelle dieser Sprachgebrauch doch einen episodischen Charakter und gaukle Beherrschbarkeit vor und Politiker könnten sich dabei sogar als Schutzherrn des Gemeinwohls darstellen. (S.33). Dabei hätten doch die Entscheidungsträger in Wirtschaft und Politik in einer Mischung aus Ambition und Inkompetenz selbst die Bedingungen geschaffen, „unter denen sich die internationale Finanzwirtschaft in ein Schlachtfeld verwandeln konnte.“ (S. 34) „Keine Naturgewalt hat diese Finanzkrise ausgelöst, sondern beschämendes Versagen in den Vorstandsetagen.“ (S. 34)

Auslöser der Finanzmarktkrise sei ein dreifaches Staatsversagen in den USA gewesen, nämlich eine jahrelange Niedrigzinspolitik der Notenbank, die Verweigerung einer Regulierung der Finanzmärkte und der Verzicht auf die Rettung von Lehman Brothers. Aber auch in Deutschland sei z.B. schon 2004 mit dem Investmentmodernisierungsgesetz den „Heuschrecken“ der Luftraum eröffnet worden. Vor allem die „rot-grüne“ Bundesregierung habe den Siegeszug der Finanzmärkte begünstigt und die Auflösung der „Deutschland AG“ in Gestalt des „rheinischen Kapitalismus“ vorangetrieben. (S. 77) Mit dem Investmentmodernisierungsgesetz unter Finanzminister Eichel im Jahre 2003 wollte die Bundesregierung die Leistungsfähigkeit und die Attraktivität des Investmentstandortes Deutschland steigern (S. 91). Ohne eine risiko-orientierte Folgenabschätzung seien Hedge-Fonds (die „Leitwölfe der internationalen Spekulation“ (S. 101)) und andere Investmentprodukte, die mit ausländischen Anlagestrategien wettbewerbsfähig sein sollten, zugelassen worden, um Kapitalflüsse ins Ausland zu verringern. Letztlich habe damit der Gesetzgeber eine formvollendete Einladung an alle „Global Players“ zur noch erfolgreicheren Geldwäsche ausgesprochen. (S. 102) Die sozialdemokratische geführte Bundesregierung habe die legalen Grundlagen dafür geschaffen, dass auch Deutschland in den Mahlstrom des internationalen Finanzkapitalismus geriet. (S. 104)

Das politische Handeln im Dienste der „allmächtigen“ Privatwirtschaft unter dem Etikett „Marktwirtschaft“ habe einer rein spekulativen Wirtschaft gedient, die keine andere Funktion mehr gehabt habe, als Spekulationen und ihren Profiten den Weg zu ebnen. (S. 36)
Die destabilisierenden Auswirkungen seien zu einem erheblichen Teil der Lobbyarbeit jener Akteure zuzuschreiben, die sich immer größere Spielräume erkämpfen konnten. Dies sei auch geschehen, weil die Mehrzahl der Ökonomen, Politiker, Journalisten und Regulierer an das neoliberale Versprechen geglaubt hätten, dass entfesselte Finanzmärkte Effizienz und Wachstum weltweit fördern würden. Es sei zur Abdankung gesamtwirtschaftlichen Denkens gekommen. (S.72)

Hetzer zeichnet etwa am Beispiel der Rettung der Hypo Real Estate nach, wie die Politik von den Bankern über den Tisch gezogen wurde und wie sich die Öffentlichkeit in Bonusdebatten verzettelte, statt dort anzusetzen, dass die Banken nur deshalb so agieren konnten, weil sie darauf vertrauen konnten, dass sie im Krisenfall wegen ihrer Bedeutung für die Wirtschaft vom Staat gerettet werden. (S. 28)

Ausgiebig geht Hetzer auf die Krisenanalyse des damaligen Finanzministers Peer Steinbrück ein. Er hält ihm vor, dass er nur „eine Gemengelage aus mehreren Faktoren in beliebiger Reihenfolge“ aufzähle, (S. 29) die entscheidenden Gesichtspunkte jedoch in „(selbst-)gefälliger Bescheidenheit“ (S. 31) herunterspiele: „Die Geldkrisen der Gegenwart sind möglicherweise kein Ausdruck von Marktversagen, keine Krise des Kapitalismus, kein Argument gegen die Gier und schon gar kein Beweis für den Unsinn von Managergehältern und Renditezielen. Sie sind wohl eher Ausdruck eines staatskapitalistischen Systemversagens“ (S. 31), kritisiert Hetzer den ehemaligen Finanzminister. In bislang unvorstellbarem Ausmaß habe sich die Bundesregierung in die Abhängigkeit der Finanzwirtschaft manövriert und so die Allgemeinheit einer aus den Fugen geratenen Bankenwelt ausgeliefert. „Die Politiker hätten sich als fremdbestimmte Komparsen in einem Theater postieren lassen, dessen selbst ernannte Regisseure in den Bankentürmen die Handlung bestimmten.“ (S. 30)

Alle Versprechungen für eine Remedur seien bis jetzt wirkungslos geblieben, was auch daran läge, dass die Politik der Finanzwelt erlaube, die sie betreffenden Regeln selbst zu formulieren. Es werde jedoch nicht den Banken ans Geld gegangen, indem etwa sicherheitsrelevante Vorschriften zur Eigenkapitalausstattung erlassen würden, deren Einhaltung rigoros überwacht und sanktioniert würde. Alle Politik bleibe bloßes „Gefuchtel“. (S. 60, siehe auch S. 131)

Präziser als auf dem Feld der Ökonomie und der finanzwirtschaftlichen Analyse argumentiert Hetzer auf seinem ureigenen Feld der Organisierten Kriminalität: „Die Finanzkrise bietet viele anschauliche Beispiele dafür, dass sich die OK in äußerst besorgniserregender Weise entwickelt hat und sogar zum sicherheitspolitischen Problem erster Ordnung geworden ist.“ (S. 126) Im Mittelpunkt stehe die Korruption. Regierungen hätten erlaubt, dass das Finanzsystem und seine wichtigsten Vertreter außer Kontrolle gerieten. Finanziers und Wirtschaftsführer hätten ohne Regeln eine allgemeine Bereicherungsorgie veranstaltet. Armeen von Rechnungsprüfern, Buchhaltern und Rechtsanwälten hätten sich legalen und illegalen Industrien wie Söldner zur Verfügung gestellt, um schmutzige Geschäfte zu verdecken bzw. ihnen den Anschein der Rechtmäßigkeit zu vermitteln. „Ratingagenturen und Beratungsgesellschaften haben Unternehmen betrügerisches Verhalten gelehrt und ihnen anschließend Unbedenklichkeitstestate erteilt. Die Offshore-Finanzzentren haben Geld jeder Herkunft akzeptiert und keine Fragen gestellt. Darin liegt insgesamt der korrupte Kern der Finanzkrise, die für die OK geradezu ein Jungbrunnen ist.“ (S. 127)

Allein auf den Cayman Islands seien mindestens 2000 Milliarden Euro steuerfrei „gebunkert“ und selbstverständlich seien auch deutsche Banken und Finanzinstitute in das System der Steuerhinterziehung und betrügerischen Anlagen integriert. Die Gewinne aus dieser Art Organisierten Kriminalität überstiegen die Beute von Tätern des Kalibers Madloff um ein Vielfaches. Doch „die partielle (und ungeeignete) Individualisierung von Schuld und die Ausnutzung einer billigen Sündenbockfunktion täuschen darüber hinweg, dass das Kerngeschäft der gesamten weltweiten Finanzwirtschaft unsolide war und ist. Es besteht zu einem sehr großen Teil aus betrügerischen Komplotten und kriminell-verschwörerischer Kooperation und wird zum Teil von Regierungen initiiert beziehungsweise nach den Maßstäben volkswirtschaftlicher Renditeerwartungen toleriert“. (S. 129)

Kritik:

Das Buch vermittelt viele interessante, allerdings weit verstreute Einblicke und bemüht sich sogar in einem Glossar dem Nicht-Fachmann die Finanzwelt näher zu bringen. Wer etwas über die Strategien der Hedge-Fonds-Manager, über deren Methoden der Geldwäsche, über die Absurdität von Kreditausfallversicherungen, über undurchschaubar komplexe Verbriefungen oder über die zweifelhafte Rolle der Ratinagenturen erfahren möchte, findet hier viele solide und kritische Informationen. Leider gleicht das Buch insgesamt eher einem Flickenteppich der nur schwer als Gesamtbild zu erfassen ist. Dem Buch fehlt eine klare Struktur. Es ist vermutlich aus einer Vielzahl einzelner durchaus lesenswerter Aufsätze zusammengetragen.

Fehlverhalten auf den Finanzmärkten, die Irrwege der Privatisierung oder die Staatsschuldenkrise werden unvermittelt nebeneinander gestellt. Man Merkt, dass Hetzer kein Ökonom ist, statt einer Fülle von Einzelbeispielen und nur in Spiegelstrichen aufgelistete Wurzeln (S. 141) der Finanzkrise, hätte man sich tiefgreifendere Analysen gewünscht.
In vielen Kapiteln tauchen immer wieder die gleichen Gedanken auf, so etwa, dass der Begriff Krise eine Verniedlichung der Dramatik sei oder Hetzers Kritik an der Behauptung, dass die Krise überwunden sei. (So richtig diese Kritik auch ist.)

Hetzer sammelt akribisch eine Vielzahl von bedenklichen Entwicklungen auf den Finanzmärkten (etwa der Kreditausfallversicherungen), er geht rhapsodisch auf das Versagen von „Wirtschaftsphysikern“ bei der Analyse von Finanzblasen ein, er kritisiert die Automatisierung internationaler Finanztransaktionen (den „Technokapitalismus“), doch er kommt meist über die schon vielfach nachzulesenden Beschreibungen dieser Phänomene nicht hinaus. Stattdessen gelangt er zu dem ziemlich trivialen Befund, dass „die Innovationen in der Finanzbranche, regulatorische Lücken und menschliche Fehler“ eine Risikoerhöhung bewirkt hätten, die schließlich in die Krise umgeschlagen seien. (S.71)

Hetzer referiert Peer Steinbrück, Friedrich Merz oder Wolfgang Schäuble über lange Passagen mit kritischem Unterton, ohne ihre Fehler und Fehleinschätzungen im Detail kritisch abzuarbeiten. Bei dieser Kritik stützt er sich vielfach auf andere Kritiker.
Daran mag man erkennen, dass er sich trotz all seiner Kritik als EU-Beamter nicht allzu sehr aus der Deckung hervorwagen kann. Das erklärt vielleicht auch, warum Hetzer die Kontroll- und Gegenmaßnahmen des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission für vernünftig hält und sich in seiner Skepsis dabei hinter anderen Autoren verstecken muss.

Dennoch enthält das Buch eine faktenreiche Materialsammlung, man kann es geradezu als Nachschlagwerk für die kriminellen Machenschaften nutzen, die zur Finanzkrise geführt haben und wie die Justiz sich an den Akteuren abzuarbeiten versucht. Doch gerade von der Fülle an Material fühlt sich der Leser oftmals zugeschüttet und hat Mühe wieder einen roten Faden aufzunehmen.

Wolfgang Hetzer, Finanzmafia – Wie Banker und Banditen unsere Demokratie gefährden.
Westend Verlag, Frankfurt/Main 2011; 336 Seiten; 19,95 Euro.

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