Interessensabhängige Wissenschaft: Die öffentliche Förderung des HWWA wird eingestellt. Präsident Straubhaar lässt sich ein neues Institut sponsern

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Wir haben auf den NachDenkSeiten häufig Grund gehabt, die Interessensgebundenheit der Wirtschaftsforschungsinstitute zu kritisieren. Besonders über das HWWA und seinen Präsidenten Straubhaar konnten wir manchmal nur noch spotten. Jetzt ist das sogar die Leipniz-Gemeinschaft mit ihrem Präsidenten Hans-Olaf Henkel (ehemals BDI) peinlich. Sie empfiehlt, eine öffentliche Förderung des HWWA einzustellen. Präsident Straubhaar lässt sich nun ein neues Institut sponsern, das HWWI. Gesellschafter sind u.a. die Handelskammer, deren Vorschläge zur Abschaffung des Kündigungsschutzes auch schon mit der ersten Veröffentlichung „wissenschaftlich“ begründet werden. Über diese Art der „Unabhängigkeit der Wissenschaft von den Interessen der Wirtschaft“ mokiert sich auch die Financial Times Deutschland.

„Es wäre für Deutschland so viel einfacher, die wachsenden Zukunftsmärkte zu erobern, als mit verzweifelten Maßnahmen die Beschäftigung in sterbenden Industrien reanimieren zu wollen. Wieso soll Deutschland nicht zum weltweit führenden Altersheim werden, in dem ältere, wohlhabende Menschen aus aller Welt nach neuesten geriatrischen Methoden und mit viel Empathie und Wärme gepflegt werden?“ Das schrieb Professor Thomas Straubhaar, noch amtierender Präsident des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archives (HWWA) in der Zeitschrift für Wirtschaftspolitik „Wirtschaftsdienst“ (Heft 3, März 2005) Wirtschaftswissenschaftliche „Erkenntnisse“ dieser Sorte gingen offenbar sogar dem Präsidenten der Leipniz-Gemeinschaft und ehemaligen Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie schon seit einiger Zeit zu weit. Die Leibniz-Gemeinschaft, in der sich 84 Forschungsinstitute und Serviceeinrichtungen für die Forschung in Deutschland zusammengeschlossen haben, hat deshalb vor einem Jahr empfohlen, eine öffentliche Weiterförderung des HWWA nicht länger „in Betracht zu ziehen“ (Quelle: www.wgl.de).

Das kann aber den Forscherdrang des Schweizer Volkswirts Straubhaar nicht aufhalten. Er gründete ein neues Institut, das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI). Dieses wird nun komplett privat gesponsert. Gesellschafter sind die Handelskammer der Hansestadt und die Universität Hamburg. (Die Uni ist sich nicht zu schade, dem Ganzen einen wissenschaftlichen Anstrich zu geben.) Die Finanzierung soll durch eine Partnerschaft mit der Berenberg Bank, der Bucerius Law School, der Hamburger Sparkasse, der Handelskammer, der Hamburg School of Business Administration sowie der HSH Nordbank erfolgen (Quelle: Die WELT).

Straubhaar betonte bei der öffentlichen Vorstellung des Instituts laut Financial Times Deutschland, dass die „Unabhängigkeit der Wissenschaft von Interessen der Wirtschaft trotz der Gesellschafterstruktur gewahrt werde“. Straubhaar sagte: „Wir werden Freiheit und Eigenverantwortung betonen“.
Im ersten Beitrag des HWWI knüpft Straubhaar an die oft abstrusen Vorschläge des HWWA an und steigt in die Debatte um die Mindestlöhne ein. Das HWWI setzt sich gegen die „kurzatmige Beschäftigungspolitik“ mit einem sog. „Hamburger Dreisprung“ für die Vereinfachung des Kündigungsrechts ab: „Der Arbeitgeber schreibt bei der Einstellung eine Abfindung fest und darf dann ohne Rücksicht auf soziale Auswahlkriterien kündigen. Die Arbeitslosenversicherung kann in ihrer bisherigen Form entfallen, da das Unternehmen für ein Jahr fortzahlen könnte.“
Der Erfinder dieses Konzepts ist der Gesellschafter des neuen Instituts: Die Hamburger Handelskammer (Quelle: FTD).

Für unsere Wirtschaftsforscher wird eben „Freiheit der Wissenschaft“ nur all zu oft mit „Freiheit von Wissenschaft“ verwechselt.

Anmerkung: Das Ereignis der Gründung des HWWI wäre eigentlich keinen Eintrag in den NachDenkSeiten wert. Aber viele Gutgläubige mögen ja immer noch nicht die Hoffnung aufgegeben haben, dass an den gesponserten Forschungsinstituten von Interessen unabhängige „wissenschaftliche“ Ergebnisse erarbeitet werden. Etwa

  • vom Kölner Institut der Deutschen Wirtschaft (IW), das ganz offen von Unternehmen und Verbänden der Wirtschaft getragen wird,
  • vom Münchner ifo Institut für Wirtschaftsforschung e.V., dessen Verwaltungsrat die Spitzen etwa der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank, der Deutschen Bundesbank oder der Handwerkskammer angehören. Ifo-Chef Sinn lässt sein CESifo gerne mal von der BMW Stiftung Herbert Quandt sponsern.
  • Vom Mannheimer Research Institut for the Economics of Aging (MEA) von Prof. Börsch-Supan das seine Gründung einem Joint Venture des Landes Baden-Württemberg und der Industrie v.a. der Versicherungswirtschaft verdankt.
  • Wer hinter der Bertelsmann Stiftung und ihren Forschungseinrichtungen steht sagt schon der Name.

Man könnte die Aufzählung der Forscher und der Institute mühelos fortsetzen. Alle diese gesponserten Institute überschütten uns nahezu täglich mit ihren „wissenschaftlichen“ Erkenntnissen. Sie werden in den Medien meist ohne Hinweis auf die ökonomischen und interessengebunden Abhängigkeiten verbreitet und prägen die öffentliche Meinung und die Politik.
Wir haben für Sie das Beispiel mit dem HWWI nur aufgegriffen, damit Sie künftig wenn Sie mit solchen Forschungsergebnissen konfrontiert werden, zunächst danach fragen wer dahinter steht. Dann können Sie meistens auch sagen, was davon zu halten ist.

Die Leipniz Gemeinschaft empfahl am 3. März 2004, eine öffentliche Weiterförderung des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archiv HWWA „nicht in Betracht zu ziehen”.
Amtierender Präsident Hans-Olaf Henkel „Ethik des Erfolgs“, ehemaliger Präsident des BDI.