Der Sumpf im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und beim öffentlich suventionierten Verbraucherschutz

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In der ARD gab es im Sommer Forderungen die Nebenverdienste bekannter Moderatoren wie Tagesthemenchef Tom Buhrow oder Börsenfachfrau Anja Kohl offen zu legen, nachdem bekannt wurde, dass diese fünfstellige Summen für Auftritte, gerne bei Banken und Sparkassen, erhalten. Das gefährde die Unabhängigkeit der Berichterstattung, meinen die Kritiker. Von Alexandru Sandbrand

Beim ZDF ist die Kritik nicht ganz so laut, wenn Petra Gerster und Klaus Kleber gut bezahlte Vorträge bei Banken und Industrie halten. Momentan stehen 3 leitende Mitarbeiter des HR, MDR und NDR vor Gericht, denen man Betrug bzw. Untreue vorwirft.

Ähnlich gefährdet ist die Unabhängigkeit bei den staatlich subventionierten Verbraucherschutzorganisationen wie Verbraucherzentralen, DIN, Stiftung Warentest und Finanztest. Diese Institutionen werden vom Steuerzahler finanziert, gelten als unabhängig und haben deshalb einen großen Einfluss auf das Kaufverhalten der deutschen Konsumenten. Sie sind insofern interessantes Ziel für Einflussnahmen von Seiten der Industrie, von Banken, Bausparkassen, Versicherungen, Handel etc..

Auch bei diesen Institutionen, die deshalb öffentliche Unterstützung erhalten, damit sie ihre Unabhängigkeit wahren, ist es notwendig, dass leitende Mitarbeiter ihr Nebeneinnahmen offen legen. Diese Beschäftigten im öffentlichen Interesse sind zwar keine Beamten und handeln auch nicht hoheitlich, erfüllen aber eine gesellschaftlich Aufgabe und werden deshalb von der Öffentlichkeit bezahlt. Die meisten dieser Fälle hätten schon viel früher aufgedeckt werden können, wenn der Steuer- und Gebührenzahler – wie das in Schweden ganz normal ist – etwa Einsicht in die Einkommenserklärung der Betreffenden gehabt hätten. Wem das nicht passte, der kann ja vom ZDF zu RTL wechseln oder von Finanztest zu Capital. Da gehört ja erwerbsorientiertes Denken und Handeln zur Geschäftsbasis.

In der Öffentlichkeit stehen momentan die Sportchefs von HR und MDR und die Fernsehspielchefin vom NDR. Die Sportchefs haben erfolglos gegen ihre fristlose Kündigung prozessiert und wurden zu milden Gefängnis- bzw. Bewährungsstrafen verurteilt, die Fernsehspielchefin klagt momentan gegen ihre fristlose Kündigung; gegen sie ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Gemein haben diese Fälle die nicht vorhandene Einsicht der Beteiligten (Reue wird allenfalls dann gezeigt, wenn es der Milderung der Strafe dient), ihre Selbstherrlichkeit und, obwohl es in allen Fällen über viele Jahre klare Hinweise gab, keiner der Verantwortlichen von den unsauberen Geschäften hören wollte. Insider behaupten, Redakteure und Abteilungsleiter in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, also Leute, die entscheiden, welcher Regisseur, welches Drehbuch mit welcher Produktionsfirma für das Abendprogramm realisiert wird, seien gerne schon mal Kunstliebhaber, sammelten Antiquitäten oder würden gerne zusammen mit der Ehefrau eine etwas anspruchsvollere Reise machen. So kann die Entscheidung für Drehbuch, Regisseur und Produktionsfirma mit kleinen „Aufmerksamkeiten“ beeinflusst werden. Das ist nicht immer und überall so, aber oft und an vielen Stellen. Sogar das gute alte Bargeld tut als Schmiermittel seine anonymen Dienste.
Vor allem in den öffentlich-rechtlichen Sendern sind dringend Vorkehrungen nötig, denn die eigentlich Betrogenen sind die Gebührenzahler. Diese zahlen ihre Gebühren für ein qualitativ hochwertiges, unabhängiges und schleichwerbefreies Fernsehprogramm.

Gerüchte um Jürgen Emig gab es z.B. schon seit fast 10 Jahren, aber es schien niemand beim HR zu interessieren. Im September 2003 beschwert sich der Veranstalter des Frankfurter Triathlon beim Hessischen Ministerpräsidenten über den hohen Produktionskostenzuschuss des HR für die Übertragung dieser Veranstaltung. Roland Koch gibt die Beschwerde an HR Intendant Reitze weiter, der leitet sie wiederum Jürgen Emig zu. Die Beschwerde wird dann von Jürgen Emig bearbeitet und beantwortet. Von den von Jürgen Emig verlangten 95.000 € erhält der HR gerade mal 35.000 €. Erst als ein Staatsanwalt in Kassel einen der vielen Berichte über Emigs Machenschaften in der Zeitung liest und seinen Verdacht an die Staatsanwaltschaft Frankfurt weitergibt, schaltet sich diese ein und beginnt zu ermitteln. Im Zuge dieser Ermittlungen zeigt sich, dass der MDR Sportchef Wilfried Mohren zu diesem Netzwerk gehörte und sein „karges“ Gehalt durch solche Machenschaften deutlich erhöhte. Auch hier gab es schon seit vielen Jahren Hinweise, aber wieder hatte keiner beim MDR so richtig Interesse an der Aufklärung. Jürgen Emig wurde zu 2 Jahren und 7 Monaten Gefängnis verurteilt und klagt noch in letzter Instanz dagegen. Wilfried Mohren einigte sich mit dem MDR auf ein Geständnis und € 300.000 Rückzahlung und erhielt 2 Jahre auf Bewährung. Der Rechtspolitiker der Süddeutschen Zeitung, Heribert Prantl, spricht bei solchen Urteilen von ausgehandelten Konsensprozessen, bei denen die Gerechtigkeit dumm da steht. Besonders der MDR war froh um diesen Deal, denn man wollte sich ungern tiefer in die Karten blicken lassen.

Auch bei der NDR Fernsehfilmchefin Doris Heinze hatten Drehbuchautoren schon seit über 10 Jahren den Verdacht, dass nach üblichen Qualitätskriterien kaum ein Drehbuch bei ihr unterzubringen sei. NDR Intendant Marmor bezeichnet sich als Kind des NDR und behauptet, er habe davon nichts gewusst. Die Spitze des Eisbergs, nämlich einige von Doris Heinze und ihrem Ehemann Claus Strobel unter falschem Namen veröffentlichte und verfilmte Drehbücher, wurden jetzt sichtbar. Nicht, weil die Revision im NDR so gut funktioniert, nein: die Süddeutsche Zeitung hatte den Druck soweit erhöht, bis Heinze wenigstens ein paar Fälle zugab. Und es war auch nicht das Medienressort der SZ sondern Hans Leyendecker, Spezialist für Korruption und organisierte Kriminalität. Als der Verband Deutscher Drehbuchautoren (VDD) darauf hinwies, dass die Vorwürfe gegen Heinze schon länger im Raum standen, warf ihm der Pressesprecher des NDR vor, seine Kenntnisse zurückgehalten zu haben. Das ist geradezu zynisch: Heinze hatte die Macht Drehbuchautoren, Regisseure und Produktionsfirmen zu engagieren oder abzulehnen und davon ausgiebig und lustvoll Gebrauch gemacht; Daumen rauf oder Daumen runter. Der Drehbuchautor, der diese Vorwürfe publik gemacht hätte, wäre für den Rest seines Autorenlebens gebrandmarkt gewesen und hätte wahrscheinlich nie wieder einen Fuß in eine öffentlich-rechtliche Redaktion gesetzt.

Uwe Steimle vom Dresdner Unikum, Kabarettist und als Kommissar Hinrichs Kultfigur im Schweriner Polizeiruf, beschwerte sich mehrmals und über einen längeren Zeitraum öffentlich über die schlechte Qualität der Drehbücher. Als unzumutbar bezeichnete er das Drehbuch zu seinem letzten Fall „Die armen Kinder von Schwerin“. Frau Heinze lud ihn ein zu einem Gespräch über die Perspektiven des Polizeirufs in Schwerin. Dort eröffnete ihm Thomas Schreiber, Unterhaltungschef des NDR, dass der Sender keine Versorgungsanstalt bis zur Rente für ihn (Uwe Steimle) sei. Das ist durchaus verständlich, denn der NDR musste sich schon um die Versorgung von Doris Heinzes Ehemann Claus Strobel und um die verschiedenen Phantome kümmern, die die beiden für ihre unsauberen Drehbuchgeschäfte erfunden hatten. Wie sich jetzt herausstellte kam das Drehbuch der „Armen Kinder von Schwerin“ von einem Pseudonym Heinzes. Der Vertrag mit Uwe Steimle wurde nicht verlängert.

Der Fall Heinze soll nun klein geredet werden: Prof. Lukas Hachmeister vom Institut für Medien- und Kommunikationspolitik, das ja auch praktisch zum NDR gehört, sagte in einem Interview mit Radio Bremen, dass der Fall Heinze nicht repräsentativ sei und der Schaden in etwa € 50.000 betrage. Wie Herr Hachmeister zu dieser Einschätzung kommt, bleibt sein Geheimnis, da dürfte eher die Sorge um seine eigenen Fördermittel das Motiv für diese Abwiegelung gewesen sein. Meiner Meinung nach ist der Fall Heinze jedoch durchaus kein Einzelfall und der finanzielle Schaden um ein Vielfaches höher: Jedes der 5 Drehbücher bringt sowohl für Regisseur als auch Drehbuchautor so um die € 100.000: Wiederholungen in den verschiedenen Programmen der ARD, Auslandsverwertungen, Tantiemen, Kopierausschüttungen, VG Wort etc inbegriffen. Bei den Produktionsfirmen sind die Beträge deutlich höher. Es geht bei Frau Heinze auch um viel mehr als um diese paar Drehbücher. Geschädigt wurde nicht nur der NDR, geschädigt wurden die Gebührenzahler, Drehbuchautoren, Regisseure und Produktionsfirmen, die alle um ihre Chancen betrogen worden sind. In einem lesenswerten Interview mit der SZ spricht Autor Fred Breinersdorfer von einem Klima der Angst, von Demut und von schwarzen Listen, die von Doris Heinze und ihren Kollegen auch in anderen Sendern erzeugt wurden, wo Redakteure die Macht haben und Drehbücher und ihre Verfasser austauschbar seien.

Was bei den öffentlich-rechtlichen Sendern durchaus verbreitet ist, findet sich auch in anderen öffentlichen oder zumindest öffentlich subventionierten Einrichtungen wieder.
Im Oktober 2009 gab die Stiftung Warentest die neue Zusammensetzung des Kuratoriums bekannt, diesmal für 4 Jahre. Dieses wichtige Gremium entscheidet, welche Produkte untersucht und wie die Tests durchgeführt werden. Ein wenig überrascht war ich schon, dass Gabriele Francke, die Geschäftsführerin der Verbraucherzentrale Berlin weiterhin dazugehört, zwar nur auf der Reservebank, aber das ist wahrscheinlich eher turnusbedingt. Der Fall Francke ist ein Lehrstück dafür, wie gute Kontakte zwischen leitenden Verbraucherschützern und Interessensvertretern sich positiv auf DIN-Normen und deren Zertifizierungen und auf die Untersuchungen der Stiftung Warentest auswirken.

Der Fachverband Deutscher Sprachreiseveranstalter hatte beim Deutschen Institut für Normung eine DIN-Norm in Auftrag gegeben nach der sich die meisten seiner Mitglieder zertifizieren ließen. Kurze Zeit später erschien ein ganzes Heft der Stiftung Warentest zum Thema Sprachreisen. Beide Publikationen sind eher schlecht bis inakzeptabel und gehen fast nur auf die Agenturen ein und nicht auf die eigentliche Sprachreise. Beim Testheft Sprachreisen werden neben zwei kleinen regionalen Anbietern nur Agenturen getestet, die Mitglied in dem Verband sind, obwohl es mehrere Hundert solcher Anbieter gibt, die nicht im Verband sind. Es war offensichtlich, dass irgendwas nicht stimmt, aber es fehlte der Zusammenhang. Als der Verband sich auf seiner Homepage der Zusammenarbeit mit der Geschäftsführerin der Verbraucherzentrale rühmte und wie froh man sei Frau Francke als Beraterin gewonnen zu haben, schloss sich der Kreis. Ein wenig Recherche und es war klar: Frau Francke hat bei der DIN-Norm mitgearbeitet und war als Kuratoriumsmitglied auch an der Entstehung und Durchführung des Sprachreise-Testhefts beteiligt. Ich habe diese unsäglichen Zusammenhänge auch hier auf den NachDenkSeiten veröffentlicht. Innerhalb kurzer Zeit waren die Internetseiten mit den Pressemitteilungen gelöscht und Frau Francke kommt auch nicht mehr auf den Internetseiten des FDSV vor. Es wäre interessant zu wissen, ob Frau Francke den Verband weiterhin berät, denn bisher wurde nur ihr Eintritt in den Verband bekannt. Die Tatsache, dass Frau Francke trotz dieser klaren und eindeutigen Interessenskonflikte weiterhin als Geschäftsführerin der Verbraucherzentrale Berlin fungiert und im Kuratorium der Stiftung Warentest bestätigt wurde, zeigt, wie wenig Interesse an Transparenz diese Institutionen haben, wie normal das Vorgehen von Frau Francke ist; es wird leider nur ganz selten publik. Eigentlich müsste man dem Verband dankbar sein, dass er uns so offen gezeigt hat, wie es geht, vorteilhaft mit führenden Verbraucherschützern zusammenzuarbeiten. Bei den Sprachreisen geht es eigentlich nur um Peanuts, wenn man etwa an die Zusammenarbeit mit Banken, Versicherungen, Krankenkassen, privater Altersvorsorge und Bausparkassen denkt.

Richtig Geld gibt es etwa für Anbieter und Vermittler bei der privaten Altersvorsorge wie Riester oder Rürup, Lebensversicherungen, Bausparverträge, Krankenkassen und Banken. Bei so einem Abschluss winkt dem Anbieter ein Vertrag über Jahrzehnte mit regelmäßigen monatlichen Eingängen, die durchaus bis zu € 1000 betragen können und davon profitiert auch der Vermittler. Im November lud das „Institut für Verbraucherjournalismus“ zu einem Praxis- Workshop für Journalisten „Altersvorsorge in Zeichen der Krise: von Aktien bis Wohnriester“. Das Institut für Verbraucherjournalismus ist an die FH Calw angegliedert und wird von Prof. Dr. Christoph Fasel geleitet. Fasel hat den Praxis-Workshop zum Thema Private Altersvorsorge organisiert und geleitet. Diese Veranstaltung stellte sich ganz schnell als Verkaufstraining für Wohn-Riester-Renten heraus, bei der sich keiner der Referenten auch nur ansatzweise kritisch zu Riester- und Rürup-Verträgen äußerte. Fast alle Referenten haben vom Verkauf dieser Produkte gelebt. Bei der Gründung des Instituts für Verbraucherjournalismus 2005 war der Chef der Stiftung Warentest Hubertus Primus und der Pressesprecher des Bundesverbands Verbraucherzentralen Carel Mohn im Beirat. Als Sponsoren konnte man neben dem Steuerzahler, also den Staat, auch noch Banken und Bausparkassen gewinnen. Zur Eröffnungsveranstaltung des Instituts kam auch Herman-Josef Tenhagen, der Chefredakteur von Finanztest. Zwei Jahre später, im November 2007, veröffentlicht Finanztest einen Beitrag über Riester-Fondssparpläne und spricht von durchschnittlich 9% Rendite im Jahr und rechnet vor, wie aus eingezahlten € 42.000 bei Rentenbeginn € 271.036 werden. Die so gelobten Fonds sind in den vergangenen 2 Jahren um gut 40% gefallen und die Betroffenen werden noch einige Jahre brauchen, bis sie den ersten Euro Rendite aus dieser Art der privaten Altersvorsorge ziehen.

Die Finanztest Hefte werden durch Steuergelder unterstützt. Auf der anderen Seite kennen sich Redaktion und Dachverbände der Versicherungen, Banken, Bausparkassen und Rentenvermittler ganz gut. Man trifft sich bei Vorträgen, Kongressen, auf Podiums- und Fernsehdiskussionen, bei Professor Fasel und in der Hotelbar. Und wie gute Kontakte zu leitenden Verbraucherschützern DIN-Normen und Testhefte positiv beeinflussen können, hat der Fall Francke gezeigt. Im Fall der privaten Altersvorsorge haben wir es mit brillanten Verkäufern und absoluten Profis zu tun, wie z.B. einige der Referenten beim Verkaufstraining von Professor Fasel. Der Dachverband für Riester-Renten würde auf seiner Homepage oder in Pressemitteilungen natürlich nie veröffentlichen, dass ein Redakteur von Finanztest oder der Geschäftsführer einer Verbraucherzentrale als Berater gewonnen wurde.

Wie kann man dem Steuerzahler garantieren, dass sich der staatlich geförderte Verbraucherschutz nicht auf diese Art von Nebengeschäften einlässt? Die andere Seite hat viel Geld und natürlich starke Interessen: ein positiver Bericht in Finanztest, ein wohlwollendes Interview mit dem Leiter einer Verbraucherzentrale ist mehr wert als ganzseitige Anzeigen in Spiegel, SZ und FAZ. Die staatlich subventionierten Verbraucherschützer sollten einen Ehrenkodex unterschreiben und Nebeneinnahmen öffentlich zugänglich machen müssen. Diese Menschen haben aufgrund ihrer Funktion eine Vertrauensposition und einen starken Einfluss auf die Kaufentscheidung deutscher Konsumenten. Sie stehen deshalb besonders im Visier von Interessensvertretern. Solange diese Institutionen mit öffentlichen Geldern subventioniert werden, hat der Steuerzahler ein Recht auf Transparenz und Unabhängigkeit.

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