Saarland: Der Grünen-New-Deal mit CDU und FDP
Die Grünen haben sich auf ihrem Parteitag in Saarlouis-Fraulautern endgültig geoutet. Sie bekennen sich endgültig als Öko-FDP und „Zünglein“ an der Waage zugunsten von Schwarz-gelb. Wolfgang Lieb
Die mit absoluter Mehrheit regierende CDU ist verbraucht, sie bedrückt die Menschen durch rücksichtslose Machtausübung, missachtet Bürgervoten und verhält sich obrigkeitsstaatlich (…)
Die Politik der Konservativen während der vergangenen zehn Jahre hat die soziale Spaltung des Landes vertieft (…)
Wir Grüne wollen dem Saarland eine bessere Zukunft bieten. Dazu ist es erforderlich die CDU-Regierung abzulösen.
So hieß es noch im Landtagswahlprogramm [PDF – 403 KB] der Saar-Grünen.
Obwohl es sowohl in den Programmen als auch in den Sondierungsgesprächen mit der Saar-SPD und der dortigen Linken weitgehende Übereinstimmung gab, folgten 117 der 150 Delegierten des Parteitages dem Vorschlag des Grünen-Landesvorsitzenden Hubert Ulrich und stimmten für die erste Jamaika-Koalition. Mit 5,9 % der Stimmen und gerade 3 Abgeordneten im Landtag wollen die Grünen den bei der Landtagswahl am 30. August 2009 mit einem Minus von 13% abgewählten Peter Müller als Ministerpräsidenten des Saarlandes auf seinem Amtssessel halten.
Vergessen ist die Hauptbotschaft im Wahlkampf: „Zeit für Veränderung“ und das Wahlversprechen: „Nach zehn Jahren konservativer Regierung brauche das Saarland dringend den Wechsel.“ [PDF – 52.9 KB] .
„Die CDU hatte ihre Chance“ [PDF – 51.2 KB] hieß es vor der Wahl und sie wird sie Dank der Grünen auch nach der Wahl wieder bekommen.
In den Medien wird von Wortbruch oder gar Wahlbetrug nicht die Rede sein. Solche Vorwürfe sind nur für irgendwie geartete Formen der Zusammenarbeit mit der Linkspartei bestimmt. Schon der Hinweis auf Oskar Lafontaine reicht offenbar aus, um die Lüge zur Staatsräson zu erklären. “Zu diesem Mann und zu dieser Partei habe ich keinerlei Vertrauen” sagte Ulrich. Dass die Wählerinnen und Wähler der Grünen ihm und seiner Partei nach dieser Fahnenflucht zu den Farben Jamaikas vertrauen, unterstellt er einfach als selbstverständlich. Der Landesvorsitzende Ulrich hatte auf dem Parteitag sogar noch die Chuzpe zu wiederholen: „Es muss im Saarland einen echten Politikwechsel geben“. Aus den Stimmen für den Wechsel werden jetzt halt Stimmen für die vor den Wahlen noch als „verbraucht“ geltende Union und für die wirtschaftsliberale FDP.
Die Linke hat damit mit ihrer Attacke auf die Grünen vor der Wahl Recht behalten: „Wer grün wählt, wird sich schwarz ärgern.“ Der Ärger dürfte sich jetzt bei Vielen sogar in schwarz-gelb färben.
Der Verdacht, dass die Grünen umfallen würden, war offenbar nicht unbegründet. Umso heftiger muss Ulrich natürlich gegen diejenigen polemisieren, die schon vor der Wahl den Wortbruch vorhergesagt haben. Hubert Ulrich war schließlich kein unbeschriebenes Blatt, er hat Erfahrungen mit Schwarz-Grün: Schon 1994 ließ er sich in Saarlouis von der CDU zum Stellvertreter des Landrats wählen.
Was für die Grünen im Saarland gilt, trifft auch für die Bundespartei zu. Wenn man die Entwicklung der Grünen in den letzten Jahren etwas genauer beobachtete, haben sie ihre Zuneigung zu den Konservativen und zum „bürgerlichen“ Lager nur noch verschämt unter der Decke gehalten. Jetzt haben Sie sich nach Hamburg endlich vollends geoutet. Und die überwiegende Mehrheit der Delegierten in Saarlouis-Fraulautern sagte dazu, „das ist auch gut so!“ Die Grünen haben sich längst zur Öko-FDP gewandelt, die Unterschiede zu den Liberalen bestehen nur noch darin, dass die Grünen den Tierschutz und die Bio-Nahrung statt der Bürgerrechte als Spezifikum ein wenig mehr nach vorne stellen. Die Saarländischen Grünen vollziehen nur nach, was ihre Anhänger laut Umfragen schon längst signalisieren: Anhänger der Grünen bevorzugten es zu 87 Prozent, lieber mit Angela Merkel die Macht zu teilen, als gegen eine Regierung Merkel-Westerwelle Opposition machen zu müssen, berichtete die Welt Dass nun auch noch das Tabu gegenüber der FDP gebrochen wurde, ist nur konsequent, haben sich die Bundesgrünen doch auch nicht gegen das Buhlen des SPD-Kandidaten Steinmeier um die FDP für ein Ampelbündnis gewehrt.
Den drei in den Landtag eingezogenen Abgeordneten sind von der CDU angeblich schon zwei Ministerposten versprochen, der zu kurz gekommene dritte Mandatsträger wird mit Sicherheit Landtagsvizepräsident mit Dienstwagen. Eine bessere Ausbeute konnte selbst die kleine FDP in ihre besten Zeiten kaum zu erzielen.
Die schon erzielten, angeblich schriftlich bestätigten Zugeständnisse der ausschließlich am Machterhalt interessierten CDU werden sich – wie in Hamburg – schon bald als „vergiftete Geschenke“ entpuppen: Zusammenfassung von Real- und Hauptschulen, dort wo sich Hauptschulen eben ohnehin nicht mehr halten lassen und vielleicht 6 Jahre gemeinsamer Unterricht und dafür die Förderung von Privatschulen, wie die FDP das wünscht und es der Grünen Klientel nicht unrecht ist. Die allgemeine Studiengebühr als nachgelagerte Gebühr, wie bei Schwarz-Grün an der Elbe. Über den Atomausstieg wird ohnehin in Berlin und nicht im Saarland entschieden, genauso wie über den Steinkohlebergbau. Die Schulden des Saarlandes in Höhe von 813 Millionen bei einem Haushaltsvolumen von 3,46 Milliarden Euro können mit der Steuersenkungspartei FDP sicherlich auch nicht abgebaut werden. Doch wen werden solche Kehrtwendungen noch aufregen? Von der Bedingung eines Vetos des Saarlandes im Bundesrat gegen einen sozialen Kahlschlag durch Schwarz-Gelb im Bund hat man bisher nichts gehört. Das wäre auch überraschend, ist doch Ulrich ein überzeugter Verfechter der Agenda-Politik seit eh und je.
Der erste Test mit „Jamaika“ zeigt, dass alle Hoffnung auf eine Mehrheit links des „bürgerlichen“ Lagers aufgegeben werden müssen. Die SPD darf nur noch die sitzengelassene Braut spielen. Dass nun die Grünen auch noch die letzte Hürde zur FDP übersprungen haben, ist nur aber konsequent, hat sich die Bundespartei auch nicht gegen das Buhlen von Steinmeier um die FDP für ein Ampelbündnis gewehrt. Wer wollte sich also in der SPD über ein Zusammengehen der Grünen mit den „Liberalen“ beschweren?
Der SPD-Landesvorsitzende Heiko Maas kann sich seine Ambitionen auf das Ministerpräsidentenamt nun abschminken. Beklagen kann er sich allerdings noch nicht einmal richtig, hat doch gerade sein Parteifreund Matschie in Thüringen vorgemacht, wie man sich gegen einen Politikwechsel und für die Unterstützung einer vom Wähler abgestraften Regierung von der CDU entscheiden kann. Was die SPD in Thüringen kann, können die Grünen im Saarland schon lange: Sie können nicht nur mit Schwarz, sie können sogar mit Schwarz-gelb.
Fehlt eigentlich nur noch, dass Platzeck in Brandenburg auch mit der CDU zusammengeht.
Die Methode von CDU, FDP, SPD und Grünen für eine Politik des „Weiter-so“ (man nennt das jetzt beschönigend „Stabilität“) ist in Deutschland ziemlich einfach gestrickt: Man erkläre die Linkspartei zum leibhaftigen Teufel und Lafontaine zum Beelzebub und schon darf man jedes politische Versprechen brechen und alle Prinzipien über Bord werfen. Und man kann sogar sicher sein, dass die veröffentlichte Meinung diesen Betrug am Wähler in den Himmel hebt. (So sogar die taz)
Man wird jetzt zwar von ganz neuen „Bewegung in den politischen Lagern“ reden, doch in Wahrheit bewegt sich politisch gar nichts oder es gibt allenfalls kosmetische Korrekturen. Diese Methode wird so lange funktionieren, so lange man den Wählerinnen und Wählern immer noch einreden kann, es handle sich bei CDU, FDP, SPD und Grünen um Parteien, die wirklich unterschiedliche Konzepte vertreten.
Den Grünen könnte es ab jetzt so gehen, wie der SPD. Sie dürften kleiner werden, haben aber weniger zuzusetzen als die SPD.