Wer die Methoden der Manipulation kennt, kann sich besser vor Fremdbestimmung schützen
Wir sind täglich neuen Versuchen der Manipulation ausgesetzt – sehr wirksamen, wie man am Beispiel des Afghanistan-Einsatzes und der ausbleibenden Sanktionen gegenüber unseren Führungspersonen studieren kann. Zwar lesen wir immer wieder, es gebe eine Mehrheit in Deutschland gegen den militärischen Einsatz in Afghanistan. Aber diese Mehrheit schlägt sich nicht wirklich in Ablehnung gegenüber den Hauptverantwortlichen nieder. – Die Reaktion der Bundeskanzlerin und der anderen Verantwortlichen auf das Bombardement der Tanklastzüge zeigt, wie die Meinung in den Medien und unter uns gemacht werden muss, um Sanktionen zu minimieren. Albrecht Müller
Die Methoden der Manipulation sind bei uns kein öffentliches Thema. Die Mehrheit kennt sie nicht und durchschaut sie nicht, obwohl es sich dabei um ziemlich einfach zu erkennende Tricks handelt, die wir teilweise sogar aus unserem Alltagsleben kennen. Aus diesem Grund ist in „Meinungsmache. Wie Wirtschaft, Politik und Medien uns das Denken abgewöhnen wollen“ diesen Methoden ein eigenes Kapitel gewidmet (Kapitel 10) und wird dann bei der Beschreibung der Möglichkeiten zum Aufbau einer Gegenöffentlichkeit darauf Bezug genommen. Hierzu der Auszug aus „Meinungsmache“, Seite 426 bis 428:
Die Methoden der Manipulation kennen und durchschauen
Auch unter Gleichgesinnten ist es nicht leicht, skeptisch zu sein.
Der Kopf rät zum Misstrauen, und das Gefühl verlangt nach Vertrauen.
Zum Zweifeln muss man sich entschließen und es gemeinsam mit anderen systematisch betreiben. Dabei hilft die Kenntnis der Methoden der Manipulation, die oben ausführlich beschrieben sind:
- Wiederholung. Zum Beispiel: »Demographischer Wandel und Globalisierung sind die beiden großen Herausforderungen« oder: »Die Finanzkrise kam aus Amerika«.
- Eine Botschaft wird von verschiedenen, sich unterscheidenden Absendern ausgesendet. Dann wird sie glaubwürdiger.
- Nutzung des guten Klangs eines Wortes für einen anderen Zweck. Bestes Beispiel: »Reform«.
- Gruppenspezifischer Jargon. »Freiheit«, »Leistung muss sich wieder lohnen« – solche Floskeln haben zwar kaum einen Bezug zur Realität, aber um bei der Mehrheit der üblichen Talkshowgäste oder beim Auditorium von Guido Westerwelle zu bestehen, reichen die Signale.
- Affirmativ auftreten. Das können Angela Merkel und Peer Steinbrück wie auch schon Gerhard Schröder herausragend gut. Sie können belanglose Sachen als höchst bedeutsam verkaufen und Falsches als völlig richtig erscheinen lassen.
- Die selbstverständliche Gültigkeit in der Sprache anklingen lassen. »Wie wir alle wissen«, »wie schon bekannt ist«, …
- Auf Experten berufen. Die gängige Methode bei Börsensendungen, Wirtschaftsnachrichten und vielen anderen Foren.
- »Tina«: There is no alternative. »Es gibt keine Alternative.«
- Pars pro toto. Was für einen Teil gilt, wird auf die Gesamtheit als gültig übertragen.
- Übertreibung. »Wortbruch«, »Freiheit statt Sozialismus«, »Gnadefür die 68er« – Motto: Irgendwas bleibt immer hängen.
- Mit der Botschaft B wird die Botschaft A transportiert. Bewusst und unterbewusst und erst recht geplant wird diese Methode häufig eingesetzt.
- Der (strategisch geplante) Konflikt zwischen zwei Personen als Transportband für eine zu vermittelnde Meinung.
- Verschweigen, weglassen, ausblenden. Das gilt unter anderemfür die gesamten Fehler der Regierung Kohl und ihrer Berater bei der Gestaltung der deutschen Vereinigung, insbesondere der wirtschaftspolitischen Entscheidungen.
- Umfragen nutzen, um Meinung zu machen. Dieses Instrument wird ständig gebraucht. Achten Sie einmal darauf, was »Stern« und »Spiegel Online« mit Hilfe von Forsa-Umfragen anstellen. Geradezu »mustergültig«.
Wer diese Tipps kennt und beachtet, wird Meinungsbildungsvorgänge leichter durchschauen. Das ist eine wichtige Basis für den Aufbau einer Gegenöffentlichkeit.
In der jüngsten Debatte um den Afghanistan Einsatz und speziell um das Bombardement können Sie gleich eine Reihe der skizzierten Methoden wieder entdecken:
- Die Bundeskanzlerin tritt affirmativ und aggressiv auf. Sie verbittet sich eine Vorverurteilung. Mit scharfen Worten an die Kritiker übertüncht sie die Erfolglosigkeit des Einsatzes und die Ratlosigkeit auf Seiten des Westens und der NATO.
- Sie greift andere NATO-Länder an. Steinmeier greift zusätzlich die Linksfraktion an. – Konflikt als Transportmittel der Botschaft, recht zu haben.
- Alle etablierten Bundestagsparteien behaupten weiter, was sie bisher immer behauptet haben: der Afghanistan-Einsatz sei notwendig gewesen. Westerwelle lobt Angela Merkel mit der zur Manipulation notwendigen Übertreibung: „Sie habe für Deutschland gesprochen.“ Und Westerwelle weiter: „Das ist kein Wahlkampfmanöver. Hier geht es um unser Land.“ – Wenn die Behauptung von der Richtigkeit des Afghanistan-Einsatzes aus verschiedenen Ecken, von FDP und SPD, von CDU und Grünen in gleicher Weise vorgetragen wird, dann fällt es der Mehrheit der Menschen schwer, daran zu zweifeln, und noch schwerer, die politischen Konsequenzen zu ziehen, also diesen Parteien die Gefolgschaft aufzukündigen.
- Es gibt keine Alternative – so wird einvernehmlich behauptet.
- Mit Botschaft B. die Botschaft A. bestätigen – das gelingt meisterhaft z.B. mit einem Satz, dessen Wahrheitsgehalt man nicht hinterfragen darf, der aber als Kombination aus zwei Satzteilen jenseits der Logik schon sitzt: „Wir sind in unser Engagement nicht kopflos hineingestolpert, können deshalb auch nicht einfach kopflos heraus.“ Das ist eine meisterhafte Manipulation. Mit dem zweiten Teilsatz wird der erste Teilsatz als richtig unterstellt, und mit dem ersten Teilsatz der Sinn des zweiten belegt.
Es ist ja alles andere als richtig, dass die Bundesregierung nicht kopflos hineingestolpert sei. Sie hat kopflos die These übernommen, dass der Terror des 11. September vor allem von Afghhanistan ausgegangen sei und dass es deshalb einen Sinn mache, sich dort militärisch zu engagieren. Sie hat kopflos die These vertreten, unsere Sicherheit werde am Hindukusch verteidigt. - Zentrale Fragen und Antworten werden verschwiegen: Ist unser Land und unser Leben durch das militärische Engagement am Hindukusch sicherer geworden? Haben wir eine politische Formation in Afghanistan und mit Karzai eine Person unterstützt, die unseren Werten entsprechen? Drogendealer, Wahlfälscher, finanziell interessierte Oberschichten und Warlords? Ist der Einsatz ein Erfolg, wenn die NATO-Militärs jetzt immer mehr erkennbar im wesentlichen nur noch sich selbst schützen? Welche Auswirkungen hatte das militärische Engagement auf die Möglichkeiten ziviler Hilfe?
Wenn Sie die auch bei diesem Thema angewandten Methoden der Meinungsmache durchschauen, dann gelingt ihnen auch die Befreiung von der betriebenen Manipulation. Unsere Anregung: mit anderen über die angewandten Methoden sprechen, die Debatte mithilfe dieses Suchrasters weiterverfolgen.
Das ist gerade bei diesem Thema wichtig, weil wir genauso kopflos wie bei der Entscheidung für den Afghanistan-Einsatz in noch viel gefährlichere Einsätze getrieben werden könnten, so z.B. im Fall Iran oder Pakistan.
Übrigens: Der Rückzug ist nicht einfach. Aber wenn man wie die etablierten Parteien das konstruktive Nachdenken darüber ächtet, wird man auch keine konstruktiven Lösungen finden. Und diese vielleicht auch gar nicht finden wollen. Von Steinmeier gab es in der Debatte einen Schlüsselsatz: Dass viele nun raus wollten aus Afghanistan könne er nachvollziehen. Aber dies sei unpolitisch und unhistorisch und deshalb nicht zu verantworten. Man dürfe nicht vergessen, berichtet die TAZ über Steinmeiers Rede am 9. September, dass „das Nein zu Irak und das Ja zu Afghanistan zusammengehören.“ Wir sind also nicht um unserer Sicherheit und der Menschen in Afghanistan willen dort militärisch engagiert, sondern den USA, Großbritannien und vermutlich der gesamten NATO zuliebe – und als Wiedergutmachung, weil wir Nein zum Irakkrieg gesagt hatten.