Kriegsgefahr. „Die Trump-Revolution marschiert“
So der Handelsblatt Herausgeber Gabor Steingart in seinem heutigen „Morning Briefing“. Bei vielem, was dieser Publizist und Autor früher geschrieben hat und auch heute gelegentlich schreibt, kann man sich nur die Augen reiben. Was er heute aus Washington, offensichtlich nach vielen Gesprächen, in seiner Morgen-Botschaft abgesetzt hat, ist eindrucksvoll und zugleich beängstigend. Es geht um Krieg und Frieden. Wir haben uns deshalb erlaubt, seinen Text kommentierend zu übernehmen. Dies tun wir in der Annahme, dass er seine Botschaft möglichst weit verbreitet haben will. Albrecht Müller.
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Dienstag, 10.10.2017
Guten Morgen Herr Müller,
Amerika erlebt einen politischen Hurrikan, dessen Zentrum sich zwischen State Department, Weißem Haus und Capitol Hill in ständiger Bewegung befindet und dessen Thermodynamik wir in Europa bald zu spüren bekommen. Es geht um Fragen zu Krieg und Frieden, auch wenn sie sich derzeit hinter einer Nebelwand von persönlichen Anschuldigungen zu verbergen scheinen.Kaum hat Außenminister Rex Tillerson seinen Präsidenten in vertrauter Runde einen „Deppen” genannt, meldet sich via Twitter der dem Außenminister eng verbundene Senator Bob Corker zu Wort, seines Zeichens oberster Republikaner im Auswärtigen Ausschuss des Senats. Es sei eine Schande, dass sich das Weiße Haus zu einem „adult day care enter“, einer Seniorentagesstätte, entwickelt habe.
Im Interview mit der „New York Times“ begründet der Mann seine harschen Worte so: „Ich weiß aus gesicherter Quelle, dass die Mitarbeiter im Weißen Haus an jedem einzelnen Tag alles geben, ihn einzudämmen.“ Ihn – den Präsidenten. Eindämmen – damit waren einst die Russen gemeint. Mit seinen unbeherrschten verbalen Angriffen auf andere Länder riskiere Trump, dass sich die Nation „auf den Weg in Richtung eines Dritten Weltkriegs begebe“.
Zum Hintergrund: Seit Wochen versucht Tillerson hinter den Kulissen eine diplomatische Offensive gegen Nordkorea zu starten, um den amerikanischen Erstschlag zu verhindern. Er kennt die euphorische Gereiztheit seines Chefs, der zum Gegenspieler geworden ist. In unzähligen Einzelgesprächen fordert, fast muss man sagen fleht, Tillerson die Staaten – auch die Bundesregierung – an, jegliche Geschäftsbeziehungen zu Nordkorea zu unterbrechen und die nordkoreanischen Botschafter nach Hause zu schicken. Trump aber sabotiert seinen eigenen Minister: „Spar dir deine Energie Rex, wir werden tun, was getan werden muss“, twitterte er vor einer Woche. Am Samstag legte er nach: „Sorry, but only one thing will work.“ Bei einem Treffen mit Militärs sprach er von der „Ruhe vor dem Sturm“. Auf Reporternachfragen verweigerte das Weiße Haus jede Erläuterung.
Zwischenbemerkung Albrecht Müller: Der Herausgeber des Handelsblatts macht offensichtlich ähnliche Beobachtungen wie jene, die RT Deutsch am 24. September 2017 beschrieben hat: „Schlafwandelnd in den Atomkrieg: Wie sich die USA auf den Erstschlag vorbereiten“
Weiter im Text des Herausgebers des Handelsblatts:
Hinzu kommt: Stephen Bannon, der rechte Trommler von Donald Trump, hat zwar das Weiße Haus verlassen, aber nicht das politische Theater. Er arbeitet jetzt hinter den Kulissen. „Darkness is good“, sagt er. Zusammen mit Geldgebern wie Hedge-Fonds-Milliardär Robert Mercer sucht er politische Außenseiter vom militärischen rechten Rand, die bereit sind, gegen das republikanische Establishment für den Senat zu kandidieren.
Derart ermuntert erwägt der Gründer der privaten Söldnerarmee Blackwater, Erik Prince, dessen Truppen im Irak und anderswo in Menschenrechtsverletzungen verwickelt waren, eine Kampfkandidatur. Wer sehen will, der sieht: Trump stolpert zwar durch unsere Zeitungen, aber die Trump-Revolution innerhalb der großen konservativen Regierungspartei der USA stolpert nicht. Sie marschiert.
Und Deutschland? Wirkt angesichts des heraufziehenden Sturms wie narkotisiert mit jenem Betäubungsmittel, das sich Parteipolitik nennt. Es geht im Berlin der Koalitionsspiele nicht um Krieg oder Frieden, sondern um eine Obergrenze ohne Grenze, um Richtwerte, die nichts richten und daher auch keine Wertigkeit besitzen. Die deutsche Debatte spiegelt nicht die Wirklichkeit, sondern die parteipolitischen Interessen wider. Eine Obergrenze für Weltabgewandtheit scheint es nicht zu geben.
Der amerikanische Sturmvogel, der vom heraufziehenden Unheil kündet, bleibt so unbemerkt. In Sachen Trump gibt es jede Menge Polemik, aber keine ernst zu nehmende Politik. Aus Gründen der Bequemlichkeit hat man sich entschlossen, ihn zu unterschätzen. Wir haben Sorgen. Aber er hat einen Plan. Wir wollen Ruhe, er den Sieg. Im Geschichtsbuch möchte er als der Mann auftauchen, der Amerikas Abstieg verhindert hat. Dafür braucht er die Hände der Footballspieler am Herzen und die der gewöhnlichen Amerikaner am Gewehr. All die Sorgen um die Brutalisierung der Gesellschaft bekümmern ihn nicht, sondern putschen ihn auf.
Sebastian Haffner beschreibt in seiner „Geschichte eines Deutschen“ die Atmosphäre der Vorkriegsjahre, die in ihrer vorsätzlichen Ahnungslosigkeit an die Gegenwart erinnert: „Alle waren rettungslos eingespannt in ihren Beruf und ihren Tagesplan, abhängig von tausend Unübersehbarkeiten, Glieder eines unkontrollierbaren Mechanismus, auf Schienen laufend gleichsam und hilflos. […] Wir bewegten uns mit einer Sorglosigkeit, mit der die Menschen in einem modernen, käfiglosen Zoo zwischen den Raubtieren herumgehen, im Vertrauen darauf, dass die Gräben und Hecken alle richtig berechnet sind. […] Nur in der täglichen Routine ist Sicherheit und Weiterbestehen – gleich daneben fängt der Dschungel an.“
Ich wünsche Ihnen einen nachdenklichen Start in den neuen Tag. Es grüßt Sie herzlich aus Washington Ihr
Gabor Steingart
Herausgeber
Schlussbemerkung Albrecht Müller: An diesem Text des Handelsblatt-Herausgebers wird sichtbar, dass die Sorge um Krieg und Frieden nicht nur im linken Milieu um sich greift.