Die „linke“ Hälfte wird bei den Wahlen vermutlich enttäuscht abschneiden

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Nach meinem Eindruck werden vor allem SPD und Die Linke bei den heutigen Wahlen unter ihren Möglichkeiten bleiben. Das hat bei der SPD viel damit zu tun, dass sie sich inhaltlich bis auf wenige Ausnahmen dem neoliberalen Glaubensbekenntnis angepasst hat. Hinzu kommt der wahltaktische Fehler, dass sie sich trotz dieses faktischen eigenen Rechtsruckes einen Linksruck anhängen lässt. Dass die Linkspartei vermutlich unter ihren Möglichkeiten bleibt, hat ganz wesentlich mit einer bemerkenswert mangelhaften Wahlkampfführung zu tun. Seit langem ist erkennbar, dass die Strategie der anderen Parteien wie auch der Wirtschaftsverbände darauf zielt, die Linkspartei zu stigmatisieren und im konservativen bis liberalen Wählerbereich einen Antikommunismuswahlkampf wie in den fünfziger Jahren zu führen. Diese Kampagnen strahlen ab auf die potentiellen Wähler der Linkspartei. Sie werden verunsichert und fallen über weite Strecken als Multiplikatoren aus. Albrecht Müller

Dass dies so läuft, musste die Wahlkampfführung der Linkspartei wissen. Sie bekommt schließlich jeden Tag Artikel wie diesen in Spiegel Online auf den Tisch:

06. Juni 2009, 11:57 Uhr
POLITIKER BRIE
“Ob die Linkspartei Lafontaine überdauert, ist offen”

Ein Querdenker rechnet ab: André Brie, der prominenteste innerparteilicher Gegner von Oskar Lafontaine, erhebt im SPIEGEL schwere Vorwürfe gegen den Linken-Chef: Autoritärer Stil und Machtspielchen drohten, “die Linkspartei in die politische Wirkungslosigkeit” zu führen.
Quelle: Spiegel Online

Besonders interessant ist das Foto. Lafontaine hier und bei anderen Medien systematisch mit verzerrtem Gesicht, mit offenem Mund oder mit rotem Kopf dargestellt. Im konkreten Fall fällt das besonders auf im Vergleich zur Darstellung des Kritikers Brie.

Das ist nur ein Fall von Hunderten mit einer permanenten und strategisch ausgedachten Meinungsmache: extremistisch, populistisch, kein Programm, alte Kommunisten, gegen Europa und so weiter.

Diese Kampagnen rechtzeitig zu beobachten wäre kein Meisterstück gewesen. Jeder Wahlkampfpraktikant ist fähig, so etwas zu analysieren. Neben der Analyse ist auch die Therapie in einem solchen Fall klar. Wenn man nicht Opfer solcher Kampagnen werden will, dann muss man sie vorhersagen, dann muss man die Hintergründe offen legen, vor allem muss man immer wieder öffentlich erklären, dass es sich hier um eine gezielt angelegte Kampagne handelt, in die sich im konkreten Fall auch Parteifreunde einspannen lassen.
Die Wahlkampfführung muss in einem solchen Fall die eigenen Anhänger und potentiellen Wähler immunisieren.

Das ist keine graue Theorie. Ich habe eine solche Gegenstrategie als Verantwortlicher für den Wahlkampf der SPD im Jahr 1972 und auch später als Berater für Wahlkämpfe auf Bundes- und Landesebene mit anderen zusammen und mit Erfolg praktiziert.

Die Wahlkampfführung der Linkspartei hat diesen Bedarf offenbar nicht begriffen. In den Pressemitteilungen der Parteiführung und Geschäftsführung der Linkspartei aus den letzten vier Wochen kommt kein einziges Mal auch nur der Versuch vor, die Medienbarriere und die Kampagnen der Gegenseite zu einem Thema zu machen. Offenbar sind sich die Verantwortlichen zu schade dafür. Auch deshalb wird die Linkspartei unter ihren Möglichkeiten bleiben.

Bei der SPD kann man übrigens ähnliches beobachten. Sie hat auch keinerlei Biss entwickelt, um mit den Kampagnen von Schwarz und Gelb offensiv umzugehen. Sie ist nur aggressiv gegen Die Linke. Das könnte ihr Wählerpotenzial in dieser Richtung etwas erweitern, das Wählerpotenzial der linken Hälfte wird aber über eine solche Taktik nicht erweitert sondern verengt.

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