Sharing Economy – Turbokapitalismus im modernen Gewand. (1/3 – Der Uberfall)
„Die neue Ökonomie des Tauschens und Teilens wird ihren Siegeszug über das bisherige Wirtschaftssystem antreten – und sogar zum Niedergang des Kapitalismus führen“ Dieses Zitat stammt von Jeremy Rifkin, dem wohl bekanntesten „Politikberater“ der Gegenwart, der sowohl die EU-Kommission, als auch Angela Merkel sowie Sigmar Gabriel zu seinen Kunden zählt. Heute propagiert vor allem das Silicon Valley das „Teilen“ als ökologische und ökonomische Revolution, die dank der modernen Informations- und Kommunikationstechnologie nun die Menschheit beglücken soll. Hinter solch wolkigen Versprechungen steckt jedoch eine neue Abart des Kapitalismus, die darauf abzielt, die Billionen-Vermögen der Wall Street und der Tech-Milliardäre aus dem Valley zu mehren. Vor allem für Europa ist dies jedoch auch ein Kampf der Kulturen, der wohl schon bald mit neuer Härte geführt wird und auf die Grundfesten des kontinentaleuropäischen Gesellschaftsmodells zielt. Der volkswirtschaftliche Schaden dürfte enorm sein. Von Jens Berger.
Was ist so fürchterlich innovativ daran, eine Plattform zu entwickeln, über die Nutzer via Smartphone einen Fahrer finden, der sie von A nach B bringt und dafür 20% Provision abzukassieren? Zahlreiche derartige Lösungen gibt es seit rund zehn Jahren und sie sind mittlerweile das Normalste auf der Welt. Wie kommt es dann, dass ausgerechnet das Silicon-Valley-Unternehmen Uber in aller Munde ist und auf rund 60 Milliarden Dollar taxiert wird? Und was ist innovativ daran, Zimmer, Wohnungen oder Häuser via Internet an Touristen anzubieten? Derartige Vermittlungen gibt es wie Sand am Meer, doch seit das Silicon-Valley-Unternehmen Airbnb kräftig die Werbetrommel rührt, ist es vor allem bei Jüngeren total hipp, sich über diese Plattform eine Unterkunft zu buchen.
Erstaunlich ist vor allem, dass diese Unternehmen mit einem „postmaterialistischen Tauschmodell“ in Verbindung gebracht werden. Schauen wir uns doch mal das Geschäftsmodell im Detail an.
Uber – Revolution des Individualverkehrs oder Anstiftung zur Schwarzarbeit?
Laut der Gründungslegende von Uber bekamen die beiden Unternehmensgründer Garrett Camp und Travis Kalanick während einer Tech-Messe in Paris kein Taxi und überlegten sich dann, wie toll es doch wäre, ganz einfach über eine App eine Limousine ordern zu können. Warum nahmen sie nicht die Metro? Laut Kalanick ging es vor allem darum, dass „Garret sich wie ein verdammter Zuhälter fühlen kann”. Und dafür braucht man offenbar eine Limousine mit Fahrer. Und es ging um „Brüste“, die man sich aufgrund seines Reichtums „kommen lassen kann“, wie Kalanick es einmal der GQ erzählte. Zumindest in diesem Punkt dürfte Kalanick, der erst letzte Woche von den Investoren, die er schon mal frank und frei als „Huren und Betrüger“ bezeichnete, abgesetzt wurde, sein Ziel erreicht haben: sein Privatvermögen wird heute auf 5,1 Milliarden Dollar taxiert.
Aber was macht Uber eigentlich genau? Nach Eigendarstellung ist Uber die moderne Version von dem, was bei uns an der Uni früher als „Mitfahrbrett“ bezeichnet wurde – die technische Umsetzung einer virtuellen Mitfahrzentrale, bei der Fahrer und Mitfahrer miteinander in Verbindung gebracht werden. Eine tolle Idee! Oder? Das Problem ist, dass Uber vieles ist, aber definitiv keine Mitfahrzentrale. Bei einer Mitfahrzentrale sucht ein Fahrer, der den Zielort und das Reisedatum vorgibt, nach interessierten Mitfahrern, die sich dann mit einem kleinen Obolus am Spritgeld beteiligen. Tauschen und Teilen.
Eine klassische Dienstleistung in der Verkleidung einer Mitfahrzentrale
Bei Uber ist es jedoch genau umgekehrt – hier geben die Mitfahrer Zielort und Datum vor, um einen Fahrer zu finden, der sie gegen ein von Uber festgelegtes Entgelt von A nach B bringt. Eine ganz normale Dienstleistung. So etwas gibt es freilich schon seit Ewigkeiten. Erst waren es die Droschken und Rikschas, heute nennt sich diese Dienstleistung Taxi. Auch vor der Gründung von Uber gab es schon Apps, die Taxifahrer und Gast bequem zueinander führten. Der große Unterschied zwischen einem Taxi und Uber ist: Das Taxen-Gewerbe ist weltweit mehr oder weniger reguliert, Uber umgeht jegliche Regulierung, indem es sich als Mitfahrdienst maskiert.
Ein Taxenunternehmer mit angestellten Fahrern bezahlt Steuern, die anteiligen Sozialversicherungsleistungen für seine Mitarbeiter, muss sich an Arbeitszeitregeln, Arbeitsschutzbestimmungen und Tarifvereinbarungen halten und hat strenge Auflagen für seine Fahrzeuge. Die müssen speziell versichert sein und unterliegen strengeren technischen Auflagen als private Autos. Die Fahrer selbst müssen ihren gesundheitlichen Status regelmäßig checken lassen und Ortskenntnis durch eine Prüfung beweisen. Wenn sie selbstständig sind und Vermittlungsgebühren an eine Taxizentrale abführen, müssen sie ihre Sozialabgaben und die hohen Fixkosten für den technischen und administrativen Mehraufwand selbst tragen. Es ist verständlich und auch richtig, dass ein solcher ordentlich wirtschaftender Fahrer auch einen bestimmten Fahrpreis nehmen muss, um über die Runden zu kommen.
Der private Fahrer bei Uber hat dies alles nicht. Er ist laut Uber ja ein Privatmann. Ob, wo und wie er sozialversichert ist, interessiert Uber nicht. Arbeitszeiten? Arbeitsschutz? Für Privatleute? Aber nicht doch. Und die Auflagen, die aus gutem Grund für Taxen gelten, gelten doch nicht für Privatleute, die mal jemanden mitnehmen. Steuern? Mal ganz ehrlich – versteuert ein Student etwa die Spritgeldumlage, die er von seinen Mitfahrern bekommt, die er am Wochenende mit in seine alte Heimat nimmt? Das sind natürlich Ausflüchte und Ausreden, die durchaus diskutabel wären, wenn Uber wirklich eine Mitfahrzentrale wäre. Dem ist aber nicht so.
Fahrer bei UberPoP – so heißt das Angebot korrekt, um das es hier geht – sind in der Regel eben keine Studenten, die einen Mitfahrer für die Heimfahrt am Wochenende suchen. Bei einer Mitfahrzentrale dürfen die Fahrer – nach deutschen und den meisten internationalen Gesetzen – nun einmal keine Gewinnerzielungsabsicht haben, sondern nur kostendeckend arbeiten. Uber-Fahrer sind jedoch Unternehmer im eigentlichen Sinne. Sie nehmen Marktpreise, die meist bei ca. 80% des ortsüblichen Taxipreises liegen und damit mehr als kostendeckend sind. Wer den ganzen Tag hinter dem Steuer sitzt, um Menschen gegen Entgelt von A nach B zu bringen, ist ein gewerbsmäßiger Chauffeur, für den dann auch die Auflagen gelten müssen, die „normale“ Chauffeure von Mietwagen und Taxifahrer haben. Alles andere ist wettbewerbsverzerrend.
Diese Wettbewerbsverzerrung ist auch das eigentliche Geschäftsmodell von Uber. Würden die Uber-Fahrer ihre Fahrzeuge zu den gleichen Bedingungen wie herkömmliche Mietwagen oder Taxen versichern, kämen schon einmal rund 500 Euro Mehrkosten pro Monat auf sie zu. Würden sie Steuern zahlen und selbst in die Sozialkassen einzahlen, wie es ihre Kollegen aus dem Taxi-Gewerbe ja auch tun, könnten sie von den Dumpingpreisen, die sie vom Kunden verlangen, nicht leben. Das Geschäftsmodell von Uber setzt also einzig und allein darauf, dass die Fahrer keine Steuern abführen und sich entweder gar nicht oder über einen anderen Arbeitgeber bzw. den Sozialstaat (z.B. als Hartz-IV-Empfänger) absichern lassen. Das ist nicht innovativ, sondern schlicht Anleitung zum Steuer- und Sozialbetrug.
Uber lässt sich die Vermittlung übrigens mit 20% vom Fahrpreis vergelten. Man kassiert also bei jeder Fahrt mit, macht sich jedoch einen schlanken Fuß, wenn es um die Verantwortung geht. Das ist keine Ausnahme, sondern hat Methode, denn hinter Uber steht auch eine Ideologie.
In den Fußstapfen von Ayn Rand gegen Regulierungen, Gesetze und den Staat
Mitgründer und Langzeit-CEO Kalanick gilt als Fan der libertären Vordenkerin Ayn Rand und des Libertarismus, der als philosophischer Rahmen eines Turbokapitalismus gelten kann, bei dem das Recht des Stärkeren gilt und der Staat auf ein absolutes Minimum zurückgefahren wird. Klar, in einem libertären Wunderland gäbe es weder Steuern noch Sozialabgaben, keinen TÜV oder gar einen Arbeitsschutz. All dies würde „der Markt“ regeln.
Ist Uber also ein libertäres Gegenmodell zur regulierten Welt, in der wir leben? Mitnichten. Denn in einer libertären Welt mit einem Laissez-faire-Kapitalismus, wie ihn Ayn Rand und ihre Mitstreiter Murray Rothbard, Ludwig von Mises oder Lew Rockwell sich vorstellen, hätte Uber ja keinen Wettbewerbsvorteil gegenüber den „normalen“ Anbietern, die heute Steuern und Sozialabgaben zahlen. In einer solchen Welt würde sich schnell ein Anti-Uber finden, das statt 20% Provision nur 10% nimmt und Uber uberflussig macht. Uber nutzt den „libertären Klimbim“ streng genommen nur, um seinem parasitären Geschäftsmodell einen ideologischen Anstrich zu verpassen.
Worum geht es Uber dann? Vor allem um brutales Wachstum und ein weltweites Monopol auf dem Feld der internetbasierten Taxenvermittlung. Genau dies ist ja auch das Erfolgsmodell des Silicon Valley. Man sucht sich finanziell extrem potente Geldgeber, verbrennt Unmengen an Geld in einem Verdrängungswettbewerb, in dem man vor allem die Werbetrommel rührt und Stück für Stück sich alle Konkurrenten einverleibt, bis man Nummer Eins ist. Facebook, PayPal, Google und Co. haben es vorgemacht.
Hinter Uber steht das who is who der Tech- und Finanzwelt, darunter Google, Goldman Sachs, die öffentlichen Investmentfonds von Saudi-Arabien, Amazon-Milliardär Jeff Bezos und last but not least der Investmentgigant Blackrock. Technische Partner von Uber sind unter anderem Toyota und der deutsche Premiumanbieter Daimler. Diese Investoren stecken nicht mehrere Milliarden Dollar in ein Unternehmen ohne großspurige Vision. Und die Vision von Uber ist nun mal das Monopol für die Vermittlung von Fahrdienstleistungen. Hier geht es nicht um Peanuts.
Die Staaten schlagen zurück
Dabei musste Uber jedoch in den letzten Jahren zahlreiche sehr herbe Rückschläge einstecken. Ubers Hauptproblem ist es hier, dass weltweit die Gerichte der Argumentation von Uber nicht so recht folgen wollen. In Deutschland hat das OLG Frankfurt dem Uber-Spuk bereits im Juni 2016 ein vorzeitiges Ende beschert, da die Wettbewerbswidrigkeit des UberPOP-Angebots dann doch zu offensichtlich war. Uber ist in Deutschland zur Zeit nur in Berlin und München aktiv und dort auch nur mit dem Dienst UberX bzw. UberTaxi, bei denen Interessenten an professionelle Mietwagen- und Taxenunternehmen weitervermittelt werden – eine Dienstleistung, die allenfalls für Touristen einen Sinn macht, die mit der Uber-App vertraut sind.
Verboten ist UberPOP auch in Spanien, Portugal, Italien, Finnland, China und den meisten Städten und Regionen Frankreichs und Schwedens. Uneingeschränkt aktiv ist man indes in vielen Städten und Staaten der USA und Australiens, in Großbritannien, Saudi-Arabien und Israel. Dabei gehen die rechtlichen Auseinandersetzungen selten friedlich vonstatten, da Uber sich nicht gerne an Regeln und Gesetze hält und die Richtersprüche oft sehr eigenwillig interpretiert. In Canton und Chengdu mussten die Behörden erst Razzien machen und die Geschäftsunterlagen als Beweismittel sicherstellen, in Frankreich wurden zwei hohe Uber-Manager, darunter Ubers West-Europa-Chef Pierre-Dimitri Gore-Coty, kurzerhand in Untersuchungshaft genommen – es bestand Fluchtgefahr. Das Uber-Geschäft in China und Russland musste bereits mehr oder weniger freiwillig an lokale Konkurrenten abgestoßen werden.
Aktuell verbrennt Uber jeden Tag rund zehn Millionen Dollar – im letzten Jahr summierte sich der operative Verlust auf 2,8 Milliarden Dollar. Und dies bei einem Umsatz von 6,5 Milliarden Dollar. Ein Unternehmen mit mehr als 12.000 Angestellten, das standesgemäß auf seinem eigenen Campus in San Franzisco residiert und Unsummen für politisches Lobbying ausgibt, hat verständlicherweise auch recht hohe Kosten. Und so langsam scheinen auch die Investoren kalte Füße zu bekommen, wie der unfreiwillige Wechsel an der Unternehmensspitze erahnen lässt.
Über Erfolg und Misserfolg werden wohl die Lobbyisten entscheiden
Abschreiben sollte man Uber aber nicht und das liegt vor allem an der überwältigenden Lobbymacht des Unternehmens. Bereits 2014 hielt sich Uber 161 Lobbyisten und diese Zahl dürfte heute dramatisch gestiegen sein. Zu den illustren Neuverpflichtungen zählen beispielsweise die ehemalige EU-Wettbewerbskommissarin Neeli Kroes und der ehemalige BILD-Herausgeber Kai Diekmann. Wenige Tage nach Diekmanns Einstellung wurde bekannt, dass auch der Axel Springer Verlag nun Anteile des 60-Millarden-Dollar-Konzerns erworben hat. Und wer den meinungsbildenden und meinungsmachenden Einfluss von Springer kennt, ahnt bereits, dass hier die letzte Schlacht noch nicht geschlagen ist. Denn es geht hier nicht um Peanuts und hinter Uber stehen auch keine Anfänger.
Die Zukunft könnte für Uber auch in Europa rosig aussehen. Man arbeitet nämlich schon an der nächsten Entwicklungsstufe des Individualverkehrs. Im letzten Jahr testete Uber in San Francisco autonome Uber-Fahrzeuge, also Taxen ohne Taxifahrer. Das ging dann aber sogar der Silicon-Valley-Metropole zu weit und man entzog Uber die Zulassung für die 16 eingesetzten Fahrzeuge. Uber nutzte den „Wettbewerb“ und setzte die fahrerlosen Wagen nun in Arizona ein, wo sich im März erst mal ein Test-Taxi auf offener Straße überschlagen hat. Aber derartige Rückschläge können den Giganten natürlich nicht ernsthaft zurückwerfen. Und die Vision, dass es schon in wenigen Jahren Taxen gibt, die gar nicht mehr von Menschen gesteuert werden, erscheint vielleicht als Science Fiction – dass mit aller Macht daran gearbeitet wird und Milliarden für das Lobbying bereitstehen, ist leider Realität. Und dann wird sich zeigen, wie gut die Lobbyisten von Uber sind, denn nach der Zulassung autonomer Fahrzeuge und in einem zweiten Schritt auch autonomer Taxen werden die Karten neu gemischt und dann steht Uber in der ersten Reihe. Oder wie es Kalanick mal ausdrückte: „Wenn der andere Typ im Wagen verschwindet, sinken die Kosten“.
Nun werden Sie fragen: Was hat das noch mit der „Ökonomie des Tauschens und Teilens“ zu tun? Nichts. Und eben darum geht es.
Lesen Sie im nächsten Teil der Reihe, wie die Zimmervermittlung airbnb die Gentrifizierung verstärkt und staatliche Regularien unterlaufen will. Im dritten Teil der Reihe wird es um die neoliberalen Einflüsse gehen, die durch die „Sharing Economy“ auf Staat und Gesellschaft ausgeübt werden und welchen Einfluss die „Gig-Economy“ auf unseren Sozialstaat hat.