Das Ende des deutschen Solarzeitalters?
Reinhard Lange, ein Kritiker der Energiewende, hat darauf aufmerksam gemacht, dass in den Medien, auch in den Nachdenkseiten, über die Insolvenz von Solarworld nicht gebührend bzw. gar nicht berichtet worden ist. Der Anregung, selbst etwas dazu zu schreiben, ist Reinhard Lange gefolgt. Danke vielmals. Falls faktengestützte Entgegnungen von Leserinnen und Lesern der NachDenkSeiten kommen, werden einschlägige Texte als Leser-Mails eingestellt. Hier ist der Beitrag von Reinhard Lange. Albrecht Müller.
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Das Ende des deutschen Solarzeitalters?
Frank Asbeck, der Vorstandsvorsitzende von Solarworld, dem letzten Großunternehmen der deutschen Solarbranche, hat am 11. Mai 2017 persönlich den Insolvenzantrag für das 1998 von ihm gegründete Unternehmen beim Amtsgericht Bonn eingereicht. Markiert dieser Tag nun eine Zeitenwende oder nur eine Fußnote der Industriegeschichte?
Für eine vorläufige Einordnung dieses Ereignisses ist ein Blick zurück hilfreich. Die Politik in Deutschland beabsichtigte in den 90er Jahren eine Energiewende, die Abkehr von fossilen Brennstoffen und Kernkraft und deren Ersatz durch „saubere“ Energie aus Wasser, Wind, Sonne und Bioenergie. Die Idee bestand darin, diesen „erneuerbaren“ Energien mittels eines Gesetzes, eigentlich eines Gesetzes für eine Stromwende, privilegierte Netzeinspeisung sowie feste, hohe Vergütungssätze zu garantieren. Die Hoffnung bestand darin, dass mittels dieser Anschubfinanzierung diese Erzeugungsarten wettbewerbsfähig werden sollten. Und nicht nur das. Sie sollten gleichzeitig Motor von Innovationen und Basis künftiger Exporterfolge werden. Die Verabschiedung des ersten Erneuerbare-Energien-Gesetzes Im Jahre 2000 sollte genau das bewirken und der „Startschuss“ für das „Solarzeitalter“ in Deutschland sein.
Tatsächlich stieg die installierte Kapazität der Solaranlagen in Deutschland von nahe Null bei Verabschiedung des ersten EEG auf 40,86 GW im Jahre 2016. Das entspricht etwa der Hälfte der deutschen Spitzenlast. Trotzdem lieferte in 2016 die Photovoltaik keine 6 % der deutschen Bruttostromerzeugung, die Erzeuger kassierten aber 40,8 % der gesamten EEG-Umlage. Windkraft dagegen war mit fast 12 % an der deutschen Stromerzeugung beteiligt, erhielt aber nur 31,5 % der EEG-Umlage. Über Förderung konnte sich die Solarbranche also nicht beklagen. Die gesamten EEG-Auszahlungen erreichten im vergangenen Jahr insgesamt über 25 Mrd. Euro, davon flossen gut 10 Mrd. Euro in die Solarbranche. Hohe Förderung kontrastiert offensichtlich mit geringer Erzeugung.
Der Grund für das schlechte Abschneiden der Solaranlagen bei der Stromerzeugung ist schlicht die geographische Lage Deutschlands. Solaranlagen bringen es hierzulande auf keine 1.000 Volllaststunden im Jahr. Ein Jahr hat aber 8.760 Stunden. Windkraftanlagen an Land schaffen dagegen immerhin rund 1.500 Volllaststunden. Da es immer wieder auch längere Zeiten gibt, in denen weder aus Wind noch aus Sonne nennenswerte Strommengen generiert werden können (von Anfang Dezember 2016 bis Ende Januar 2017 betraf das in Deutschland insgesamt über 20 Tage), besteht die Notwendigkeit von Backupkraftwerken, die wetter- und tageszeitunabhängig Strom produzieren können.
Der Staat ist damit in einer Zwickmühle, wenn er sowohl den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien fördern, aber gleichzeitig die Kosten stabilhalten will, wie Volker Kauder das gerade auf dem 9. energiepolitischen Dialog der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ankündigte. Die Förderung pro Einheit erzeugter Energie muss zwangsläufig sinken. Das genau passierte in den letzten Jahren für neu hinzu gebaute Anlagen und setzte deren Betreiber und damit auch die Hersteller der Anlagen unter Druck. Dabei zeigte sich, dass deutsche Massenhersteller dem Wettbewerbsdruck asiatischer Produzenten nicht gewachsen waren. Zwar konnten auf Initiative von Solarworld Schutzzölle seitens der EU durchgesetzt werden. Aber diese Wehr versagte, als Mitte letzten Jahres die chinesische Regierung den Solarausbau abrupt bremste und damit auch andere asiatische Hersteller unter Preisdruck gerieten. Global sanken Nachfrage und Preise. Hersteller wie Solarworld, welche im Grunde ein durchschnittliches Produkt zu überdurchschnittlichen Preisen anboten, verschwanden endgültig vom Markt. Diese Entwicklung war seit Jahren absehbar. 2010 lag die Beschäftigtenzahl der Solarbranche noch bei 133.000, im Jahre 2015 waren es dann nur noch 31.600. Nach der Insolvenz von Solarworld werden es noch einmal rund 3.000 weniger sein.
Die derzeit noch überlebenden deutschen Unternehmen der Branche sind eher kleine Mittelständler, die Marktnischen ausnutzen und zum Beispiel preiswerte hochwertige Speicher mit Solaranlagen kombinieren und Komplettlösungen für Einfamilienhäuser anbieten. Das kann sich bei den hohen deutschen Strompreisen durchaus rechnen. Oder sie orientieren sich auf Projekte im Ausland, insbesondere in Gegenden mit intensiverer Sonneneinstrahlung, wo die Anlagen naturgemäß effizienter arbeiten. Da der Gesamtpreis der Anlagen ein wesentliches Kriterium ist, kommen die dafür benötigten Solarpaneele aber eher nicht aus Deutschland.
Was jedoch für den einzelnen Haushalt hierzulande wirtschaftlich vernünftig sein kann (kleine, bezahlbare Speicher), hilft im volkswirtschaftlichen Rahmen aber kaum, wie dieses Protokoll der Solarstromerzeugung auf einem Hausdach beweist. Sieben Tage lang wurde praktisch gar kein Strom erzeugt. Trotzdem dürfte der Betreiber in dieser Zeit in seiner Wohnung die Heizung betrieben haben und diverse andere elektrische Geräte. Künftig wird er, wenn es nach den Plänen der Bundesregierung geht, auch noch sein Elektromobil aufladen wollen. In solchen Situationen hilft kein Haushaltsstromspeicher. Man braucht Energie aus dem Netz. Und da es keine bezahlbaren Speicher im volkswirtschaftlichen Rahmen gibt, benötigt man weiterhin konventionelle Kraftwerke für die Stromerzeugung. Dieses Problem ließe sich auch mit noch mehr Förderung der Solarbranche nicht lösen.
So bitter die Erkenntnis auch sein mag, die deutsche Solarindustrie hat ihren Zenit lange überschritten. Innovative Unternehmen werden weiterhin Nischen besetzen. Bei sehr hohen Haushaltsstrompreisen können sich deren Produkte rechnen. Einen Ersatz für konventionelle Kraftwerke kann die Branche aber auf absehbare Zeit nicht bieten.
Und es gibt noch einen unerwünschten Nebeneffekt der Energiewende: den Anstieg der Strompreise können sozial schwache Familien kaum kompensieren. Das ist kein allein deutsches Phänomen, wo von Energiearmut gesprochen wird. Im englischen Sprachraum hat sich das geflügelte Wort von „Heating or eating“ eingebürgert. Berichte über verzweifelte Menschen, die sich zwischen Essen und Energiekosten entscheiden müssen, findet man inzwischen reichlich in englischsprachigen Medien. Im kanadischen Ontario, wo man im Gegensatz zu Deutschland die Kohlekraftwerke bereits durch Gaskraftwerke ersetzt hat und die Strompreise sich seit 2006 verdoppelt haben, was die Bevölkerung in erhebliche Unruhe versetzte, brachte die Financial Post die Ursachen in einem einzigen Satz auf den Punkt:
“Expensive wind and solar sypply needs to be backed up by expensive new gas plants that in turn operate at a fraction of optimal capacity.” (Teure Wind- und Solarversorgung muss durch teure neue Gaskraftwerke abgesichert werden, die wiederum mit einem Bruchteil der optimalen Kapazität arbeiten.)
Die Finacial Post fasst dann das Ergebnis der Energiewende in Ontario als „monumentales Versagen“ zusammen. Der deutsche Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung nannte die sehr ähnliche deutsche Energiewende „spektakulär ineffizient“. Es scheint an der Zeit, die Energiewende insgesamt zu bilanzieren und neu zu denken.