Die Neujahrskampagne gegen Sahra Wagenknecht und drei benutzte, teilweise komplizierte Tricks zur Manipulation
Zum Jahresanfang sind wir mit einer Serie von Medienprodukten zur Feier unserer Bundeskanzlerin überrascht worden. Überrascht natürlich nicht. Überrascht nur von der Massivität der Propaganda. Ein gutes Beispiel: die Titelseite der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 1. Januar mit Merkel, Friedenstaube und nach ihr ausgestreckten, hilfesuchenden Händen. Die Medien trommeln zum Wahlsieg von Frau Merkel. Da stört Kritik an ihr. Da stört eine potentielle Konkurrenz: Sahra Wagenknecht. Albrecht Müller.
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Deshalb wurde gleich zu Beginn des Jahres die Kampagne gegen die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei neu belebt. Auch eigene Parteifreunde wie der Hamburger Außenpolitiker der Linken van Aken und die Thüringer Bundestagsabgeordnete Martina Renner treten als Stichwortgeber der Kritik auf. Im konkreten Fall kritisieren sie die Kritik Sahra Wagenknechts an der Bundeskanzlerin. Irgendwie müssen diese Mandatsträger der Linkspartei die Grundregeln der Demokratie vergessen haben. Sie ruinieren zu Beginn eines Wahljahres, das auch über das Wohl und Wehe ihrer eigenen Partei entscheidet, den Ruf ihres Spitzenpersonals, weil dieses, im konkreten Fall Sahra Wagenknecht, den politischen Gegner, also die Bundeskanzlerin, kritisiert. Ein beachtlicher Vorgang. Denn eigentlich gehört die Kritik an der Bundeskanzlerin zum Aufgabenbereich einer oppositionellen Fraktionsführerin. (Siehe auch die ersten Hinweise des Tages von heute)
- Der Vorgang. Was war geschehen?
Vorweg: ich gehe auf diesen Vorgang ein, weil er exemplarisch ist und die Tricks sichtbar werden, die in unserer öffentlichen Debatte eingeführt und genutzt werden und weit über die Person Sahra Wagenknecht hinaus interessant sind.
Sahra Wagenknecht hat dem Magazin „Stern“ ein Interview gegeben, das dort am Donnerstag, den 5. Januar erschienen ist. Hier der Link auf den Text. Dort heißt es:
“Wagenknecht gibt Merkel Mitverantwortung für Berliner Anschlag
Sahra Wagenknecht geht im stern-Interview hart ins Gericht mit der Bundeskanzlerin, der sie eine Mitverantwortung an dem Terroranschlag von Berlin gibt. Auch sei Angela Merkel durch ihre Planlosigkeit in der Flüchtlingspolitik Schuld am Erstarken der AfD. …”
Offensichtlich auf der Basis von Vorabmeldungen über dieses Interview hinterlassen die zuvor genannten Abgeordneten der Linkspartei bei Journalisten der Frankfurter Rundschau, der Berliner Zeitung und anderen Medien ihre Kritik an ihrer Fraktionsvorsitzenden. Es erscheinen zum Beispiel in der gleichen Ausgabe der Frankfurter Rundschau gleich zwei Kommentare/Berichte zum gleichen Vorgang, einer von Markus Decker und einer von Christian Bommarius.
Hier der Artikel von Markus Decker. Weil am Text des FR-Artikels die Methoden der Kampagne unter Beteiligung von Parteifreunden gut sichtbar werden, ist er komplett wiedergegeben:
„DIE LINKE
Beifall aus der falschen Ecke
Sahra Wagenknecht von der Linken polarisiert.
Sahra Wagenknecht gibt Kanzlerin Merkel eine Mitverantwortung am Attentat von Berlin. Die AfD applaudiert, in ihrer eigenen Partei kommt die Aussage weniger gut an.
In der Linkspartei gibt es neuen Unmut über die Fraktionsvorsitzende und Spitzenkandidatin bei der Bundestagswahl, Sahra Wagenknecht. Grund sind jüngste Äußerungen im Stern, in dem sie von einer „Mitverantwortung“ von Kanzlerin Angela Merkel für den Terroranschlag am Breitscheidplatz sprach und neben „der unkontrollierten Grenzöffnung” auch „die kaputtgesparte Polizei” als Grund nannte. Die Polizei sei „weder personell noch technisch so ausgestattet“, wie es der Gefahrenlage angemessen sei, betonte Wagenknecht.
Die Obfrau der Linken im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages, Martina Renner, sagte der FR: „Schuld zu personalisieren und die Mär vom schwachen Staat – das sollte nicht unser Geschäft sein.“ Die thüringische Abgeordnete, die sich besonders gegen Rechtsextremismus engagiert, fügte hinzu: „Uns müsste es jetzt um die Aufklärung der Behördenfehler und die Analyse gesellschaftlicher Bedingungen für Radikalisierungsprozesse gehen.“ Der Außenexperte Jan van Aken warf Wagenknecht vor, „mit falschen Fakten“ zu argumentieren. So sei der Berliner Attentäter Anis Amri im Juli 2015 nach Deutschland gekommen, „die vollkommen richtige Grenzöffnung war im September“. Van Aken hatte bereits im Juli vorigen Jahres erklärt: „Wer Merkel von rechts kritisiert, kann nicht Vorsitzender einer Linksfraktion sein.“ Andere Wagenknecht-Kritiker wollten sich nicht äußern.
Pretzell lobt Wagenknecht
Der Vorsitzende der AfD in Nordrhein-Westfalen, Marcus Pretzell, lobte Wagenknecht bei Twitter als „eine kluge Frau“. Er hatte direkt nach dem Anschlag am 19. Dezember geschrieben: „Es sind Merkels Tote!“ Der grüne Bundesgeschäftsführer Michael Kellner schrieb am Mittwoch: „Wagenknecht klingt, als wäre sie Spitzenkandidatin der AfD.“
Die Fraktionsvorsitzende hatte zuletzt in einem Interview mit der Welt am Sonntag erklärt, links sei für sie, für sozialen Ausgleich zu sorgen und nicht „die Befürwortung von möglichst viel Zuwanderung oder abgehobene Gender-Diskurse, die mit dem Kampf um echte Gleichstellung wenig zu tun haben“. An anderer Stelle hatte sie sich über die angeblichen „Mainstream-Medien“ mokiert. Ähnliche Argumente und Vokabeln sind unter Rechtspopulisten weit verbreitet. Wegen eben dieser Parallelen hatten andere Linke Wagenknecht mehrfach zur Umkehr aufgefordert.“
Der andere Kommentator der Frankfurt Rundschau Christian Bommarius meldet sich mit diesem Stück zu Wort, in der gleichen Sache und in der gleichen Ausgabe:
„Die blaue Sahra
Linke-Politikerin Wagenknecht: Die Attraktivität für die Xenophoben noch einmal bestätigt.
Sahra Wagenknecht sollte sich nochmal überlegen, ob sie bei der Bundestagswahl für die richtige Partei antritt – ein Kommentar.
Gerüchten zufolge wird Sahra Wagenknecht zur Bundestagswahl als Spitzenkandidatin der Linkspartei antreten – nicht der AfD. Aber es handelt sich um Gerüchte, die mit jedem Tag unwahrscheinlicher klingen, an dem Wagenknecht sich mit Bemerkungen über Flüchtlinge und AfD-Funktionäre mit Bemerkungen über Wagenknecht zu Wort melden.
Für ihre Kritik an der Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte Wagenknecht schon euphorischen Applaus einschlägig berüchtigter AfD-Politiker erhalten. Soweit bekannt, hat sie das Angebot nicht angenommen. Immerhin aber hat sie mit ihrer jüngsten Bemerkung ihre Attraktivität für alle Xenophoben im Land noch einmal bestätigt.
Unwahrheit und Wirrnis
Sahra Wagenknecht weist der Bundeskanzlerin eine Mitverantwortung an dem Terroranschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt zu. Als Gründe nennt sie einerseits die „unkontrollierte Grenzöffnung“, andererseits die „kaputt gesparte Polizei“. Das ist offensichtlich unwahr, denn der Attentäter lebte seit Juni 2015 in Deutschland, war also längst da, als die Republik im September die Grenzen öffnete.
Und was die Polizei betrifft, so wurde sie vor allem in den Bundesländern „kaputt gespart“; Wagenknechts Behauptung ist schlicht Unsinn. Diese Mixtur von Unwahrheit und Wirrnis ist bei der AfD besonders populär. Wagenknecht sollte sich ihre Spitzenkandidatur für die Linkspartei noch einmal überlegen.
Anm.der Redaktion: Das Thema scheint uns inzwischen ausdiskutiert, deshalb haben wir die Leserkommentare geschlossen.“
Die Anmerkung der Redaktion stammt vom 6.1.2016. Vermutlich kamen so viele Proteste, dass die Redaktion mit dem Vorwand, das Thema sei ausdiskutiert, die Leserkommentare schloss.
Wenn Sie das Interview Sahra Wagenknechts im Stern lesen, dann werden Sie erkennen, dass dort wie auch in früheren Äußerungen der Spitzenkandidatin der Linkspartei zum Thema Flüchtlinge und zu anderen Themen differenziert argumentiert wird.
Wagenknecht kritisiert Merkel massiv; das ist auch ihr Amt. Wie ihre Parteifreunde in Kombination mit – im konkreten Fall – der Frankfurter Rundschau manipulieren, das kann man gut am Beispiel des Datums der Zuwanderung des Attentäters von Berlin Anis Amri und an Sahra Wagenknechts differenzierter Erläuterung der Mitverantwortung Merkels für den Terroranschlag von Berlin beobachten:
Stern: Ist nach Ihrer Logik Angela Merkel etwa auch für den jüngsten Terroranschlag in Berlin verantwortlich? Der Täter war ein Flüchtling aus Tunesien, der zwar schon 2015 nach Deutschland kam, aber die Überforderung der Behörden infolge des Massenansturms im letzten Jahr ausgenutzt hat.
Sahra Wagenknecht: Es gibt eine Mitverantwortung, aber sie ist vielschichtiger. Neben der unkontrollierten Grenzöffnung ist da die kaputt gesparte Polizei, die weder personell noch technisch so ausgestattet ist, wie es der Gefahrenlage angemessen wäre. Ebenso fatal ist die Außenpolitik: die von Merkel unterstützten Ölkriege der USA und ihrer Verbündeten, denen der Islamische Staat erst seine Existenz und Stärke verdankt.
Stern: Das klingt nach: Alles hängt mit allem zusammen.
Sahra Wagenknecht: Seit 15 Jahren wird ein sogenannter “Krieg gegen den Terror” geführt, zuerst in Afghanistan, dann im Irak, in Libyen, in Syrien. Was ist die Bilanz all dieser Kriege, die mittlerweile 1,5 Millionen Menschenleben gekostet haben? Der islamistische Terror ist nicht schwächer, sondern sehr viel stärker geworden. Der IS ist ein Produkt des Irakkrieges von Bush und Blair. Und durch die Beteiligung der Bundeswehr an Kriegen in der islamischen Welt sind auch wir zur Zielschreibe des Terrors geworden.
Stern: Sie glauben im Ernst, wenn Deutschland sich international raushielte, blieben wir vom Terror verschont?
Sahra Wagenknecht: Glauben Sie im Ernst, wir können dort bomben und morden – denken Sie an Kundus – und bei uns geschieht nichts?
Der Redakteur der Frankfurter Rundschau Decker schreibt folgendes:
‚Der Außenexperte Jan van Aken warf Wagenknecht vor, „mit falschen Fakten“ zu argumentieren. So sei der Berliner Attentäter Anis Amri im Juli 2015 nach Deutschland gekommen, „die vollkommen richtige Grenzöffnung war im September“‘.
Da hatte offensichtlich der sogenannte Außenexperte der Linkspartei das Interview nicht vollständig gelesen und deshalb nicht gemerkt, dass die „richtigen Fakten“ durchaus Gegenstand des Gesprächs waren und dass Sahra Wagenknecht die Mitverantwortung der Bundeskanzlerin für die Terroranschläge breiter begründete und zwar vor allem mit den vom Westen geführten und auch von Deutschland unterstützten Kriegen. – Oder der „Durchstecher“ in der Linksfraktion hat seinem Gewährsmann Markus Decker bei der Frankfurter Rundschau absichtlich eine gekürzte Fassung weitergegeben. Das wäre nicht sehr nobel gewesen. Aber dem einschlägig bekannten Agitator Decker hat es sicher in seinen Kram gepasst.
Zwischenbemerkung für Freundinnen und Freunde, die immer noch die Frankfurter Rundschau abonniert haben – einfach aus Treue oder weil die schleichende Veränderung dieses Blattes zu einem Kampfblatt gegen die Linke und die Friedensbewegung ihnen verborgen geblieben ist: Auf eine solche Frankfurter Rundschau können wir verzichten. Gebt das Geld für das Abo an Menschen in eurem Umfeld, die Hilfe brauchen!
- Weil die Diskussion um Sahra Wagenknechts Stern-Interview einiges über die Debattenlage in unserem Land und die politischen Konstellationen und die Tricks der Meinungsmacher verrät, komme ich jetzt auf diesen Komplex zu sprechen.
Zunächst zur Ausgangslage am Beginn des Wahljahres 2017: Frau Merkel passt den neoliberal Geprägten und Konservativen in unserem Land wunderbar in ihren Kram. Sie hat ihr Image im Jahr 2015 mit ihren Erklärungen und ihrer Politik der offenen Arme um einen Faktor ergänzt, der zumindest die Funktionäre aber auch Wählerinnen und Wähler im grünen und linken Bereich anzuziehen vermag, soweit diese bereit sind, über die faktische Politik zum Beispiel des Deals mit der Türkei und die Abschiebepraxis hinweg zu schauen. Das ist eine Ausgangslage, die im Disput bis zum Wahltag Mehrheiten in verschiedenen Konstellationen möglich erscheinen lassen.
Es gibt aus heutiger Sicht zwei Störfaktoren:
- Das Auftauchen der AfD
- Die Konkurrenz durch Sahra Wagenknecht als Spitzenkandidatin der Linkspartei, und die von ihr kommende Kritik an der Bundeskanzlerin.
Die Spitzenkandidatur in der Kombination mit Dietmar Bartsch könnte, falls sie ungestört aus den eigenen Reihen verlaufen könnte, ein Ergebnis zeitigen, das möglicherweise bestimmte Optionen der Union und Merkels, nämlich für Schwarz-Grün unwahrscheinlicher macht. Eine wirkliche Bedrohung der Kanzlerschaft Angela Merkels stellt sie höchstwahrscheinlich nicht da.
Das könnte sich nur dann ändern, wenn Sigmar Gabriel und die SPD zu einer Kooperation in der Wahlauseinandersetzung bereit wären. Wenn sich Gabriel dazu entschlösse, angesichts der Leere beim Angebot eigener sozialdemokratischer Kandidaten für das Kanzleramt, Wagenknecht die Spitzenkandidatur für ein breites informelles Bündnis von SPD, Linkspartei und linken Grünen anzubieten, dann sähe das für Frau Merkel kritischer aus. Aber dieser Einfall ist so unwahrscheinlich, dass wir ihn vergessen können.
Es bleibt die kleine Gefahr der positiven Stabilisierung der Linkspartei und vor allem die Gefahr einer fundierten Kritik an der Politik der Bundeskanzlerin. Das wäre ein Störfaktor, der ihr und ihren Mitstreitern, zu denen offensichtlich auch Redakteure der Frankfurter Rundschau und der Zeit und des Spiegel und einiger öffentlich-rechtlicher Rundfunk Sender gehören, nicht gefällt. Vor allem deshalb muss die Spitzenkandidatin der Linkspartei, Sahra Wagenknecht, systematisch fertiggemacht werden. Dazu gehören als Hilfsmittel die zu beschreibenden Tricks:
Der erste Trick läuft schon seit fast drei Jahren: Linke werden dadurch stigmatisiert, dass man sie mit den Rechten in einen Topf wirft.
Wer als Links gilt, wird dadurch diffamiert und in ein schlechtes Licht gerückt, dass man ihm zugleich rechte oder rechtskonservative Positionen unterstellt. Man nennt das dann Querfront. Dieser Begriff signalisiert, da würden fortschrittliche und reaktionäre politische Kräfte gemeinsam an einem Strang ziehen. Das war der typische Trick, um fortschrittliche Montagsdemonstrationen und die Friedensbewegung, beginnend mit dem April 2014, mit den Rechten zu verbinden und zu stigmatisieren; auch die NachDenkSeiten sind gelegentlich Opfer dieser Strategie geworden, am deutlichsten sichtbar bei der sogenannten Studie der Otto Brenner Stiftung und bei der Kritik daran, das Wort Lügenpresse zum Unwort des Jahres zu erklären.
In dieses gelernte Schema von der Querfront wird Sahra Wagenknecht bei dem jetzt aufgetretenen Fall und auch sonst immer hineingepresst. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie schwer es ist, sich gegen diesen Trick zu wehren. Wenn wir zum Beispiel im Blick auf das Wort Lügenpresse uns der Stigmatisierung beugen würden, dann dürften wir nicht mehr beschreiben, wie die Medien lügen und die Wahrheit verschweigen.
Der zweite zu beschreibende Trick ist von beachtlicher Bedeutung. Er prägt weite Teile der aktuellen Debatte:
Der Trick, Sahra Wagenknecht mit der AfD zu verknüpfen, und sie auf diese Weise zu beschädigen, funktioniert deshalb so gut, weil es vorher gelungen ist, die AfD auf die Anklagebank zu setzen. Den Anklägern, von Merkel bis Seehofer, von Gabriel bis Özdemir und auch einem Teil der Linkspartei (siehe oben) ist es gelungen, sich selbst im Spiegel dieser unmöglichen rechtsorientierten politischen Gruppierung von AfD bis Pegida nicht nur als möglich, sondern auch als gut und vorbildlich und höchst demokratisch darzustellen.
Dabei spielt die Sache keine Rolle. Es wird nicht geprüft, ob die Union, insbesondere die CSU und selbst die CDU und ihre Vertreter Positionen vertreten, die den programmatischen Vorstellungen der AfD sehr nah sind. Es wird zum Beispiel nicht überprüft, ob etwa Herr Seehofer von der CSU in der Frage des Asyls ähnliche Positionen wie Frau Petry vertritt. Es wird auch nicht geprüft, ob der Bundesinnenminister mit seinen Forderungen nach Abschiebung und mit seiner Abschiebungspraxis dem entspricht, was die AfD zu diesem Thema fordert. Es ist dabei auch überhaupt nicht von Bedeutung, dass die Bundeskanzlerin mit ihrem Deal mit Erdogan nah an AfD-Positionen herangerückt ist. Entscheidend ist nur, was in den Köpfen und Herzen der Menschen an Images geprägt worden sind. Da lautet die Botschaft eben, CDU, CSU, SPD, FDP, Grüne und die Medien, die Allparteien- und Medien-Koalition sind gegen die AfD.
Was inhaltlich an Querverbindungen läuft, wird nicht geprüft. In diesen Zirkel der Anständigen werden auch jene Vertreter der Linkspartei aufgenommen, die wie van Aken und Frau Martina Renner ihre Bewunderung für Frau Merkel erkennen lassen und die somit bereit sind, die Stichworte in der Kampagne gegen ihre eigene Spitzenkandidatin Wagenknecht zu liefern und so den Erfolg ihrer Arbeit als Spitzenkandidatin der Linkspartei zu beschädigen.
Es ist eine Einheitsfront der Guten entstanden, denen die Bösen gegenübergestellt werden. Das ist die AfD und unabhängig davon, dass Sahra Wagenknecht eine der schärfsten Kritiker dieser rechtskonservativen Vereinigung ist, wird sie gedanklich und imagemäßig in dieses Milieu hineingeschoben.
Da hilft es dann der Angegriffenen nicht, wenn sie darauf hinweisen kann, dass sie zum Beispiel ihre Kritik an der Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin Merkel unabhängig von der Kritik der AfD formuliert hat. Es hilft auch der Hinweis auf die differenzierte Aussage wie im Falle des Stern-Interviews nicht weiter. Es reicht, sagen zu können, was Sahra Wagenknecht vertritt, vertreten auch Vertreter der rechtskonservativen AfD.
Den dritten Trick kennen wir aus vielen anderen Zusammenhängen: Wenn man wirksam einen fortschrittlichen Menschen kritisieren und möglichst ausschalten will, dann muss man das von Medien und Personen besorgen lassen, die ein fortschrittliches Image haben.
Wenn man den Ruf einer Politikerin wie Sahra Wagenknecht glaubwürdig beschädigen will, dann geht das nicht besonders gut mit einschlägigen rechtskonservativen Medien aus dem Springer-Konzern, mit der Welt oder mit der FAZ zum Beispiel. Dafür braucht man ein Blatt wie die Frankfurter Rundschau, die immer noch als fortschrittlich und aufgeschlossen gilt, obwohl sie inzwischen zum Konzern der FAZ gehört.
- Die Bedeutung der Kampagne gegen Wagenknecht für den Wahlkampf 2017 und die notwendige Konsequenz: ein Parteiordnungsverfahren gegen die Stichwortgeber
Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird die Kampagne, die mit Unterstützung von Mandatsträgern der Linkspartei geführt wird, Folgen für das Wahlergebnis haben. Wenn eine Parteiführung noch ein bisschen Selbstachtung hat und vor allem, wenn sie den Mühen der Wahlkämpfer nicht den Boden unter den Füßen wegziehen will, dann darf sie einen Vorgang wie jenen vom Anfang Januar 2017 nicht zulassen. In solchen krassen Fällen sind Parteiordnungsverfahren eine demokratische Pflicht, wenn auf andere Weise ein Burgfriede für den Wahlkampf nicht erreichbar ist.
In der langen Geschichte der SPD gibt es Beispiele für einen laschen Umgang mit solchen Vorgängen. Dann sah das Wahlergebnis entsprechend aus. Und es gibt zumindest ein Beispiel für einen konsequenten Umgang mit den innerparteilichen Störfaktoren. Daran sei kurz erinnert:
Der Bundeswirtschaftsminister und dann sogar Superminister der SPD, Professor Dr. Karl Schiller, konnte sich im Wahlkampf 1972 mit seiner Rolle nicht richtig zurechtfinden. Er stand auch massiv unter dem Einfluss eines aktiven CDU Mitglieds in der Führungsgruppe seines Ministeriums, gemeint ist der gerade verstorbene Hans Tietmeyer. Schiller hat im Wahlkampf 1972 entdeckt, dass er viel Zustimmung bei den konservativen Medien im Handelsblatt, bei der FAZ und der Springer-Presse erfährt, wenn er seine eigene Regierung, die Regierung Willy Brandt, des angeblich zügellosen Schuldenmachens anklagt. Der Bundeskanzler Brandt ist damals auf die Forderungen seines Superministers nicht eingegangen, hat sich auch durch dessen öffentliche Kampagne nicht erpressen lassen und stattdessen dem Rücktritt und dem Austritt seines alten Freundes aus Berliner Tagen Karl Schiller aus der SPD nichts in den Weg gelegt. Das waren dann klare Verhältnisse und die SPD hat ihr bisher bestes Ergebnis erreicht, auch ohne den allseits bewunderten Störenfried Karl Schiller, und gegen die Mehrheit der Medien.
Auf heute übertragen: Wer auf so üble Weise wie die eingangs erwähnten Personen mit Medien und den politischen Gegnern zusammenspielt, um der eigenen Spitzenkandidatin und der eigenen Partei zu schaden, der sollte besser gehen. Notfalls hilft das Parteiverfahren.
Das ist nur ein Rat zum Wohle eines einigermaßen guten Wahlergebnisses auf Seiten des linken Teils unserer Politik. Ob politische Selbstmörder sich von so etwas beeindrucken lassen, ist eher zu bezweifeln.
Anlage:
Link zum Stern-Interview mit Sahra Wagenknecht
Nachtrag 10.1.2017:
- Ein unzureichender Link auf diese Rede von Wagenknecht wurde ersetzt durch den richtigen.
- Die einschlägige Passage aus dem Stern-Interview wurde komplett übernommen und es wurde gekennzeichnet, was die Interviewer des Stern und was Sahra Wagenknecht gesagt haben.