Der Fluch des Reichtums

Jens Berger
Ein Artikel von:

Afrika ist ein Kontinent, der äußerst reich ist an Rohstoffen, wie Erdöl, Gold und Diamanten. Hier befinden sich auch die bedeutendsten Vorräte von Uran, Kupfer, Eisenerz, Bauxit und Coltan, das immer mehr für die Massenproduktion von Handys gebraucht wird. Die Frachtladungen dieser Produkte gehen hauptsächlich nach Nordamerika, Europa, vermehrt auch nach China. Von Jean Feyder[*].


Tom Burgis Buch „Fluch des Reichtums“ zeigt, wie diese Naturschätze von multinationalen Unternehmen ausgebeutet werden, von in Steueroasen registrierten Konzernen, aber auch, zunehmend von mächtigen, chinesischen Gesellschaften, die all diese Produkte für den riesigen chinesischen Markt erobern und sichern wollen.

Die systematische Plünderung all dieser Reichtümer erfolgt in Zusammenarbeit mit einflussreichen Mitgliedern afrikanischer Regierungen und deren Hintermännern. Sie basiert auf diskreten Komplizenschaften, auf geheimen Abmachungen, auf mafiösen Geschäftsverbindungen und Schmugglernetzen. Es geht um regelmäßige Bestechung, um private Bereicherung auf Kosten der Bevölkerung, die weiterhin arm bleibt. Die an den neuen Imperien beteiligten Regierungen legen nationalen Institutionen oder Parlamenten in keiner Weise Rechenschaft über ihr Tun ab.

Diese Ausbeutung begann schon vor der Unabhängigkeit der afrikanischen Staaten, als Shell bereits Erdöl aus dem Boden Nigerias pumpte. Sie hat eine lange Tradition, die in die Kolonialzeit zurückgeht und auf „Helden“ wie Cecil Rhodes in Südafrika oder König Leopold II. im früheren Belgisch-Kongo.

Wie vernichtend kann Freihandel sein? 300 000 Nigerianer verloren ihre Arbeitsplätze in der Textilindustrie durch Billigimporte aus China, die skrupellose, einheimische Millionäre über Schmuggelwege organisierten. Eine halbe Million Bauern war gezwungen, die Baumwollproduktion aufzugeben, die für die einst bestehenden 175 Textilfabriken bestimmt war. Heute leben in Nigeria fast zwei Drittel der Bevölkerung von weniger als 1,25 Dollar am Tag. Kein Wunder, wenn dann arbeitslose Jugendliche sich von Terrororganisationen wie Boko Haram anziehen lassen. Nigeria erlebt keinen Boom, wie solide Wachstumsraten vortäuschen, sondern einen Abstieg in die Armut. Im Nigerdelta in Nigeria haben sich Milizen und Verbrecherbanden organisiert und gleichzeitig schließt die Ölfirma Shell dubiose, dunkle Geschäftsvereinbarungen mit der Regierung ab. Oft kommt es zu gewalttätigen Konflikten, wenn sich die lokale Bevölkerung gegen diese Beraubung und gegen die Umweltverschmutzung durch Erdöl zur Wehr setzt.

Vieles läuft über einflussreiche Mittelsmänner wie den Chinesen Sam Pa, Präsident des für Infrastrukturarbeiten zuständigen Unternehmens namens China International Fund und Leiter der mächtigen Queensway-Gruppe, die sowohl in Hongkong als auch in Singapur angesiedelt ist. Er half in Angola etwa bei der Gründung der „Futungo GmbH“, die einen Machtkomplex im Ölbereich aufbaute, hinter dem sich private Händler und Mitglieder der Regierung und der Armee verstecken.

Im Osten des Kongos hat der Coltanhandel zur Finanzierung lokaler Milizen und ausländischer Armeen beigetragen, die seit zwei Jahrzehnten dieses Gebiet terrorisieren und zu einem Schauplatz unzähliger lokaler Kriege verwandelt haben. Nur ein kleiner Anteil der Milliarden Dollar, die die Bergbauindustrie im Kongo an Einkünften generiert, fließt in den mageren Haushalt dieses Landes.

Dennoch gibt es auch Lichtblicke: Wenn zum Beispiel in Guinea der neu gewählte Präsident Alpha Condé Verträge im Eisenerzbereich, die seine Vorgänger, brutalste Diktatoren, mit korrupten rivalisierenden Potentaten und Bergbaugesellschaften abgeschlossen hatten, überprüfen und zum Teil auffliegen lässt. Wenn Niger, eines der ärmsten Länder Afrikas, im Erdölsektor Geschäftsverbindungen mit China aufnimmt und so seine Wirtschaftsbeziehungen diversifizieren und die einseitige Abhängigkeit von Frankreich abschwächen kann. Wenn in den letzten Jahren zwei Drittel der afrikanischen Ausgaben für Infrastruktur durch China finanziert und zum großen Teil auch von China gebaut werden. Und wenn beispielsweise in Angola zwischen 2002 und 2012 jährlich 15 Milliarden Petrodollar in Verträge für den Bau von Straßen, Wohnungen, Eisenbahnlinien und Brücken investiert wurden.

Auch auf Südafrika, Ghana, Simbabwe und die Weltbank wirft der Autor Tom Burgis sein eindringliches Scheinwerferlicht. Als Auslandsreporter für die Financial Times reiste er im Verlauf mehrerer Jahre in all diese Länder und kennt die dortigen Verhältnisse aus eigener Erfahrung. Er trat vor Ort sowohl mit einer Reihe von Hauptakteuren wie mit kritischen Beobachtern in Kontakt und konnte sich so ein kohärentes Bild über meist versteckte Geschäftsverbindungen machen, wie auch über die sozialen Missstände. Der „Fluch des Reichtums“ ist ein vielseitiges und gut recherchiertes Buch, das jedem an Afrika, Entwicklungspolitik und internationalen Beziehungen interessiertem Leser nur zu empfehlen ist.


[«*] Jean Feyder ist luxemburgischer Diplomat und war Ständiger Vertreter Luxemburgs bei der WTO in Genf, zuvor Direktor für Entwicklungszusammenarbeit beim Außenministerium in Luxemburg. Seit 2006 ist er bei der WTO außerdem Vorsitzender des Komitees für die am wenigsten entwickelten Länder der Welt (Least Developed Countries, LDC), einer Gruppe von 50 Ländern, die häufig auch als Vierte Welt bezeichnet wird.

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