Flexi-Rente: Flexibler und finanziell attraktiver – Nur für wen?
Die Große Koalition hat nach zähem Ringen einen Gesetzentwurf zur sogenannten Flexirente veröffentlicht. Das Gesetz soll im Januar 2017 in Kraft treten. Also noch vor den nächsten Bundestagswahlen. Bringt das etwas? Albrecht Müller.
Wer als Rentner hinzuverdient, soll mehr davon behalten dürfen. Aktuell gilt noch eine feste Hinzuverdienst-Grenze von 5.400 Euro im Jahr für Altersrentner vor Erreichen der Regelaltersgrenze; diese soll auf 6300 Euro (!) erhöht werden. Bisher wirken sich Beitragszahlungen der Arbeitgeber für beschäftigte Altersrentner nicht rentensteigernd aus. Das soll sich ändern. Die Flexirente soll einen verstärkten Anreiz geben, länger zu arbeiten. Das hierfür versprochene „Bonbon“ ist die Steigerung der eigenen Rentenansprüche. Die bittere Pille, die unerwähnt bleibt und bei den Berechnungen leicht vergessen wird: die Abschläge, die bei einer vorgezogenen Altersrente berücksichtigt werden, gelten nicht nur bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (= zw. 65. und 67. Lebensjahr, je nach Geburtsjahrgang), sondern für die gesamte Dauer des Rentenbezugs, auch für eine sich eventuell daran anschließende Hinterbliebenenrente.
Es kreißte der Berg und gebar ein Maus
Man darf sich schon wundern, dass in Zeiten, in denen das Problem der Altersarmut endlich erkannt und auch diskutiert wird, die Bundesregierung sich auf ein „Luxusproblem“ konzentriert.
Gibt es tatsächlich so viele Frauen und Männer jenseits der 63, die keinen sehnlicheren Wunsch haben, als gleitend in den Ruhestand zu kommen? Die bestehenden Altersteilzeitregelungen sprechen eine andere Sprache. Fast ausschließlich werden von den Arbeitnehmern die Blockmodelle gewählt, mit einer Verkürzung der Lebensarbeitszeit. Praktizierte Teilzeitmodelle muss man mit der Lupe suchen.
Im Entwurf ist viel von Selbstbestimmung und Flexibilität die Rede, von Individualität und von Möglichkeiten. Eine heile Welt also. Für ArbeitnehmerInnen mit geringen Arbeitsmarktchancen, die nicht bis zur Regelaltersgrenze arbeiten können, bietet der Entwurf keine Lösung, sagt die VdK-Präsidentin Ulrike Mascher. Damit trifft sie den Kern: Menschen, die bis ins hohe Alter gutbezahlte Jobs ausüben können, werden mit der Flexirente bevorteilt, während man diejenigen, die aufgrund ihres körperlichen oder psychischen Verschleißes z.B. eine Erwerbsminderungsrente in Anspruch nehmen müssen, weiter im Regen stehen lässt. Letztere müssen für ihre nicht frei gewählte Frühverrentung dauerhaft empfindliche Abschläge in Kauf nehmen. Solidarisch ist das nicht.
Indessen: Der Mittelstand jubelt über diesen Gesetzentwurf. Tatsächlich enthält der Gesetzentwurf auch ein Bonbon für die Arbeitgeber: Beiträge zur Arbeitslosenversicherung müssen für beschäftigte Rentner künftig nicht mehr gezahlt werden. Das ist ein fatales Fehlsignal, das junge ArbeitnehmerInnen in einer Konkurrenzsituation bestimmt zu spüren bekommen. Schließlich sind ja die Lohnnebenkosten ein beliebtes Argument von Arbeitgebern.
Das von den Arbeitsagenturen betriebene Modell der „Zwangsverrentung“ (= erzwungene Rentenantragstellung ab dem frühestmöglichen Rentenbeginn mit vollen Abschlägen bis zu 10,8 %) von Leistungsbeziehern nach dem SGB II (Sozialgesetzbuch II -Grundsicherung für Arbeitssuchende), wird in diesem Gesetzesentwurf ein wenig abgemildert. Künftig sollen nur noch die Leistungsbezieher zur Rentenantragstellung gezwungen werden, denen dauerhaft eine Rentenhöhe unterhalb des Grundsicherungsniveaus droht.
Das hört sich vernünftig an. Im Umkehrschluss bedeutet das aber: Ist eine Rente knapp oberhalb des Grundsicherungsniveaus zu erwarten, darf die Arbeitsagentur die entsprechenden Leistungsbezieher weiter zur Rentenantragstellung mit Abschlägen „zwingen“. Eine Mogelpackung.
Alle Protagonisten (Gewerkschaften, VdK, SoVD, die Linke,….), die viele brauchbare Vorschläge zur Sicherung des Lebensstandards im Alter und zur Stärkung der ersten Säule, der gesetzlichen Rentenversicherung, veröffentlicht haben, müssen diesen Entwurf als einen Affront empfinden. Erwerbsminderungsrentner und Rentenbezieher in der Grundsicherung sowieso. Als sei es die wichtigste und vordringlichste Aufgabe, Rentnerinnen und Rentner von einer längeren Beschäftigungsdauer zu überzeugen. Das ist Realitätsverweigerung.
Liebe Abgeordnete, aus deren Mitte dieser Entwurf in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht werden soll: Am besten legen Sie dieses Papier zur Seite und machen sich an die Arbeit, um die wirklichen Probleme der Alterssicherung zu lösen. Hilfestellung erhalten Sie bei Menschen und deren Organisationen, die etwas von der Materie verstehen und die genau das auf dem Schirm haben, was Sie verdrängen oder aussitzen wollen: Die drohende Altersarmut einer Vielzahl von insbesondere Rentnerinnen, aber in zunehmendem Maße auch von Rentnern.
Für den Fall, dass die Informationen noch nicht zu Ihnen durchgesickert sein sollten, weil Sie noch damit beschäftigt sind, die Verlautbarungen der Arbeitgeberverbände zu studieren, hier ein paar einschlägige Hinweise – ohne Anspruch auf Vollständigkeit-, exklusiv für Sie und unsere Leserinnen und Leser: