Russland hackt zurück – Dopingunterlagen von US-Sportlern geleakt
Die vor wenigen Wochen ausgetragenen Olympischen Spiele von Rio könnten zu einem sportpolitischen Skandal erster Güte werden. Wir erinnern uns: Auf starken Druck westlicher Medien hin wurden große Teile des russischen Olympiateams bei den Spielen gesperrt. Systematisches Doping – so der keinesfalls von der Hand zu weisende Vorwurf. Dass nicht nur die Russen systematisch dopen, war eigentlich von vorn herein klar; jedoch gefielen sich vor allem die deutschen Journalisten offenbar in der Rolle des Anklägers und biederten sich zudem dabei nur all zu gerne an der antirussischen politischen Großwetterlage an. Hochmut, so sagt das Sprichwort, kommt vor dem Fall. Die vermeintlich russische Hackergruppe„Fancy Bear“ veröffentlichte heute die ersten Dokumente, die sie aus einem Hack der Welt-Anti-Dopingagentur WADA erbeutet haben will. Diese Dokumente belegen – so sie denn authentisch sind – systematisches Doping auch bei US-Sportlern. Und „Fancy Bear“ kündigt bereits an, dass viele weitere Dokumente folgen sollen. Von Jens Berger.
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Für das US-Publikum war Simone Biles wohl neben dem Schwimmer Michael Phelps der größte Star der Spiele von Rio. Nicht zu unrecht, schließlich konnte die afroamerikanische Turnerin in Rio vier goldene und eine bronzene Medaille gewinnen. Was für ein Erfolg. Dumm nur, dass mindestens drei der Dopingproben, die Biles in Rio abgab, positiv ausfielen. Die Proben enthielten, so die geleakten Dokumente, Methylphenidat, besser bekannt unter dem Handelsnamen Ritalin, ein Stoff, der als Stimulanz auf der Dopingliste steht. Warum gab es keine große Meldung, warum wurden der US-Turnerin die Medaillen nicht wieder abgenommen? Ganz einfach, Biles Betreuer deklarierten am 16. August – pikanterweise also zumindest laut den geleakten Dokumenten erst nach Auswertung der Dopingproben -, dass sie das Methylphenidat enthaltende Präparat namens Focalin XR eigenommen habe und dies medizinisch gerechtfertigt sei. Warum die Sportlerin ein Medikament einnehmen „muss“, das auf der Dopingliste steht, ist freilich unbekannt.
Ähnlich sieht es bei der berühmten US-Basketballerin Elena Delle Donne aus. Auch sie hat in Rio Gold gewonnen, auch sie wurde positiv auf Dopingmittel getestet. Und zwar auf Amphetamine und Hydrocortison, das sie offenbar bereits seit mindestens zwei Jahren ganz legal verabreicht bekommt. Natürlich stehen Amphetamine und Hydrocortison auf der Dopingliste. Delle Donne hat jedoch – laut Akten – eine Sondergenehmigung erhalten.
Die von den russischen Hackern veröffentlichten Dopingakten der tennisspielenden Williams-Schwestern lesen sich im Vergleich zu den bereits genannten Dokumenten wie eine umfassende Dopingtestreihe. Angefangen bei Oxycodon, einem Schmerzmittel, das in Deutschland sogar auf der BTM-Liste steht, über das Opioid Hydromorphone, die Steroide Prednisolon, Triamcinolon, Foromoterol und Methylprednisolon. Sicher, rein theoretisch kann es sein, dass beide Williams-Schwestern schwer bronchenkrank sind und die ganzen Steroide und Opioide brauchen, um ein normales Leben zu führen. Aber verkaufen wir uns doch hier bitte selbst nicht für dumm. Ein einfacher Blick auf die Muskelberge der Tennisspielerinnen reicht doch eigentlich aus, um 1+1, also Steroide und unnatürliche Muskelbildung zusammenzuzählen und auf 2, also Doping zu kommen. Auch das Doping der Williams-Schwestern war wohlgemerkt vollkommen legal. Sämtliche „Ausnahmegenehmigungen“ zum Doping wurden vom zuständigen „Doping-Experten“ des Welt-Tennis-Verbandes ITF, Dr. Stuart Miller, autorisiert. Wir lernen – Doping ist nur dann Doping, wenn es nicht von einem Verbandsfunktionär erlaubt wird. Hätten das die Russen nur vorher gewusst.
Man darf gespannt sein, welche Dokumente „Fancy Bear“ noch veröffentlicht. Nach eigenen Angaben wird uns da noch einiges erwarten. „Wait for sensational proof of famous athletes taking doping substances soon“. Wir warten und sind gespannt. Nicht nur auf die weiteren Dokumente, sondern natürlich auch ob und wie die großen westlichen Medien auf diesen Scoop reagieren. Wird man die zur Schau gestellte moralische Überlegenheit hinterfragen? Wird man die Veröffentlichung nutzen, um endlich eine gesamtgesellschaftliche und globale Anti-Doping-Debatte anzustoßen? Und wird man sich bei den Russen entschuldigen? Na, so weit wird man sicher nicht gehen.