Wie Steinbrück hoch- und Lafontaine niedergeschrieben wird – zwei Musterbeispiele für gelungene PR.
Im Mai 2003 war ich einmal zur Sendung „Sabine Christiansen“ eingeladen. Ein Freund, der sich in der Berliner PR-Szene auskennt, ließ mich vorher wissen, ich solle darauf achten, wer vor und nach der Sendung scheinbar unbeteiligt herumstehe. Ich folgte seinem Rat und entdeckte den Publicrelations-Berater von Sabine Christiansen, der zugleich der Berater des damaligen Finanzministers Hans Eichel war. Er hatte aus einem gescheiterten hessischen Ministerpräsidenten einen bestens angesehenen Bundesfinanzminister gemacht, den Sparkommissar Hans Eichel. Mit der Realität hatte sein Image wenig zu tun. In seiner Zeit wurde weder gespart noch wurde die Wirtschaft durch die Sparversuche nach vorn gebracht. Steigende Schulden und wirtschaftliche Stagnation waren das Ergebnis. An den davon unabhängigen PR-Erfolg wird man erinnert, wenn man in diesen Tagen die Geschichten über Eichels Nachfolger Peer Steinbrück liest. Und sozusagen als PR-Gegenstück die Agitation gegen Oskar Lafontaine. Es folgen zwei Beispiele für eindeutig PR-geprägte Medienprodukte. Albrecht Müller
Zum einen ein Artikel über Peer Steinbrück im Berliner Tagesspiegel von heute (Anlage A) und zum zweiten ein Interview mit Oskar Lafontaine in der Süddeutschen Zeitung vom 4.10.. Lassen Sie beide Stücke nacheinander auf sich wirken, und Sie erfahren sehr viel darüber, mit welchen Tricks und Methoden in Deutschland Meinung gemacht wird.
Es sind zwei von vielen Medienprodukten, die alle in die gleiche Richtung laufen. Der amtierende Bundesfinanzminister Steinbrück wird hochgeschrieben, Lafontaine wird wie Die Linke insgesamt niedergeschrieben. Das sind durchgehend gesteuerte Geschichten, die mit der jeweiligen Realität allenfalls am Rande zu tun haben.
Auch Steinbrück ist ein gescheiterter Ministerpräsident. Er wurde in Nordrhein-Westfalen abgewählt. Offenbar ist ein solches Scheitern eine gute Bedingung dafür, zur gefügigen PR-Figur zu werden: Steinbrück hat wesentlich dazu beigetragen, den Finanzmarkt Deutschland für unseriöse Finanzpapiere und für Hedgefonds zu öffnen, er schwärmte von den angelsächsischen Finanzplätzen mit den ökonomisch widersinnigen Vergütungen und wollte einen ähnlichen Finanzplatz hier bei uns installieren; er hatte noch vor vier Wochen so getan, als sei die Finanzkrise eine Sache der USA und wir seien fein raus; er hat die öffentlichen Subventionen an die private IKB zu verantworten und den Hauptverantwortlichen seines Ministeriums vom Ministerialdirektor zum Staatssekretär befördert; er hat sich gerade mal vor etwa 10 Tagen von den Verantwortlichen der Hypo Real Estate (HRE) sowie vom Bundesbankpräsidenten und dem Präsidenten der Finanzkontrolle Bafin das erste Rettungspaket für die HRE aufschwätzen lassen; es galt gerade mal eine Woche.
Und jetzt wird er vom Tagesspiegel als „Manager der Deutschen in diesem Finanzinferno“ dargestellt. Der Flop mit dem ersten Rettungspaket für die HRE wird im Tagesspiegel zur PR-Story für Steinbrück umgedreht.
Sein Wirken wird mit Helmut Schmidts Zupacken bei der Sturmflut in Hamburg im Jahre 1982 verglichen. Eine echte Publicrelations-Story, denn tatsächlich hatte Steinbrück die Sturmflut verschlafen.
Steinbrück, der Volkswirt, wird als „Kenner seines Faches“ vorgestellt. Ich kenne keinen guten Nationalökonomen, der in Steinbrück eine fachliche Kapazität sieht. Im Gegenteil. Von ihm kennt man vor allem Flops und die Missachtung wichtiger Instrumente: er missachtet aus ideologischen Gründen die Vielfalt der finanz- und wirtschaftspolitischen Instrumente und verkennt die Notwendigkeit, wirtschaftspolitische Entscheidungen rechtzeitig zu treffen; er hat das Wahlversprechen der SPD, die Mehrwertsteuer nicht zu erhöhen, gebrochen und mit 3 Punkten Mehrwertsteuererhöhung die Steuererhöhungsabsicht der Union noch übertroffen; er ist damit mitverantwortlich für den Einbruch des Konsums und der Binnenkonjunktur; Steinbrück hat sich geweigert, etwas zur Beförderung der Binnenkonjunktur zu tun, als die Gefahren schon mit Händen zu greifen waren; er glaubt, er erreiche einen Spar-Erfolg, wenn er sparen will. Er hat nicht einmal erkannt, dass sein bisschen Sparerfolg vor allem die Folge des kleinen wirtschaftlichen Aufschwungs war und nicht seiner Spar-Absicht. Er denkt einzelwirtschaftlich und hat von volkswirtschaftlichen Zusammenhängen offenbar wenig Ahnung.
Das ist nicht weiter von Nachteil, wenn man von Publicrelations-Fachleuten und begleitet wird und über die notwendige Medienpräsenz verfügt. Dass selbst sich als seriös betrachtende Medien wie der Tagesspiegel solche von PR triefenden Artikel veröffentlichen wie jener in Anlage A, bestätigt sein Kalkül: es kommt nicht auf die Sache, es kommt auf die notwendige Meinungsmache, auf die Professionalität der PR und die Gefügigkeit der Medien an.
Bei Oskar Lafontaine erfahren wir den gleichen Mechanismus, nur mit entgegengesetzter Stoßrichtung. In dem Interview mit der Süddeutschen Zeitung (Anlage B) sind in den Einführungstexten und Fragen nahezu alle wichtigen Botschaften gegen ihn und Die Linke untergebracht:
- Lafontaine der Besserwisser. – Das lesen wir schon in der Unterzeile zur Überschrift.
- Lafontaine, der eigentlich von der Ökonomie keine Ahnung hat: Währungsschwankungen sind nicht das Problem, die Funktion des Marktes nicht kapiert, usw..
- Lafontaine, der Ideologe, der Bewunderer des Staates und Missachter des Marktes.
- Lafontaine, das Verwaltungsratsmitglied der KfW, sei mitverantwortlich für die Krise der die IKB und die verantwortungslose Zahlung der KfW an Lehman Brothers. Eine obskure Einlassung, die aber durch die Massivität und Wiederholung der Verbreitung glaubhaft wird.
- Lafontaine, der aus der Verantwortung flüchtet und den Bettel hinschmeißt.
In diesem Interview sind nahezu alle Standardangriffe untergebracht. Die meisten haben mit der Realität nichts zu tun. Das spielt aber keine Rolle.
In den Fragen des Interviews werden auch über Lafontaine hinausgehende Botschaften untergebracht, die der neoliberalen Ideologie und der Finanzindustrie am Herzen liegen:
- So die Behauptung, Milliarden-Programme für die Konjunktur hätten nirgendwo und nie funktioniert.
- Oder die positive Bewertung der großen Gewinne der Investmentbanker, die von Lafontaine als Ergebnis krimineller Handlungen bezeichnet werden.
- Oder die Behauptung, vor allem die „staatlich kontrollierten Institute“ der Finanzindustrie „murksen ohne Ende“.
- Oder die wiederholte Behauptung, der Finanzmarkt sei kastriert, wenn der Casinobetrieb eingestellt wird.
Das Interview ist in den Fragen voll von Aggressivität, voll von Ideologie und auch von Ahnungslosigkeit. Die beiden Interviewer können ein solches Interview eigentlich nur ins Blatt heben, wenn gewährleistet ist, dass auch in anderen Medien die gleichen Vorwürfe, die gleichen Angriffe, auch die gleichen intellektuellen Schwächen vorkommen. Nur dann, nur dann wenn über Publicrelations diese Gleichschaltung erreicht ist, fallen die eigenen Schwächen und falschen Aussagen nicht mehr auf.
Ich bin überzeugt davon, dass beide Produkte, sowohl der Artikel im Tagesspiegel wie das Interview in der Süddeutschen Zeitung, PR-gesteuert sind. Für die Wirksamkeit der PR-Kampagnen ist es von großer Bedeutung, dass solche Kampagnen ihren Niederschlag nicht nur in Blättern wie der Bild-Zeitung, sondern auch in als seriös geltenden Medien wie Tagesspiegel, Süddeutsche Zeitung, Zeit, Presseclub und in den verschiedenen Talkshows finden.
Anlage A
Peer Steinbrück: Gegen alle Wetter
Kurz, knapp, kontrolliert, so wirkt er. Finanzminister Peer Steinbrück, der Mann, der Deutschland durch die Krise führen soll. Ein Sozi, der etwas vom großen Geld versteht.
Quelle: Tagesspiegel vom 7.10.2008
Anlage B
Lafontaine im SZ-Interview: “Investmentbanker sind kriminell”
Oskar Lafontaine über seine Reformvorschläge für die Finanzmärkte und warum er schon vor zehn Jahren alles besser wusste.
Interviewer: D. Brössler und A. Hagelüken
Quelle: SZ vom 4.10.2008