Nehmt dem irren Putin die Killerdelfine weg!
Es gibt Überschriften, die sind so dämlich, dass man gar nicht glauben mag, dass es sich hierbei nicht um eine Satire handelt. Die Überschrift „Putin züchtet sich neue Killer-Delfine“ gehört zweifelsohne dazu. Dies meldete in dieser Woche das in Österreich sehr populäre Nachrichtenportal oe24 und reicherte die Meldung gleich noch mit einem Screenshot an, der Putin beim Bad mit zwei Delfinen zeigt.
Killerdelfine! Wie hat der gute Mann das Bad bloß überlebt? Mit dem gleichen Bild und fast den gleichen Worten „informiert“ auch die Schweizer Boulevardzeitung Blick von Putins Delfinen, die von den gewohnt seriösen Schweizern jedoch nicht als Killerdelfine, sondern nur als Kampfdelfine beschrieben werden, die dafür aber in einer „brutalen Einheit“ ihren Dienst tun. Die Überschrift des Schweizer Artikels lautet übrigens nicht weniger unfreiwillig komisch „Putin rüstet Delfin-Armee auf“. Wenn es um Russland geht, scheint der schreibenden Zunft wirklich keine Peinlichkeit zu dämlich zu sein, um sie nicht zu drucken. Von Jens Berger.
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Dass der russische Präsident es deutschsprachigen Journalisten nie wird Recht machen können ist bekannt. Sogar wenn Wladimir Putin höchstpersönlich übers Wasser laufen könnte, würden unsere Medien sicher titeln: „Skandal! Putin kann nicht schwimmen!“ So kann es auch nicht ernsthaft überraschen, dass für unsere Medien aus zwei possierlichen Delfinen, die mit dem Leibhaftigen in einem Becken plätschern grauenerregende „Killerdelfine“ werden. Im Umfeld von Putin wird offenbar alles zu einer Bedrohung.
Selbst Putins lammfrommer Labrador „Conni“ wurde von den deutschen Medien schon zu einer ernsthaften Bedrohung für unsere liebe Kanzlerin aufgeblasen. Ein Glück, dass der russische Präsident noch nie in Gegenwart von einem kleinen Hamster gefilmt wurde … Claus Kleber hätte aus dem Hamster wahrscheinlich eine Bedrohung für das gesamte christliche Abendland (wenn Sie ein Freund lustiger YouTube-Filme sind, klicken Sie den Link ruhig an) gemacht.
Bleiben wir aber bei den Delfinen. Was ist dran am Vorwurf, Russland, also Putin höchstpersönlich, denn er ist für unsere Medien ja gleichbedeutend mit Russland, „züchte sich neue Killerdelfine“? Um es kurz zu machen: Nichts. Bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion gab es in Sewastopol in der Tat eine Einrichtung der Schwarzmeerflotte, in der Delfine für militärische Zwecke ausgebildet wurden. Sie sollten beispielsweise den Hafeneingang bewachen und Alarm schlagen, wenn sich Saboteure unter Wasser nähern und Minen ausfindig machen. Jenseits des Atlantiks gab es ein vergleichbares Programm namens „United States Navy Marine Mammal Program“, dessen tierische Absolventen als Minensucher und Wachhunde sogar in diversen Kriegen ihren Dienst fürs Vaterland taten. Zu Hochzeiten des Kalten Krieges hatten die Amerikaner 140 Tümmler in ihren Diensten. Die Sowjetunion musste sich auch im tierischen Rüstungswettlauf geschlagen geben; der real existierende Sozialismus konnte nur 120 Delfine für seinen militärischen Dienst gewinnen. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion endete auch dies. Die Ukraine wollte oder konnte das Projekt nicht weiter finanzieren und die „Killerdelfine“ wurden verkauft – ein Großteil laut diverser Quellen übrigens in die Türkei, wo Flipper und Co. ihren Dienst als Therapiedelfine antraten. (Je nach Quelle) drei oder vier Delfine wurden jedoch der iranischen Marine verkauft, um als Schurkendelfine die Straße von Hormus unsicher zu machen … dies hatte die BILD tatsächlich in den 90ern gemeldet, also muss es stimmen.
Was von den Märchen über Kampf- und Killerdelfine generell zu halten ist, können Sie übrigens ausführlich auf den Seiten der Gesellschaft zur Rettung der Delphine nachlesen. Gar nichts! Geschichten von Killerdelfinen tauchen immer nur dann auf, wenn es darum geht, ordentlich Propaganda zu machen. „Putins Killerdelfine“ beispielsweise sind – wie könnte es anders sein – eine Erfindung des Focus, bei dem sie bereits vor zwei Jahren als „Kamikazedelfine“ die Welt bedrohten.
Hintergrund der aktuellen Meldung ist übrigens, dass der Guardian herausgefunden haben will, dass die russische Regierung über ihre interne Ausschreibungswebsite fünf Delfine sucht … dass die Delfine für „Kampfoperationen“ gesucht werden und einen „Killerinstinkt“ vorweisen müssen, ist übrigens ein lupenreine Erfindung des Guardian, bei dem man manchmal auch nicht weiß, wo der Journalismus aufhört und trockene britische Satire anfängt.
Am Ende noch ein kleiner Schmunzel-Fakt: Das amerikanische Delfinprogramm wird im nächsten Jahr zu seinem 50. Geburtstag übrigens eingestellt. Die Delfine sind schlicht zu teuer geworden und werden gegen Unterwasserdrohnen und –roboter eingetauscht. Willkommen im 21. Jahrhundert! Wer weiß, vielleicht will Putin die amerikanischen „Killerdelfine“ ja direkt übernehmen? Oder fallen die unter das Kriegswaffenkontrollgesetz? Man weiß so wenig.