Kriegsgefahr (I) und auf Feindschaft getrimmte Medien – eine gefährliche Konstellation
Am 15. Januar hatte ich in einem Beitrag einen Perspektivenwechsel vorgeschlagen. Das betraf die gesellschaftspolitische Ausrichtung und das Verhältnis zu den USA. Das Thema Krieg und Frieden und die Krise der Demokratie hatte ich auf später vertagt. Gedanken zur Kriegsgefahr und den notwendigen Perspektivwechsel folgen heute und morgen in zwei Teilen. Im ersten Teil beschäftige ich mich mit der erkennbaren Lust vieler Medien auf Konflikt, auch solcher Medien, die die Verantwortlichen für die Entspannungspolitik und den Abbau der Konflikte zwischen West und Ost in den sechziger und siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts noch als Partner betrachten konnten. Spiegel, Stern, ARD, ZDF, Die Zeit, die Süddeutsche Zeitung usw. gießen heute Öl ins Feuer. Albrecht Müller.
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Der kalte Krieg und die Entspannungspolitik
Nach dem Kriegsende von 1945 kam es zum Konflikt zwischen den Partnern des Zweiten Weltkrieges, dem Westen und der Sowjetunion, der dann gegründeten NATO und dem Warschauer Pakt. Die Deutsche Einheit gab‘s nicht, stattdessen die Integration der Bundesrepublik Deutschland in die westliche Allianz und der DDR in den Warschauer Pakt. Die „geistige“ Aufrüstung gegen die andere Seite wurde auf beiden Seiten Deutschlands intensiv betrieben. Der Kalte Krieg erschlug in den fünfziger Jahren jeden Gedanken für ein friedliches Zusammenleben. Der Mauerbau war das Symbol der Unfruchtbarkeit dieser Konfrontation. Für umsichtige Politiker und viele Menschen außerhalb der aktiven Politik hatte diese Konfrontation keine Zukunft, zumal es durchaus Situationen gab, in denen der Kalte Krieg zum heißen werden konnte, bis hin zum Atomkrieg. Schon in den fünfziger Jahren und dann offen gelegt anfangs der sechziger Jahre gab es Überlegungen, die Konfrontation abzubauen.
Der Grundgedanke und wichtige Überlegungen für den Abbau der Konfrontation
Die Idee war relativ einfach. Uns passt das System, das Wirtschaftssystem und der Umgang mit Menschen in der Sowjetunion und bei ihren Satelliten, wie es hieß, zwar nicht. Aber ein Krieg lohnt nicht und führt auch nicht zum Ziel. Wenn wir schon Einfluss nehmen wollen auf die innere Entwicklung der Gegenseite, dann nicht durch Konfrontation, sondern durch Zusammenarbeit. Die Formel, die in einem Zirkel um Willy Brandt entwickelt wurde und von Egon Bahr 1963 verkündet wurde, hieß: Wandel durch Annäherung. Darauf baute die Entspannungspolitik – oder die Vertragspolitik, wie man auch sagte – auf. Wir erreichen dann eine Veränderung, so der Grundgedanke, wenn wir uns vertragen. Diese Strategie, die wie wenig anderes in der Politik langfristig angelegt war, war erfolgreich.
Es gab ein wichtiges Beiwerk, ein paar Denk und Handlungsanweisungen:
- Wichtig, so die Überlegung, ist es, sich in die Lage des Gegenüber zu versetzen. Wenige Deutsche hatten bis dahin realisiert und in ihre Überlegungen und Grundeinstellung aufgenommen, dass die Völker Osteuropas im Zweiten Weltkrieg unglaublich hohe Opfer erleiden mussten. Allein in der Sowjetunion kamen etwa 20 Millionen Menschen um. Die Verfechter und Anheizer des kalten Krieges hatten davon nicht Notiz genommen.
- Wichtig war, bei den bisherigen Gegnern Vertrauen zu schaffen. Deshalb wurde zumindest in die deutsche Politik der Begriff „vertrauensbildende Maßnahmen“ eingeführt. Das hatte praktische Bedeutung: wer sich als Politiker, als Medienschaffender oder wichtige Person des öffentlichen Lebens über die Gegenseite und ihre Politik äußerte, bedachte die Notwendigkeit, nach 20 Jahren Kalten Kriegs Vertrauen aufzubauen.
So ist es gelungen, vorhandene Feindbilder abzubauen, und Mehrheiten im Volk auch für schwierige Entscheidungen wie etwa die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze zu bekommen.
Die Unterstützung der Entspannungspolitik durch die Kirchen, die Gewerkschaften, einen Teil der Wirtschaft und einen einflussreichen Teil der Medien war sehr wichtig
Die Evangelische Kirche hat mehrheitlich die Entspannungspolitik mitgetragen, zum Teil sogar vorgedacht. Ähnlich Teile der Katholischen Kirche. Gewerkschaften unterstützten die neue Linie und Teile der Wirtschaft erkannten, wie wichtig für sie die Zusammenarbeit mit dem Osten sein wird.
Der Springer-Konzern mit seinen Blättern war mehrheitlich skeptisch bis aggressiv. Aber bei anderen Medien fand die neue Ost-Politik aktive Unterstützer. Das galt für überregionale Blätter wie Frankfurter Rundschau und Süddeutsche Zeitung, die Zeit und vor allem auch für den Stern und den Spiegel. Und es galt zumindest für Teile der ARD und des ZDF. Wer etwas auf sich hielt, hetzte nicht mehr gegen den Osten.
Das ist heute ziemlich anders.
Heute nutzen diese Medien auch noch die albernste Gelegenheit zum Anheizen des Konfliktes
Ein Musterbeispiel dafür war die Berichterstattung von ZDF und ARD vom 15.3.2016 über den Teilabzug russischer Streitkräfte aus Syrien. Da wurde die Information über den Teilabzug genutzt, um den Eindruck zu erwecken, dass Russland und Putin die eigentlich Verantwortlichen für das ganze Elend in Syrien seien. Mir fiel das auf und ich hätte eigentlich sofort etwas schreiben sollen, ließ es aber sein, weil ich nicht schon wieder unsere Hauptmedien kritisieren wollte. Dann kam jedoch eine Mail von einem Freund der NachDenkSeiten. Er hatte das genauso empfunden wie ich. Siehe die Mail im Anhang 1. Der letzte Satz fasst zusammen, was typisch ist für unsere ehedem einmal seriösen Medien:
„Die Nachrichtensendung bildete einen Eindruck ab, als führe Russland den Krieg dort in Syrien, habe ihn verursacht und so weiter.“
Sie personalisieren den Konflikt – insbesondere Spiegel und Stern sind nicht mehr wieder zu erkennen
Spiegel und Stern waren von großer Bedeutung für das Meinungsbild zur Entspannungspolitik. Sie haben, verbunden mit Namen wie Günter Gaus als Chefredakteur des Spiegel und Henri Nannen als Herausgeber und Chefredakteur des Stern, viel für die Verständigung zwischen West und Ost und ihre Verankerung in Deutschland getan.
Wie sich die Zeiten geändert haben, kann man symbolisch und faktisch daran festmachen, was wir heute von den führenden Leuten dieser Blätter in diesen Blättern finden.
So hat der Vizechef Außenpolitik des Spiegel, Mathieu von Rohr, in der Spiegel Ausgabe 8/2016 einen Leitartikel geschrieben unter der Überschrift: „Putins Aggressionen. Russland ist nur so stark, wie der Westen schwach ist.“ (Hier der Link, leider nur auf die englische Version)
Von Rohr wendet sich gegen jene, die die falsche Vorstellung hegen, „man müsse mehr miteinander reden und weniger kritisieren“. Wörtlich heißt es dann:
„Die Lehre aus Syrien und der Ukraine muss im Gegenteil lauten: Alle Versuche, Russland durch Annäherung und Umschmeichelung zum Einlenken zu bewegen, sind gescheitert. Putin würde sich nur von einem glaubwürdigen Drohszenario des Westens beeindrucken und zur Kooperation bewegen lassen.“
Was der Vizechef des Ressorts Außenpolitik des Spiegel hier formuliert, nannte man im Kalten Krieg der fünfziger und sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts „Politik der Stärke“. So wie hier und heute im Spiegel haben sich damals die fanatischen Springer-Journalisten und Gerhard Löwenthal im ZDF Journal geäußert.
So haben sich die Zeiten geändert. Nicht zum Guten. Die oben zitierten positiven und wirkungsvollen Regeln der Verständigung – sich in die Rolle des anderen versetzen, Vertrauen bilden – werden missachtet, ja quasi auf den Kopf gestellt.
Wie der Spiegel gießt auch der Stern Öl ins Feuer. Auch hier in der oberen Etage. Vom Chefredakteur des Stern konnten wir am 9.2.2016 in einem sogenannten Memo folgendes lesen:
Wladimir Putin – der selbstgerechte Aggressor
Wladimir Putin lässt in Syrien Dörfer und Städte einäschern, der Terrorismusvorwurf dient ihm als pauschale Rechtfertigung. Damit verhöhnt der russische Präsident das Völkerrecht und den Zivilisationsgedanken.
Von Andreas Petzold
Das ist wie in vielen andern deutschen Medien die westliche Lesart und die erkennbare Strategie, die Russen für das Elend in Syrien und die daraus folgende Flüchtlingswelle verantwortlich zu machen. Auch hier wird die Methode äußerster Personalisierung eingesetzt, so als würde Putin in Moskau alleine das Sagen haben. Personalisierung ist übrigens eine bewährte Methode beim Aufbau von Feindbildern. Dass bei uns jetzt Medien daran mitbasteln, die ehedem als seriös und fortschrittlich galten, ist besonders bemerkenswert. Es ist zugleich der Schlüssel zur Erklärung des Erfolgs dieser Propaganda. Die heutige Propaganda zum Aufbau von Feindseligkeiten und Konflikten setzt nicht auf die alten Kameraden, sondern auf eher fortschrittlich eingefärbte Medien – so jedenfalls ihr aus der Vergangenheit übernommenes Image.
Sie erzählen abenteuerliche Geschichten, um den Russen am Zeug zu flicken
Um den neuen Konflikt zwischen West und Ost so richtig anzuheizen, werden neuerdings abstruse Geschichten erzählt. So wurde gleich in mehreren Medien von der Zeit bis zur Süddeutschen Zeitung behauptet, Russland ziele mit seiner Politik und seiner Propaganda auf die Destabilisierung Deutschlands und Europas. Aus der Mücke russischer Propaganda, die teilweise ausgesprochen ungeschickt gemacht wird und verglichen mit der westlichen Propaganda wirklich nur eine Mücke ist, wird ein wahrer Elefant – in der Darstellung der westlichen Medien.
Die Behauptung, Politik und Propaganda Russlands ziele auf Destabilisierung ist fern jeder Realität. Wie sollte Russland die Bundesrepublik Deutschland destabilisieren können – nur weil ein paar 100 Russlanddeutsche aus einer Zahl von über 4 Millionen mal demonstrieren? Damit wackelt die Bundesrepublik Deutschland nicht. Genauso wenig wie wegen der Sendungen von RT Deutsch oder Sputnik.
Eigentlich ist die erzählte Geschichte absolut lächerlich. Aber offenbar setzt man darauf, es werde schon etwas hängen bleiben im Kontext der sonstigen Versuche, das Feindbild Osten und Russland neu aufzubauen.
Eine Erklärung für diesen Wandel wichtiger Medien? Schwierig.
Erste Vermutung: USA, NATO – der Westen und die Rüstungswirtschaft haben ihren Einfluss auf diese Medien verstärken können.
Zweite Vermutung: Sie alle wollen zu den Guten gehören. Je schlechter die Lage und die Performance im Westen, umso höher der Bedarf am Niedermachen des Gegenbildes, des selbst gemalten Gegenbildes.
(Im nächsten an den heutigen Text anschließenden Beitrag wird der Frage nachgegangen, ob die Kriegsgefahr wirklich vorhanden ist und wie das Verhalten unserer Politikerinnen und Politiker einzuschätzen ist.)
Anlage
Mail von Frank Blenz zur Berichterstattung von ZDF und ARD zum Teilabzug russischer Streitkräfte aus Syrien am 15.3.2016
…, ich sende Dir mal einen Link der gestrigen ZDF Sendung Heute von 17 Uhr, bei der der Klick auf das Stichwort „Teilabzug in Syrien“ das Thema, der Aufreger, ein weiteres Beispiel für Meinungsmache, in dem Fall sehr plump und sehr böse (vs. Russland), darstellt.
Der Sprecher moderiert an, schon da suggeriert er, in Genf säßen die Vernünftigen, in Moskau hingegen, der Macht kalkulierende (Putin). Und es muss dann einen Anruf nach Washington geben. Und dann schließt er, man muss es erst mit eigenen Augen sehen, dass was passiert gen Frieden… Ja und da kommen wieder die Russen ins Spiel…
- Mission erfüllt, Kampfflieger zurück nach Russland.
- Die Russen ziehen sich zurück aus einem zerstörten Land. NUR ein Teilabzug.
- Nächstes Bilder eine zerstörte Stadt.
- Grafik wird eingeblendet: fünf Jahre Syrien Krieg, bis zu 400.000 Tote, 50 % Zerstörung, 14 Mio. Flüchtlinge.
- Das Kind kommt ins Bild. Der Sprecher: Bomben vertrieben ihn. (russische suggeriert der gesamte Beitrag).
Die Genfer Gespräche machen Hoffnung.
Kein Wort über Ursachen, kein Wort über IS, kein Wort über USA., Saudi-Arabien – den Stellvertreterkrieg. Kein Wort, dass Russland eingreift, um die IS und Co zurückzudrängen. …
Ähnlich wird gestern auch in Heute 19 Uhr und bei Tagesschau berichtet. Private TV Sender schaue ich nicht, ich will gar nicht wissen, wie RTL oder Pro 7 senden.
Die Nachrichtensendung bildete einen Eindruck ab, als führe Russland den Krieg dort in Syrien, habe ihn verursacht und so weiter.