Rentenerhöhung 2015: Kleine Oase nach tiefer und langer Durststrecke
Die Renten steigen zum 1. Juli im Westen um 2,1 %, im Osten um 2,5 %. Das ist ohne Zweifel erfreulich, kann aber nicht darüber hinweg täuschen, dass Neurentner und Bestandsrentner seit 2000 massive Einbußen hinnehmen mussten. Ganz entgegen einer weit verbreiteten Ansicht gibt die deutsche Gesellschaft tendenziell immer weniger ihres Reichtums für die steigende Zahl von gesetzlichen Rentnern aus. Im Folgenden analysieren wir die drei schlimmsten langfristigen Verschlechterungen im deutschen Rentensystem seit 2000.
Sie sind so gravierend, dass wir die Fakten mehrfach kontrolliert haben. Von Gerd Bosbach und Jens Jürgen Korff.
- Neurentner: Erhöhung um gut ein Drittel wäre nötig
Bekamen langjährig Versicherte mit mindestens 35 Versicherungsjahren im Jahr 2000 noch 1021 € als durchschnittliche erste Altersrente, waren es 2013 nur noch 908 €! Da in der Zwischenzeit die Preise um 23,3 % gestiegen sind, müsste die heutige erste Durchschnittsrente um 38,6 % erhöht werden, um die Kaufkraft einer entsprechenden Rente von 2000 wieder zu erreichen. Eine Teilnahme an der gewachsenen Wirtschaftsleistung ist dabei noch nicht berücksichtigt.
Neurentner mit mehr als 35 Versicherungsjahren müssten 2013 gut ein Drittel mehr bekommen, um das Niveau der Renten von 2000 real zu erreichen. Selbst dann blieben sie noch von der Entwicklung der Wirtschaftsleistung ausgeschlossen.
Das trifft Ost- und Westrentner fast gleich stark: West 38,2 %; Ost 39,6 %
- Bestandsrentner: Real z. T. deutlich weniger Geld im Portemonnaie
Durch die jährlichen Rentenerhöhungen stiegen von 2000 bis 2014 die Renten (vor Steuern) im Westen um 15,9 , im Osten um 22,9 %. Klingt gut, wird aber durch die Preissteigerungen von 24,4 % im gleichen Zeitraum mehr als aufgefressen. Berücksichtigt man zugleich, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in diesen Jahren nach Abzug der Preissteigerungen um 15,7 % gestiegen ist, wird klar, dass auch die Bestandsrentner von der wirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt wurden.
Die Rentenerhöhungen liegen seit 2000 unterhalb der Preissteigerungen, im Westen sogar deutlich. Gleichzeitig ist die Wirtschaft in Deutschland real um über 15 % gewachsen, Rentner werden von diesem Wachstum abgekoppelt.
- Rentenanteil am Bruttoinlandsprodukt gesunken
Für die meisten überraschend: Während der Bevölkerungsanteil der Rentner steigt, nimmt der Anteil der gesetzlichen Renten am Bruttoinlandsprodukt ab. Die Ausgaben der Deutschen Rentenversicherung sanken im Verhältnis zur wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland von 10,7 % im Jahre 2000 auf 9,6 % in 2013!
Der Anteil der Ausgaben für gesetzliche Renten am BIP ist von 2000 auf 2013 deutlich gesunken: Von 10,7 auf nur noch 9,6 %. Das bedeutet ein Absinken um mehr als 10 Prozent trotz deutlich steigender Rentnerzahlen.
Fazit
Seit 2000 mussten Neurentner und Bestandsrentner massive Einbußen hinnehmen. Dadurch wurde der Anteil der Ausgaben für die gesetzliche Rente am BIP trotz steigender Rentnerzahlen deutlich gekürzt.
Die Rentenerhöhungen zum 1.7.2015 sind zwar zu begrüßen, aber kein Grund zum Feiern.
Eine grundlegende Verbesserung ist nötig. Ansonsten werden die jetzigen Rentenberechnungsformeln sowie die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt die gesetzliche Rente langfristig noch weiter in den Keller und Millionen von alten Leuten in die Armut treiben.
(Über die Untauglichkeit der angeblichen Alternative, nämlich der Privaten Zusatzrente wurde in den letzten Jahren ausführlich geforscht und berichtet. Gerade für Geringverdiener bringt sie nichts.)
Quellen für die Punkte 1 und 2: Alle Renten-Daten sind entnommen: „Rentenversicherung in Zeitreihen“, DRV-Schriften Bd. 22, Okt. 2014. Angaben zum BIP und den Preisen sind vom Statistischen Bundesamt. Genauere Quellenangaben auf Wunsch.
Die Quellen für Punkt 3 stehen in der Grafik. Nach der Neuberechnung des BIPs von Herbst 2014 ergibt sich ein Rückgang des Anteils der DRV-Ausgaben am BIP von 10,4% in 2000 auf 9,4% im Jahre 2013.
Hintergrund: Das durchschnittliche Niveau der gesetzlichen Renten in Deutschland ist gegenüber den Durchschnittslöhnen deutlich gesunken und liegt auch im internationalen Vergleich extrem niedrig: bei 42,2 % statt 55,5 % (OECD-Durchschnitt).
Quelle: Sebastian Gechert im Faktencheck zu „hart aber fair“, WDR 23.6.2015.
Die noch gravierenderen Kürzungen bei den Erwerbsunfähigkeitsrenten werden hoffentlich von anderer Seite gründlich dargestellt.
Siehe zum gesamten Thema auch Vorsorgeluege.de 02/2015 von Balodis/Hühne