Hinweise des Tages
(AM/KR)
- Die neue Sendung von Anne Will – ein erster Eindruck in Stichworten
Insgesamt war das ein sehr guter Einstand:
- messerscharfe Fragen
- wenn ein Gast sich in Allgemeinplätze flüchten will, fragt sie sofort nach
- schweift jemand ab, führt Anne Will immer wieder konsequent zum Thema zurück
- viel bessere Gesprächsführung: kein chaotisches Aufeinandereinbrüllen der Kontrahenten
Der qualitative Unterschied zu Sabine Christiansens Sendung ist enorm!
Einige Kritikpunkte gibt’s dennoch:
- Obermann durfte behaupten, Hartz IV habe zur Senkung der Arbeitslosigkeit beigetragen, der Sprung von der Arbeitslosigkeit in die Beschäftigung sei leichter geworden, darum müsse man weitermachen.
Niemand fragte nach, was Hartz IV konkret zur Verbesserung beigetragen haben soll. Doch nur so kann man Reformlügen als solche erkennbar machen. - Rüttgers beklagte, der Unternehmenswert steige, wenn Standorte in D geschlossen werden.
Dass dies niemanden zu ängstigen bräuchte, wenn die Menschen sozial besser abgesichert wären und die Binnenkonjunktur besser liefe, es also alternative Arbeitsplätze gäbe; dass Rüttgers also die Verantwortung der Politiker für ihre verfehlte Wirtschaftspolitik auf die Unternehmen abwälzen will, wurde nicht deutlich. - Anne Will fragte Beck direkt: Könnte es sein, dass Hartz IV die Menschen in Angst versetzt?
Beck log (anders kann man es nicht mehr ausdrücken): Nein, das kann überhaupt nicht sein, das ist eine Verdrehung der Tatsachen.
Kurz darauf sagte er wieder die Unwahrheit: Das mussten wir machen, wir waren nicht mehr wettbewerbsfähig. – Nicht mehr wettbewerbsfähige Exportweltmeister ???
Keiner dieser Punkte wurde vertieft. Dabei spricht aus diesen falschen und rhetorisch erschütternd ungeschickten Antworten das schlechte Gewissen des Ertappten, der seine Taten nicht zugeben will.
- Bahnverkauf
- Gutachten der Länder: „Teilprivatisierung der Bahn verstößt gegen Verfassung“
Der Gesetzentwurf zur Teilprivatisierung der Deutschen Bahn ist laut einem Gutachten der Länder verfassungswidrig. Besonders scharf kritisiert das Gutachten die geplante Trennung von juristischem und wirtschaftlichem Eigentum am Schienennetz. „Der Versuch, die verfassungsrechtlichen und wirtschaftlichen Zielsetzungen in Einklang zu bringen, kommt einer Quadratur des Kreises gleich“, heißt es in der Expertise. Als sehr bedenklich schätzt das Gutachten auch den hohen Wertausgleich von derzeit 7,5 Milliarden Euro ein, wenn der Bund nach 15 Jahren das wirtschaftliche Eigentum am Netz zurückkaufen will: „Die öffentliche Hand darf das Netz nicht zweimal bezahlen.“ Teilweise falle auch das Volksaktienmodell hinter die Gemeinwohl-Anforderungen des Grundgesetzes zurück.
Quelle: FAZ - Streit über Stilllegung von Regionalstrecken
Der prognostizierte Rückzug der Bahn aus der Fläche sei “ein Hirngespinst”, betont DB-Chef Hartmut Mehdorn. Die Betreiber des Nahverkehrs in Deutschland hingegen schlagen Alarm: Demnach drohen nach dem Teilverkauf der Bahn höhere Fahrpreise. Außerdem wären für Verbandspräsident Bernhard Wewers massive Stilllegungen von Regionalstrecken und kleinen Bahnhöfen so gut wie programmiert. Jeder siebte Nahverkehrszug könnte bis 2011 gestrichen werden, warnt Wewers.
Quelle: FR-Online - Meine Bahn
Klaus Staeck: „Das Volk wird enteignet, ohne von seinen Vertretern gefragt zu werden. Und fragt man es, ist es mehrheitlich gegen den Börsengang. Hätten die Bahnfahrer eine so starke Lobby wie die Autofahrer mit dem ADAC, würden die Privatisierungspläne der großen Koalition schnell ausgebremst. Für keinen Parlamentarier ist es ehrenrührig, wenn er den vor dreizehn Jahren angeschobenen Bummelzug mit Endstation Börse noch rechtzeitig stoppt und angesichts neuer Erkenntnisse auf den Zug der Vernunft setzt.“
Quelle: FR
- Gutachten der Länder: „Teilprivatisierung der Bahn verstößt gegen Verfassung“
- Bundespräsident: Militär soll mitmischen
Bundespräsident Horst Köhler hat die Bundeswehrführung aufgefordert, sich stärker in die außen- und sicherheitspolitische Diskussion einzuschalten. Die “militärische Elite” erweise dem Land auch dadurch einen großen Dienst, dass sie das “Führungspersonal in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft tüchtig in die Zange” nehme, sagte der Bundespräsident am Freitag vor der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg.
Quelle: FRAnmerkung: Hinter dieser Intervention scheint sich nicht das zu verbergen, was angesichts der bisherigen Amtsführung von Köhler zu erwarten gewesen wäre: „Auch das Parlament “sollte ruhig erfahren”, welche Gedanken sich die Soldaten dazu machen, sagte er – “vor allem wenn sie erleben, dass in einem Einsatzgebiet auch nach Jahren noch keine Fortschritte erzielt wurden oder dass die Zeit, die ihr Einsatz kauft, nicht für den energischen zivilen Aufbau genutzt wird”. Darin stecken Aussagen, in denen große Skepsis des Präsidenten deutlich wird – verpackt in die Aufforderung an die Soldaten, sich “höflich, aber unmissverständlich” zu Wort zu melden.“
Was haben SPD-Politiker dazu zu sagen?: „SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold sprach am Freitag von einer “Gratwanderung”. Beratung der Politik sei erwünscht, Versuche der Einmischung seien aber nicht akzeptabel, sagte Arnold der FR. Kein Offizier könne sich zudem anmaßen, für die Bundeswehr insgesamt zu sprechen.“
Der SPD-Verteidigungspolitiker will einer Störung des Auslandseinsatzes der Bundeswehr vorbeugen. Wieder einmal zeigen Sozialdemokraten sich entschlossen, Politik gegen den Willen der Mehrheit des Volkes zu machen. Siehe dazu auch der nächste Hinweis. - Das Nein der Grünen zum Afghanistan-Mandat
„Die Delegierten haben ihrer Spitze demonstriert, dass Macht ohne Mut und Verantwortung nicht zu haben ist. Was immer man vom grünen Votum zu Afghanistan inhaltlich halten mag: Die Grünen-Basis hat ihrer Führung gezeigt, dass sie lebt und sich derart dilettantisch nicht führen lässt. Das ist die gute Botschaft aus Göttingen.“
Quelle: FRDie Frankfurter Rundschau berichtet darüber vergleichsweise sachlich. Die deutsche Journaille hingegen schäumt über weite Strecken:
- Endlich Frieden am linken Stammtisch
… Opposition macht dumm. Das Nicht-mehr-Regieren lässt betroffene Politiker und ihren politischen Anhang offenbar völlig verwahrlosen. … Die Göttinger Delegierten sehnen sich zurück in eine Welt, in der es wieder Gut und Böse, Schwarz und Weiß und Ja oder Nein gibt. Wer so etwas will, der aber gehört ins Kloster, nicht in die europäische Politik. Doch die Grünen wollen sich endlich wieder gut fühlen am linken Stammtisch, sie wollen endlich wieder einfache Slogans im rhetorischen Sortiment haben. … Das ist politische Regression, man könnte auch Feigheit und Opportunismus dazu sagen.
Quelle: SPIEGEL - Das Ende einer Ära
In Göttingen haben die Grünen ihre Rolle als debattierende Avantgarde aufgekündigt. Nun folgen sie der gesellschaftlichen Stimmung.
Quelle: ZEIT - Grüne und Afghanistan – Auf dem Rückzug
Die Grünen aber entwickeln sich fröhlich zurück zur Illusionärspartei. Das bleibt nicht ohne Folgen für ihre Koalitionsfähigkeit. Mit solch unsicheren Kantonisten kann die Union nicht regieren.
Quelle: FAZ - Grüne – Der GAU von Göttingen
Die Grünen haben sich auf dem Parteitag von Göttingen selbst demontiert.
Quelle: FTD
- Endlich Frieden am linken Stammtisch
- Deutsche wollen immer noch den starken Staat
Nach Meinung der meisten Bürger ist der Reichtum ungerecht verteilt. Zudem befürchten sie, dass die Verhältnisse im Land immer ungleicher werden. Das ist das Fazit einer Studie des Instituts für Sozialwissenschaften der Berliner Humboldt-Universität.
Quelle: WELTAnmerkung: Es spricht für das politische Bewusstsein der Bürger, dass die Propaganda gegen den Staat so wenig bewirkt.
- Fischer vermisst Reformwillen
Der frühere Außenminister Joschka Fischer (Grüne) hat der deutschen Politik vorgeworfen, sich trotz des schärfer werdenden globalen Wettbewerbs auszuruhen. Fischer warnt vor einer schwindenden Bedeutung Europas in der Welt. Deutschland werde in der Welt von morgen ein “mittelständisches Unternehmen” sein und, wenn es nicht aufpasse, ein “Übernahmekandidat”.
Quelle: FTDAnmerkungen: Unsere Leserin M.M. aus Köln schrieb hierzu: „Meines Erachtens ist das Gerede von Fischer pathologisch. Er projeziert seine narzistisch gestörten Machtphantasien auf Deutschland. Und so einer war Außenminister.“
Leserin M. M. hat wahrscheinlich recht: Obwohl er selbst dieses Amt wahrscheinlich nie wieder innehaben wird, fürchtet Fischer stellvertretend für seine Nachfolger einen relativen Bedeutungsverlust des deutschen Außenministers. Doch wenn man etwa an die Rolle der deutschen Politik beim Bürgerkrieg in Jugoslawien denkt, dann könnte der Welt durchaus noch etwas Schlimmeres geschehen.
Außerdem lebt es sich als Mittelständler in dieser Welt ja vielleicht gar nicht so schlecht? China hat 1,321 Mrd Einwohner, in Deutschland sind es 82,3 Mio, in Dänemark 5,45 Mio. Gemessen an der Einwohnerzahl ist Deutschland relativ zu China etwa genauso klein wie Dänemark im Vergleich zu Deutschland. Ob die Dänen wohl nachts schlaflos im Bett liegen und sich vor der Übernahme durch die deutschen Nachbarn fürchten?
Die Sprache Fischers ist schon bezeichnend, einfach nachgeplappert und assoziativ eingesetzt, ohne Beleg. Zum Beispiel:- Mit den Reformen sollen wir also nicht nachlassen.
- Der Mann kann nicht zugeben, dass Schröder-Fischersche Reformpolitik nichts gebracht, sondern großen Schaden angerichtet hat.
- In den USA herrsche eine beeindruckende Dynamik und wir ruhten uns aus.
- Der Mann hat noch nie etwas davon gehört, dass die USA seit Jahrzehnten über ihre Verhältnisse leben, dass die Sparneigung nahe null ist, dass aus der weiter steigenden Auslandsverschuldung große Probleme folgen.
Siehe dazu auch:
Greenspan wirft Bush ökonomisches Versagen vor
Schlechte Noten für George W. Bush: Der frühere Chef der US-Notenbank, Alan Greenspan, wirft der Regierung in seiner Autobiografie finanzpolitisches Versagen vor. Die Republikaner hätten das Land in tiefe Schulden getrieben – der Verlust der Mehrheit im Abgeordnetenhaus sei daher nur verdient.
Quelle: SPIEGEL - Bertelsmann: Herausforderung Asien – Deutschland fehlen die Antworten
… wie eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes TNS Emnid im Auftrag der Bertelsmann Stiftung zeigt.
Quelle: Informationsdienst WissenschaftAnmerkung: Etwa so Strunzdummes hätte man vom Informationsdienst Wissenschaft nun wirklich nicht erwartet: “Herausforderung Asien: Deutschland fehlen die richtigen Antworten”
steht in der Überschrift. Aber nicht im Artikel! Darin geht es nämlich bloß um eine Umfrage. Doch selbst deren Ergebnis wird falsch wiedergegeben. Eine zutreffende Überschrift hätte etwa so lauten müssen: “Herausforderung Asien: Nur eine Minderheit glaubt, dass Deutschland die richtigen Antworten fehlen.” - USA: Marschieren für den Frieden
In Washington gehen Zehntausende auf die Straße, um gegen den Irakkrieg zu demonstrieren. 189 von ihnen werden festgenommen.
Quelle: TAZ - Die Gotteskrieger, die wir riefen
Pakistan ist eine Kaderschmiede des Terrors. Der Westen hat das Land zum Gewaltexporteur gemacht.
Quelle: ZEIT - Der Aufstand der Verbündeten
Die britischen Gewerkschaften kündigen einen heißen Herbst an. Sie sind empört, dass der neue Premier die unternehmerfreundliche Politik seines Vorgängers Blair fortsetzt.
Quelle: ND - Nachrichten aus dem Casino
- Drängeln auf dem Sonnendeck
Anleger stehen in langen Schlangen vor einer Bank, um ihr Erspartes herauszuholen. Notenbanken schießen Milliardensummen in die Finanzmärkte, um das Geschäft der Geldhäuser zu stabilisieren. Fondsmanager flüchten in vermeintlich sichere Währungen, und treiben deren Kurse auf neue Spitzen. Ein Szenario aus dem vergangenen Jahrhundert? Nein. Das ist das Szenario der vergangenen Woche. In England verlangten die Kunden der Hypothekenbank Northern Rock am Freitag ihr Geld zurück. Die Europäische Zentralbank, die US-Notenbank und erstmals auch die Bank of England müssen täglich woanders mit Geld aushelfen. Und der Dollar fiel in der vergangenen Woche gegenüber Euro und Yen auf einen historischen Tiefstand, während der Ölpreis in die Höhe schoss.
Quelle: Der TagesspiegelKommentar: In der Tendenz ihrer Kritik an der Gelassenheit der Verantwortlichen in Berlin hat die Autorin recht. Aber auch dieser Text ist in entscheidenden Passagen geprägt von Fehlurteilen und Klischees. So kann man nach einer langen Durststrecke bei einem Wachstum von vielleicht 2,5% und einem Rückgang des Konsums, messbar an den Einzelhandelsumsätzen mit einem minus von 1,5% seit Juli 2006, wirklich nicht von einem Aufschwung sprechen. Und deshalb ist auch der Hinweis auf Keynes Regel, in guten Zeiten zu sparen, nicht angebracht. Wenn heute, in dieser labilen Situation, versucht wird zu sparen, dann spart man am Ende weniger, als wenn man die Konjunktur weiter gefördert hätte. Siehe dazu auch den heutigen Eintrag zur Manipulation des Monats mit dem Hamsterfilm des BMF.
- Wenn Blasen platzen
Die Krise am US-Hypothekenmarkt und ihre internationalen Auswirkungen (Teil I)
Von Sahra Wagenknecht
Quelle: junge Welt - Wuchernde Fäulnis
Die Krise am US-Hypothekenmarkt und ihre internationalen Auswirkungen (Teil II und Schluß)
Quelle: junge Welt
- Drängeln auf dem Sonnendeck