Zu Blüms kritischen Äußerungen über die Justiz – betr. die Bestellung und Unabhängigkeit der Schöffen
Zu unserem Beitrag über die Abschottung der Justiz vor Kritik kam vom NachDenkSeiten-Leser H. L. Laturell eine weiterführende Ergänzung zur Diskussion. Er berichtet von seiner Erfahrung als Schöffe im Saarland. Albrecht Müller.
Vor ein paar Jahren war ich Schöffe an einem saarländischen Gericht. Vor meiner ersten Verhandlung sprach ich den Richter darauf an, ob wir Schöffen nur Statisten, also Zuhörer seien, oder uns auch mit Fragen an der Urteilsfindung beteiligen dürften. Natürlich dürften wir Schöffen auch Fragen stellen hieß es und das tat ich dann auch. Meine Mitschöffen blieben derweil allesamt stumm und verhielten sich eher passiv. Als ich dann in einem besonderen Fall gegen das Urteil eines Richters stimmte und meinen Mitschöffen auch noch davon überzeugen konnte, hatte ich wohl das Maß überschritten. Der Richter tat gekränkt und meine bis Dato bereits festgelegten letzten Verhandlungstermine fielen plötzlich alle aus. Noch hatte ich keinen Verdacht und hielt es für normal.
Bei den nächsten und folgenden Schöffenwahlen kam ich nicht mehr zum Zug. Dann hatte ich beiläufig ein Gespräch mit einem Rechtspfleger, schilderte dabei mein Erlebnis und bekam zur Antwort, dass das der Normalfall sei. Kein Richter wolle mit Schöffen zusammenarbeiten, die ihre Entscheidungen in Frage stellten oder sich gar mit eigenen Fragen in die Verhandlung einmischten, hieß es.
Nun ist es so, dass Schöffen gewählt werden und die Wahl nicht immer auf die selben fallen kann, weil ja “geheim” bzw. “anonym”, glaubte ich. Ich bin dennoch verwundert, dass manche Schöffen immer wieder gewählt werden, sozusagen unheimliches Glück bei der Wahl haben. Meistens sind es dann Personen, die von den Parteien nach dem Parteienproporz zum Schöffen vorgeschlagen werden. Die erste Frage, die mir bei meiner allerersten Bewerbung zum Schöffen gestellt wurde war dann auch die: Welcher Partei gehören sie an? Als ich damals sagte, dass ich keiner Partei angehöre wurde mir gleich beschieden, dass ich wohl keine Aussicht auf eine Wahl zum Schöffen habe.
Es ist schon eine lange Zeit her, da wurde uns in er Schule gelehrt, dass Schöffen nach dem Zufallsprinzip ernannt werden und das Amt auch nicht ablehnen können. Zumindest das Zufallsprinzip scheint derweil abgeschafft und dem Parteienproporz geopfert worden zu sein. Nach meinen Erfahrungen als Schöffe in Prozessen habe ich inzwischen vor nichts mehr Angst, als vor Gericht einem faulen und trägen, an der Wahrheitsfindung uninteressierten Richter ausgeliefert zu sein, der es zudem nicht erträgt, wenn man ihm widerspricht. Wenn jetzt im Zuge, der vor dem Verfassungsgericht beklagten Richterbesoldung von einer besonderen Verantwortung der Richter die Rede ist, die es auch zu honorieren gilt, rollen sich mir ein wenig die Zehennägel nach oben. Kein Richter wurde je wegen einen Fehlurteils zur Verantwortung gezogen und wem das Geld fehlt, sich durch die Instanzen zu boxen, der hat eben die Arschkarte.
H. L. Laturell.