Hinweise des Tages
(KR/WL)
- Erleben wir einen “Minsky-Moment”?
Ein halb vergessener US-Ökonom erlebt plötzlich eine Renaissance: Die Theorien von Hyman Minsky, der im Jahr 1996 77-jährig starb, werden unter Volkswirten nun lebhaft diskutiert. Denn Minsky entwickelte eine Theorie darüber, wie Finanzblasen entstehen und platzen. Minsky, geboren in Chicago, fand zu Lebzeiten nur wenig Gehör, denn er war in einer Zeit aktiv, in der die neoliberale Schule der Ökonomie, die in Reaktion auf die Theorien von John Maynard Keynes entstanden war, auf ihrem Höhepunkt war. Die meisten neoliberalen Wirtschaftswissenschaftler sind überzeugt, dass die Finanzmärkte “effizient” seien. Da kam eine Theorie, die aufzeigte, wie Finanzmärkte unweigerlich Schulden- und Kreditblasen produzieren, wenig gelegen.
Quelle: FRAnmerkung: Wer etwas mehr darüber lesen möchte, dem sei das englischsprachige Wikipedia empfohlen.
Wer viel mehr darüber lesen möchte, kann zu einer Dissertation der Wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg in der Schweiz greifen: „Die Hypothese finanzieller Instabilität von Hyman P. Minsky“ [PDF – 920 KB] - Bahnprivatisierung:
- Fit für die Börse durch Zurückhaltung bei Instandsetzungsinvestitionen
Die Deutsche Bahn fährt beim Schienennetz auf Verschleiß. Obwohl im vergangenen Jahr gut eine halbe Milliarde Euro mehr als 2005 in die bestehenden Strecken gesteckt wurden, ist das durchschnittliche Alter aller Anlagen gestiegen. Das geht aus dem Infrastrukturzustands- und -entwicklungsbericht 2006 hervor.
Aus Kreisen des Verkehrsministeriums erfuhr der Tagesspiegel, vieles deute darauf hin, dass die Bahn sich gezielt bei der Instandhaltung zurückhalte und abwarte, bis Gleise ersetzt werden müssen. Schließlich müsse die Bahn die Instandhaltung selber bezahlen, während Ersatzinvestitionen zum größten Teil vom Bund getragen werden.
Quelle: Der Tagesspiegel - Neue Bahn – alte Gleise
Zu Bundesbahnzeiten wurde fast immer mehr investiert. Die Bahngleise in Deutschland sind im Schnitt 19,8 Jahre alt. Das sind 0,2 Jahre mehr als 2005. Diese Zahl nennt die Deutsche Bahn in einem Bericht für das vergangene Jahr, der dem Tagesspiegel vorliegt. Bei den stärker beanspruchten Strecken, auf denen schneller als 159 Kilometer pro Stunde gefahren wird, liegt der Wert bei 18,4 Jahren – ebenfalls 0,2 Jahre mehr als im Vorjahr. Der Weichenbestand ist noch stärker gealtert – um 0,4 Jahre auf 16,9 Jahre. Die Bahnsteige in Deutschland sind im Schnitt 47,6 Jahre alt, im Vorjahr war der Wert noch genau ein Jahr niedriger.
Quelle: Der Tagesspiegel
- Fit für die Börse durch Zurückhaltung bei Instandsetzungsinvestitionen
- Mindestlohn für Postbedienstete als Danaergeschenk
Die Große Koalition will die Postdienste ins Entsendegesetz aufnehmen. Hintergrund der Vereinbarung ist das ebenfalls von der Koalition abgesegnete Auslaufen der Exklusivlizenz der Deutschen Post AG für die Briefzustellung am 31. Dezember dieses Jahres. Die privaten Postdienstleister sehen die Entwicklung gelassen. Bernd Jäger, Sprecher des “Aktionsforums Mehr Farbe im Postmarkt” erklärte am Dienstag: “Einen tariflichen Mindestlohn würden wir begrüßen«. Dieser könne schließlich auch dazu führen, dass über diesem Niveau vereinbarte Vergütungen „in Frage gestellt würden”. Dem Aktionsforum gehören mehrere Branchenverbände und auch die größten Postkonkurrenten PIN und TNT an.
Quelle: junge Welt - Weiter Zahlungen für schwangere Arbeitslose mit Beschäftigungsverbot
Für arbeitslose Frauen, die während der Schwangerschaft vom Arzt ein Beschäftigungsverbot erhalten, muss weiter die Bundesagentur für Arbeit aufkommen. Sie dürfen nicht vom Bezug des Arbeitslosengelds ausgeschlossen und auf das von den Kassen zu zahlende Krankengeld verwiesen werden, wie das hessische Landessozialgericht in einem am Dienstag veröffentlichten Urteil entschied. Eine Schwangerschaft sei keine Krankheit, stellten die Darmstädter Richter klar.
Quelle: Frankfurter RundschauAnmerkung von Martin Betzwieser: Das gilt für jeden Arbeitgeber. Schwangerschaft ist keine Krankheit und der Arbeitgeber muss bei Beschäftigungsverbot zahlen, bekommt die Kosten dafür aber über U2-Anträge von der Krankenkasse ersetzt. Aber die Arbeitsagentur muss darüber erst vom Gericht per Urteil belehrt werden.
- Was private Monatsrenten wirklich bringen
Für Versicherer sind Renten-Policen eine Erfolgsgeschichte, bei den Versicherten kommt es darauf an: Bei vielen Versicherungen sinkt die Monatsrente im hohen Alter.
Mehr als jeder zweite im vergangenen Jahr verkaufte Vertrag war eine Rentenpolice. Rund sechs Mrd. Euro kassierten die Gesellschaften dabei allein an sogenannten Einmalbeiträgen. Peter Schwark, Sprecher des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft, erkennt einen Trend zur lebenslangen Altersvorsorge mit zur Verfügung stehendem Geld: „Einmalbeiträge haben sich 2006 besonders dynamisch entwickelt.“ Damit sichern sich Kunden sofort oder zu einem späteren Zeitpunkt startende Rentenzahlungen. Wie gut oder schlecht ihre Entscheidung für einen bestimmten Anbieter war, werden sie selbst allerdings kaum erfahren.
Alle Modelle aber haben eines gemeinsam. Letztlich entscheiden Börsenlage, Zinsniveau und die allgemeine Lebenserwartung der Bundesbürger darüber, wie viel Geld zur garantierten Rente hinzukommt. Der Börsencrash zu Anfang des Jahrtausends sowie zuletzt ein jahrelanges Zinstief waren nicht gut für die Kassen der Assekuranz. Und damit auch nicht für deren Kunden.
Zudem hat gerade die Rentenversicherung mit ihrer lebenslangen Leistungszusage heftig unter der rasant steigenden Lebenserwartung der Bundesbürger gelitten. Manfred Poweleit erklärt: „In den vergangenen Jahren hat es drei neue Sterbetafeln gegeben.“ Entsprechend mussten die Versicherer ihre Leistungszusagen immer wieder anpassen. Bestes Beispiel ist die Allianz, in der Studie mit einer konstanten Rente präsent. 432 Euro gab es zum Beginn im Jahr 1990. Bedingt auch durch eine gesenkte Überschussbeteiligung gibt es in diesem Jahr nur noch 365 Euro.
Quelle: Die WeltAnmerkung Martin Betzwieser: Eine Reduzierung der Leistung um 15,5% beim letzten Beispiel macht nicht sehr viel Mut zum Abschluss einer privaten Rentenversicherung.
- Ganz normale Gewalt
Ziemlich genau 15 Jahre ist es her, dass ein Asylbewerberheim in Rostock-Lichtenhagen tagelang belagert wurde, dass dort Brandflaschen flogen, hunderte Anwohner grölten und den Tätern applaudierten. Wahrscheinlich war es diesmal in Mügeln nur eine Schlägerei auf einem Dorffest, mit ausländerfeindlichen Untertönen. Doch sie zeigt, dass Deutschland noch immer ein Land ist, in dem Alkohol und einige unbedachte Worte genügen, um aus einer feiernden Gesellschaft einen gewaltbereiten Mob zu machen, der selbst zum Töten bereit ist.
Quelle: ZEIT - Berliner Finanzsenator Sarrazin: Bertelsmann Länder-Ranking ist „ideologischer Quark“
Sarrazin: „In der Studie werden größtenteils veraltete Zahlen und vielfach ungeeignete Indikatoren verwandt, die dann noch teilweise falsch interpretiert werden.“
Quelle: Berliner ZeitungAnmerkung: Endlich wagt es einmal ein Politiker Klartext über die Bertelsmann-Rankings zu reden.
- „Wirtschafts“-beirat beim Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW)
Für das neue Gremium wurden hervorragende Persönlichkeiten aus der Wirtschaft in Deutschland gewonnen, u.a. Liz Mohn, Stellv. Vorsitzende des Vorstands der Bertelsmann Stiftung, Gütersloh, Dr. John Feldmann, Mitglied des Vorstands der BASF AG, Ludwigshafen, Dr. Reinhard Göhner, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Arbeitgeberverbände e.V., Berlin, Steffen Naumann, Finanzvorstand der Axel Springer AG, Berlin und zuletzt der Hauptgeschäftsführer der IHK zu Lübeck, Prof. Dr. Bernd Rohwer.
Quelle: HL-liveAnmerkung: Der Präsident des IfW, Dennis Snower, ist unlängst mit dem Vorschlag hervorgetreten, dass durch die Abschaffung der Arbeitslosenversicherung die Arbeitslosigkeit halbiert werden könne. Bei einem so zusammengesetzten „Wirtschafts“-beirat ist das kaum erstaunlich.
Die Information über diesen Beitrag ist nur insofern wichtig, dass man – wenn das IfW als „unabhängige“ wissenschaftliche Einrichtung genannt wird – weiß, wessen Rat dieses Institut folgt. - “Das Ende der kritischen Wissenschaft”
Der Berliner Soziologe Andrej H. sitzt wegen Terrorverdachts in Haft. Sein Doktorvater spricht im Interview über gegängelte Forschung und das Ende des freien Denkens.
Quelle: ZEITDazu auch:
Saskia Sassen und Richard Sennet: Der Ausnahmezustand setzt sich durch
Der liberale Staat verändert sich. Heute haben alle diese Länder (Frankreich, die USA und Deutschland, KR) im Namen des “Kriegs gegen den Terror” ihre Gesetze geändert – der Ausnahmezustand setzt sich durch. Die Gesetze, die gegen echte Gefahren gedacht waren, werden nun ausgelegt, um amorphen Ängsten zu begegnen. Anstelle echter Polizeiarbeit wollen die Autoritäten der Gefahr, die sie fürchten, einen Namen geben – irgendeinen Namen. Der Ausnahmezustand untergräbt die Legitimität von Staaten.
Quelle: taz - Deutschlands Unis sind nicht mehr ganz dicht
In Regensburg regnet’s in den Hörsaal, in Bochum steckt Asbest in den Mauern, in Marburg plumpsen Fassadenteile auf den Campus: Vorsicht, Studenten, die deutschen Unis bröckeln. Mit Milliardenaufwand müssten marode Gebäude saniert oder gleich abgerissen werden.
Quelle: Spiegel OnlineAnmerkung: Da werden die „unternehmerischen“ Unis noch viel Studiengebühren und Drittmittel auf dem Markt einwerben müssen, um ihre Gebäude zu sanieren.
- Professorenabbau in Deutschland
Die geisteswissenschaftlichen Fakultäten haben in den vergangenen zehn Jahren 663 Professuren verloren. Die Geisteswissenschaften haben in allen 16 Bundesländern im Zeitraum von 1995 bis 2005 in den Sprach- und Kulturwissenschaften 11,6 Prozent der Professorenstellen nicht wieder besetzt und damit eingespart. Insgesamt haben die Universitäten in den vergangenen zehn Jahren 1451 Professorenstellen verloren, während sich die Anzahl der Studierenden im selben Zeitraum um 0,5 Prozent erhöht hat. Vom Professurenabau besonders betroffen ist die Klassische Philologie, die 35 Prozent ihrer Professuren verloren hat.
Quelle: FAZAnmerkung: Typisch für den konservativen Hochschulverband: Zusätzliche Stellen sollen durch Studiengebühren finanziert werden.
- An der teils schlechten Qualität von chinesischem Spielzeug ist auch das Preisdiktat der multinationalen Konzerne schuld
Die Firmen wollten “um jeden Preis den niedrigsten Preis”, andere Überlegungen spielten für sie keine Rolle, erklärte China Labour Watch mit Sitz in den USA gestern in Peking nach Rückrufen von gesundheitsgefährdendem Spielzeug in USA und Europa. Die Organisation legte eine Studie zu den Arbeitsbedingungen in acht chinesischen Firmen vor, die für US-Unternehmen wie Disney, Hasbro oder Fox TM Spielzeug fertigen. In diesen Werken würden auch die chinesischen Gesetze mit Füßen getreten. Die Arbeiter müssten ständig Überstunden machen und erhielten weniger als den vorgeschriebenen Mindestlohn. Zudem seien sie gefährlichen Chemikalien ausgesetzt. Sie hätten weder eine Sozial- noch eine Rentenversicherung. Viele Firmen würden zudem Kinder unter 16 Jahren beschäftigen. Die Firmen seien aber nicht allein schuld an diesen Bedingungen: “Verantwortlich dafür sind vor allem die erbärmlichen Preise der Käufer von Spielzeug.”
Quelle: Berliner Zeitung - Al Gore: Angriff auf die Vernunft. Eine Rezension von Brigitte Baetz im DLF
Al Gores manchmal etwas redundante Analyse der amerikanischen Mediengesellschaft ist äußerst lesenswert. Mit einigen Abstrichen ist sie durchaus auch auf europäische Verhältnisse zu übertragen. Denn es gibt auch bei uns kaum noch Foren, in denen die großen gesellschaftlichen Fragen ernsthaft und kontrovers diskutiert werden. Längst steuern auch in Deutschland von Teilen der Wirtschaft finanzierte Lobbygruppen wie die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft die öffentliche Agenda. Al Gore wäre allerdings kein amerikanischer Politiker, wenn er nicht auch einen, wenn auch wenig überzeugenden, Ausweg aus der Krise anbieten würde. Er setzt auf die mobilisierende Kraft des Internet, die den Bürger vom passiven Rezipienten wieder zum gestaltenden Akteur machen könnte.
Quelle: DLF - Schwedisches AKW: Brandalarm in Ringhals
Ein elektrischer Fehler soll zur Rauchentwicklung in der Turbinenhalle geführt haben. Die Anlage war erst kurz zuvor aufgeppt worden, um mehr Leistung aus dem Reaktor herauszuquetschen.
Quelle: TAZ - Börse Madrid: Warten auf den großen Knall
Fürs Eigenheim verschulden sich Spanier bis an die Grenze ihrer Möglichkeiten, doch Zinsen zahlen sie pünktlich – Probleme drohen aber der Baubranche.
Quelle: FR