Leserbriefe zu „Der weit überschätzte Welthandel …“
Zu diesem Beitrag vom 3. Dezember erreichten uns einige Mails, die hiermit wiedergegeben werden. Albrecht Müller
Mail von E.S., lange Zeit in Brüssel tätig:
Lieber Albrecht,
auf diesem Felde habe ich mich viele Jahre im Rahmen der Verkehrs- und Energiepolitik der EU “tummeln” dürfen.
Ich kann Dir nur zustimmen, was Subventionierung und fehlende Anlastung der externen Kosten des Verkehrs angeht. Ich kann im Rückblick die Strategiepapiere in Bezug auf Letzteres nicht mehr zählen: Im Gestrüpp der Arbeit einflussreicher Lobbies ist bis heute jeder Durchbruch verhindert worden. Es gab sogar ‘mal einen Verkehrskommissar (Neil Kinnock) , der dies zum Leitmotiv seiner Arbeit zu machen versuchte. Aber leider war das geduldige Bohren dicker Bretter nicht Neil’s Ding…..und ohne Durchhaltevermögen vis-à-vis einflussreicher Partikularinteressen ist man chancenlos.
In Bezug auf die Subventionierung von Exporten muss die Agrar- und Fischereipolitik an vorderster Stelle erwähnt werden: Europäer und Amerikaner werfen ihre Überschüsse oft zu Dumpingpreisen auf Dritte Märkte, und der gegenwärtige Migrationsdruck hat hier, neben kriegerischen Konflikten, eine wesentliche Ursache.
In einem kann ich Dir allerdings auch diesmal nicht zustimmen: Die Mehrwertsteuer ist ihrem Wesen nach eine Steuer auf inländischen Konsum, und mir ist kein Land dieser Welt bekannt, das auf Exporte Umsatzsteuer erhebt, weshalb sich auch die Handelseffekte neutralisieren….
Gruss aus Brüssel
ES
AM Anmerkung zum letzten Absatz: Dass die Mehrwertsteuer eine Steuer auf inländischen Konsum ist und dies all überall in der Welt so gehandhabt wird, ändert nichts daran, dass diese Regel im konkreten Fall – nehmen wir das Beispiel von BMW in München – den Export dieses Unternehmens (wie anderer vergleichbarer auch) fördert und in diesem Maße auch nicht an der Finanzierung öffentlicher Aufgaben beteiligt wird. Ist das ein Denkfehler?
Lesermail von Martin Sutor:
Sehr geehrter Herr Müller,
vielen Dank für obigen Beitrag, einen weiteren Glanzpunkt innerhalb Ihrer so wichtigen und bewundernswerten Arbeit auf den NDS.
Gerade die von Ihnen thematisierte Problematik der externalisierten Kosten, die durch die Transporte und die Steuerbefreiung der Exporte entstehen, kommt in der öffentlichen Debatte viel zu kurz.
Ich führe ein kleineres Handelsunternehmen in München für Obst und Gemüse. Wir importieren viele Produkte über die von Ihnen genannten Häfen. Dies macht meiner Meinung nach nur Sinn für Waren, die in unseren Breiten entweder gar nicht, oder nicht zur aktuellen Jahreszeit verfügbar sind. Denken Sie etwa an exotische Früchte oder, jetzt im Winter, auch an Tomaten etc.
Da wir uns einer nachhaltigen Wirtschaft verpflichtet fühlen, versuchen wir dies auch konsequent einzuhalten. Leider erleben wir aber häufig, dass wir angesichts billiger Importe auch einheimischer Produkte, durch billigere Konkurrenz ausgestochen werden. Dies ist nur dadurch möglich, dass die Transporte eben nicht mit den tatsächlichen Kosten in die Bewertung eingehen.
Folge ist, dass Sozial- und Umweltdumping sogar innerhalb der EU herrschen. So konkurrieren etwa Münchner Gärtner mit spanischen oder italienischen Unternehmen, die sich rigoros des dortigen „Arbeiterstrichs“ aus meist illegalen Einwanderern bedienen und diese Ärmsten der Armen mit Tageslöhnen (!) von 10-20 € gnadenlos ausbeuten. Wir erleben bei uns dieselben Entwicklungen wie Nordamerika nach der Einführung von NAFTA.
Dass Sie diese himmelschreiende Praxis, die sicher auch in anderen Branchen herrscht, öffentlich machen, zeigt einmal mehr, wie wichtig die Gegenöffentlichkeit ist. Insbesondere in Zeiten von TTIP und Konsortien.
Mit freundlichem Gruß
Martin Sutor, Taufkirchen b. München
Lesermail von D.W.:
Ich möchte den freien Welthandel nicht schön reden und stimme Ihnen grundsätzlich zu. Aber in Ihrem Artikel “Der weit überschätzte Welthandel und die daraus folgende weltweite Verschwendung von Ressourcen statt stärkerer Regionalisierung und Verkehrsvermeidung” scheinen sie den deutschen Exportwahn mit Freihandel gleichzusetzen. Die deutsche Export-Politik ist jedoch auch aus liberaler Sicht Unsinn.
Dieser fanatische Fokus auf Exportüberschüsse hat nichts mit freiem Güteraustausch zu tun. Die Idee der guten Exporte und schlechten Importe ist das Prinzip des Merkantilismus. Jener Handelspolitik, die der Freihandel erst abgelöst hat. Ähnliches gilt für die gegenseitige Abhängigkeit Europas und Russlands: Sie ist friedenssichernd und somit positiv zu sehen. Die Sanktionen gegen Russland versuchen aber diese Abhängigkeit als Waffe zu nutzen, während man sich bemüht, die eigene Abhängigkeit von russischen Brennstoffen zu überwinden. Es ist absurd, wie deutsche Politiker bei diesen Themen plötzlich ihre liberalen Überzeugungen vergessen.
Mit freundlichen Grüßen
D. W.