Wenn es in Europa anständig zuginge, dann wäre der Rücktritt des gerade ernannten Präsidenten der Europäischen Kommission fällig.
Kommissionspräsident Juncker war Ministerpräsident und Finanzminister des Großherzogtums Luxemburg, als dieses mit einer Reihe von Großkonzernen Vereinbarungen traf, die diesen Konzernen erlaubten, mit Tricks Milliarden von Steuern zu vermeiden. Siehe dazu den Bericht der Süddeutschen Zeitung. Das ist in vielerlei Hinsicht ein Skandal: den Völkern Europas fehlen Finanzmittel, die sie, wie wir alle wissen, dringend bräuchten. Es ist weiter ein übler Skandal, weil durch solche Machenschaften kleine und mittlere Unternehmen sowie die Lohnsteuerzahler benachteiligt werden. Damit wird mit der Steuervermeidung der großen Konzerne die Konzentration der Wirtschaft in großen Unternehmen gefördert. Man braucht nur durch deutsche Innenstädte zu gehen, wo kleine Einzelhandelsgeschäfte verschwinden und durch die Filialen von steuerhinterziehenden Großkonzernen ersetzt werden. Das mindeste, was wir von Herrn Juncker verlangen können, ist, dass er als Kommissionspräsident aktiv wird, um solche Steuervermeidungstricks in Europa künftig unmöglich zu machen. Albrecht Müller.
Wenn das zu viel verlangt ist, dann erweisen sich leider unsere Bedenken als berechtigt, als wir am 10. Juni 2014 gegen einen Aufruf für die Wahl Junkers zum Präsidenten protestierten und schrieben: „Wie man aus dem Vertreter einer Steueroase die Hoffnung Europas machen kann“.
„Die Luxemburger Behörden haben in Hunderten Fällen zum Teil äußert komplizierte Modelle genehmigt, die das Beratungsunternehmen Pricewaterhouse-Coopers (PwC) für die Firmen entwickelt hatte. Davon profitieren Dax-Konzerne (wie die Deutsche Bank, Fresenius und E.ON), aber auch ausländische Firmen wie Amazon, Pepsi und FedEx. Teilweise versteuern die Konzerne Gewinne mit weniger als einem Prozent.“
(Zitat Süddeutschen Zeitung)
Dass europäische Staaten untereinander darum konkurrieren, wer dem andern am trickreichsten die Steuern entzieht, ist ein unerträglicher Vorgang. Die europäische Idee und auch die praktische europäische Zusammenarbeit wird erst dann wieder Vertrauen gewinnen, wenn einzelne Völker nicht mehr den Eindruck haben müssen, dass sie über den Löffel balbiert werden. Herr Juncker und die Europäische Union wie auch die deutsche Bundesregierung brauchen keine gesonderten Programme zur Bekämpfung der Feinde Europas in den rechten Parteien wie der AfD oder von Le Pen in Frankreich aufzulegen. Man muss einfach nur dafür sorgen, dass alle Steuerzahler in Europa fair und gerecht behandelt werden. Und dass nicht einzelne, wie im konkreten Fall die Luxemburger und dort vor allem die Bessergestellten, auf Kosten anderer ihren Wohlstand vermehren und im Vergleich zu den anderen Europäern üppig leben.
Die Aufdeckung des Skandals verdanken wir einer Gruppe von 80 Reportern, die sich in einem internationalen Konsortium Investigativer Journalisten (ICIJ) vereinigt haben und weltweit tätig sind. Auf deutscher Seite sind Reporter der Süddeutschen Zeitung, des NDR und des WDR daran beteiligt. Da wir NachdDenkSeiten-Macher die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten manchmal hart kritisieren, ist an dieser Stelle ein besonderer Dank fällig.