Christoph Butterwegge: Marktabhängigkeit ist keine Freiheit! Nochmals zum „Hochschulfreiheitsgesetz“.
Nordrhein-Westfalen steht gegenwärtig bundesweit an vorderster Front des Kampfes für die enge Verzahnung von Wirtschaft und Wissenschaft. Was Hannelore Kraft, eine sozialdemokratische Unternehmensberaterin, in der letzten Legislaturperiode vorbereitet hat, setzt ihr Nachfolger als Wissenschaftsminister, Andreas Pinkwart, mit einer nur FDP-Politikern eigenen Radikalität um.
Marktabhängigkeit ist keine Freiheit!
Von Christoph Butterwegge.
Bei dem „Hochschulfreiheitsgesetz“, das die wirklichen Absichten der Landesregierung schon im Namen durch einen wahrhaft Orwell’schen Neusprech verdeckt, geht es um die Marktgängigkeit der nordrhein-westfälischen Hochschulen, was aber mehr Marktabhängigkeit und für die Beschäftigten wie für die Studierenden weniger Freiheit bedeutet. Man tut so, als hätten die Hochschulen bisher unter der Knute der Düsseldorfer Ministerialbürokratie gestanden und als würden sie nunmehr in das Reich der Freiheit entlassen. Dabei hört man den Fuchs förmlich nach Freiheit für die (im Stall sowohl eingesperrte wie geschützte) Gans rufen, um sie desto leichter fassen und besser fressen zu können.
Da avanciert die Uni zur GmbH und das Seminar oder Institut zum Profitcenter. Hochschulen sollen eigenes Vermögen bilden, Kredite aufnehmen, Firmen gründen und mit Liegenschaften handeln. Sie werden zu reinen Wirtschaftsunternehmen bzw. akademischen Berufsschulen, was für Wissenschaft und Forschung verheerende Konsequenzen hat. Denn im Bildungsbereich bestimmt künftig, wer Geld hat und bezahlt. Findet eine Hochschule weder kaufkräftige Kundschaft noch reiche Mäzene, geht sie im sozialdarwinistischen Existenzkampf unter.
Die gesellschaftliche Verantwortung der Wissenschaft gerät aus dem Blick. Statt den Menschen zu dienen, muss sie fortan den Markt bedienen. Rankings zählen auf dem Weg zur Elitehochschule und zur Spitzenforschung, nicht mehr „normale“ Hochschulmitglieder, ihre Bedürfnisse und beruflichen Perspektiven. Tauscht sie den Staat gegen die Großwirtschaft als Patron ein, gerät die Hochschule vom Regen in die Traufe. Von bürokratischen Auswüchsen ist sie keineswegs frei – ganz im Gegenteil: Leistungskontrollen, Zertifizierungsagenturen und Evaluationsbürokratien erfordern womöglich mehr Sach- und Personalmittel als vorher.
Prof. Dr. Christoph Butterwegge leitet die Abteilung für Politikwissenschaft an der Universität zu Köln