Hinweise des Tages

Jens Berger
Ein Artikel von:

Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (OP/WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. EU-Komission
  2. Die Afghanistan-Connection
  3. Redezeit – Die Berichterstattung über die Ukraine-Krise
  4. IS/Syrien
  5. Bundesregierung sieht trotz schwacher Konjunktur und unsicherer Aussichten keinen Handlungsbedarf
  6. Dierk Hirschel: Das Märchen vom freien Handel
  7. Versicherer wollen Straßen bauen und damit die Bürger melken!


  8. Steueroase Luxemburg: Amazon soll weniger als ein Prozent Steuern zahlen
  9. BMW-Aktionäre Quandt lösen Aldi-Besitzer ab
  10. Manche sind wirklich völlig verwildert: Syrische Flüchtlingskinder stellen Lehrer in Minden vor eine mächtige Herausforderung
  11. Die Datenbank “Atypische Beschäftigung”
  12. Die Aufstiegsangst der Arbeiterkinder
  13. Wo die Grünen von gestern heute ihr Geld verdienen
  14. Schon morgens gutes Geld verdienen! SZ-Zusteller
  15. Gregor Kritidis: Griechenlands angebliche „Success-Story“: Verelendung statt Demokratie
  16. Das Meer der Hoffnung
  17. Bund soll Unis in Wissenschaft stärken
  18. Realsatiriker Josef Joffe gibt Zugabe

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. EU-Komission
    1. EU-Parlament kritisiert neue Kommissare: Junckers Team fällt auseinander
      Juncker durfte bestimmen, wer welche Aufgabe in der Kommission übernehmen soll. Und er will eine neue Führungsriege etablieren: Vize-Kommissionspräsidenten, die einzelne Politikbereiche koordinieren sollen. Aber das ist Zukunftsmusik. Die Anhörungen haben viele Fragezeichen hinterlassen. Nach Lage der Dinge hat Juncker ein Problem: Sein Team wackelt. Die Probleme zeichneten sich früh ab: Fünf Kandidaten waren von Anfang an umstritten. Einige konnten sich in den Anhörungen retten. Aber eine potentielle Vizepräsidentin der Kommission steht vor dem Aus: die Slowenin Alenka Bratusek. Der Brite Lord Hill musste nachsitzen und eine zweite Prüfung über sich ergehen lassen. Viele Abgeordnete trauten ihm nicht zu, die europäischen Finanzmärkte krisenfest zu machen. Aber ein noch größeres Sorgenkind ist der Ungar Tibor Navracsics. Wegen seiner Nähe zur rechtskonservativen Regierung von Victor Orban steht er weiter in der Kritik. Im Kulturressort will ihn der zuständige EU-Parlamentsausschuss nicht sehen. Juncker müsste für ihn zumindest ein neues Ressort finden. Einen Nachrücker zu bestellen, ist kompliziert und unangenehm für alle Seiten: Die ungarische Regierung müsste in diesem Fall gebeten werden, einen geeigneten Kandidaten zu benennen. Vor der gleichen Aufgabe dürfte die slowenische Regierung stehen: Eine Kandidatin müsste es sein, um den noch immer dürftigen Anteil von neun weiblichen Kommissaren wenigstens zu halten.
      Quelle: Tagesschau

      eine andere Sicht vertritt der Spiegel:

    2. EU-Kommission: Brüsseler Nichtangriffspakt
      Dass die Abgeordneten Hill vorige Woche zum Nachsitzen verdonnerten, weil er bei seiner ersten Anhörung drei Stunden lang nicht erklären konnte, wie ausgerechnet ein langjähriger Finanzlobbyist künftig überzeugend für mehr Finanzmarktregulierung kämpfen wolle, war zwar ein Coup. Doch spätestens seit diesem Betriebsunfall hat die Hinterzimmer-Lobby im Europaparlament sichergestellt, dass keine weiteren Überraschungen drohen. Schon vor Hills Auftritt ist in Brüssel zu vernehmen, es komme zum ganz “großen Deal” bei der Bestätigung der nächsten EU-Kommission – und der hat wenig mit Kompetenzen oder politischen Vorstellungen zu tun, aber sehr viel mit Parteipolitik.
      Denn im neuen Europaparlament regiert eine ganz große Koalition. Sie besteht aus den Konservativen von der EVP, Europas Sozialdemokraten und Sozialisten und den Liberalen der ALDE-Partei. Ihre drei Fraktionschefs treffen sich regelmäßig zur Absprache, auch Anfang dieser Woche. Und sie haben eine gemeinsame Agenda: Dass das Parlament Jean-Claude Juncker ins Amt des Kommissionspräsidenten hievte, sehen sie als demokratischen Fortschritt. Also wollen sie dessen Mannschaft nicht zu sehr rupfen. Der Brite Hill gehört zwar offiziell keiner der drei großen Parteiblöcke an, doch er ist Teil einer raffinierten Rochade. In dieser wollen Europas Konservative als Vizepräsidenten für die Europolitik den finnischen Ex-Regierungschef Jyrki Katainen durchboxen, obwohl dessen strikter Sparkurs vielen Südländern ein Dorn im Auge ist. Dafür bestehen die Sozialdemokraten auf dem umstrittenen Franzosen Pierre Moscovici als nächstem EU-Währungskommissar – auch wenn dieser bis Mittwochmorgen noch ein paar schriftliche Fragen beantworten muss, etwa zu Frankreichs Haushaltsdefizit in seiner Zeit als Finanzminister. Im Gegenzug hält die EVP am spanischem Konservativen Miguel Arias Canete als nächstem EU-Energiekommissar fest, ungeachtet von Vorwürfen zu dessen Nähe zur Öl-Lobby. Und sie wollten auch keinen Ärger über Hill, schon weil seine Benennung als Friedensangebot an Großbritanniens Premier David Cameron galt – und an alle Europaskeptiker im Vereinigten Königreich. Bekäme Hill das für Großbritanniens so wichtige Ressort nicht, argumentieren dessen Verteidiger, wachse der Frust über Brüssel auf der Insel weiter.
      Welcher der 28 Kommissarinnen und Kommissare könnte beim großen Brüsseler Nichtangriffspakt also überhaupt als Kollateralschaden übrig bleiben? Der Ungar Tibor Navracsics, als heimischer Justizminister mitverantwortlich für Gesetze zur Einschränkung der Pressefreiheit, erhielt nicht den Segen des Parlaments für seine geplante Position als EU-Kulturkommissar. Jedoch schreckten die Abgeordneten davor zurück, ihm generell die Qualifikation als Kommissar abzusprechen. Also muss sich Navracsics vermutlich einfach mit einem etwas anders zugeschnittenen Portfolio abfinden. Die Slowenin Alenka Bratusek könnte es härter treffen. Die ehemalige Regierungschefin präsentierte sich bei ihrer Anhörung nicht nur weitgehend ahnungslos zu vielen Themen der wichtigen EU-Energieunion, für die sie zuständig sein soll. Sie hat sich zudem in gewisser Weise selbst nominiert: Denn obwohl sie in Slowenien bereits abgewählt war, sandte sie eine Liste mit Vorschlägen für den Kommissarsposten nach Brüssel, darauf auch ihr Name. Dem Vernehmen nach soll an ihrer Stelle mit Tanja Fajon eine sozialdemokratische Abgeordnete aus Slowenien in die Kommission einziehen. Das wäre auch ein Trostpflaster für jene Linke, die den Finanzlobbyisten Hill nicht verhindern konnten. Es müssen schließlich alle bedacht werden in Europa.
      Quelle: Spiegel Online

      Anmerkung JB: Stellt sich da wirklich ernsthaft die Frage, warum ein immer größerer Teil der EU-Bürger mittlerweile „EU-müde“ ist?

      Anmerkung Orlando Pascheit: Schwer verständlich ist, warum es eigentlich zu dieser Situation kommen konnte. Warum kann das EU-Parlament nicht einfach fordern, dass die Kandidaten in ihren Ressorts in keiner Weise vorbelastet sein dürfen, so dass nicht einmal der Hauch einer Vorteilsnahme aufkommen kann. Es ist doch vollkommen unwahrscheinlich, dass sich Jonathan Hill geistig von seiner Vergangenheit als langjähriger Finanzlobbyist lösen kann. Noch unwahrscheinlicher ist, dass Miguel Arias Canete als nächster EU-Energiekommissar vergisst, dass zwar nicht mehr er selbst, aber seine Familie fest in den Ölunternehmen Petrolífera Ducar und Petrologis Canarias engagiert ist. Ein besonders schlechtes Licht auf das Management und das Demokratieverständnis Junkers wirft der Fall der Slowenin Alenka Bratusek:

    3. Slowenien: Fragwürdige Kandidatur
      Für Alenka Bratušek ist es überhaupt kein Problem, dass sie sich für das Amt einer Vizekommissarin selbst nominiert hat, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt nur noch geschäftsführende Ministerpräsidentin Sloweniens war. Auch dass deswegen die Antikorruptionsbehörde des Landes gegen sie ermittelt, stört sie offensichtlich nicht. Das eigentliche Rätsel in Brüssel ist aber, warum der künftige EU-Kommissionspräsident so entschlossen an dieser Personalentscheidung festhält.
      Quelle: ARD/Europa Magazin
    4. Junckers Träumerteam wackelt
      Das EU-Parlament ist mit den Kommissionskandidaten nicht zufrieden. Es wäre zu peinlich, den Briten Jonathan Hill einfach durchzuwinken.
      Ein Totalausfall und immer noch mehrere Wackelkandidaten: Auch am offiziell letzten Tag der Anhörungen im Europaparlament konnte die neue EU-Kommission nicht alle Zweifel ausräumen.
      Juncker hatte ein 300 Milliarden Euro schweres Investitionsprogramm versprochen, um die schwächelnde und von Deflation bedrohte Wirtschaft in der EU anzukurbeln. Doch der zuständige neue Vizepräsident Jyrki Katainen konnte nicht erklären, wo das Geld herkommen soll. Man wolle keine neue Schulden aufnehmen, beteuerte der ehemalige finnische Regierungschef. Junckers umstrittenen Plan, einen Teil der Summe aus dem Eurorettungsfonds ESM zu nehmen, erwähnte er nicht.
      Genauso vage blieb der designierte Finanzmarktkommissar Jonathan Hill. Der Brite, der wegen Zweifel an seiner Eignung bereits zum zweiten Mal Rede und Antwort stehen musste, lieferte keine Definition der neuen Kapitalmarkt-Union, die Juncker auf den Weg bringen will. Hill wich auch erneut auf Fragen nach seiner Connection in die Londoner City aus. Die früher sehr innigen Geschäftskontakte habe er vor fünf Jahren aufgegeben….
      Quelle: taz
  2. Die Afghanistan-Connection
    Sie waren zusammen im Afghanistan-Einsatz. Jetzt sitzen sie auf entscheidenden Posten im Ministerium. Sie prägen das Bild, das sich die Ministerin macht. Sie bestimmen Ausrichtung, Struktur und Selbstverständnis der Truppe. Welche Folgen hat das für Deutschlands Sicherheit?
    Am Anfang standen eine Beobachtung, eine Frage und ein Verdacht. Die Beobachtung: Das militär- und sicherheitspolitische Denken hierzulande ist stark Afghanistan-fokussiert. Die Frage: Woran liegt das? Der Verdacht, geäußert von einem hohen Offizier der Bundeswehr: Im Ministerium herrsche eine „Afghanistan-Connection“ aus Soldaten, die sich aus dem Einsatz am Hindukusch kennen, mit immensem Einfluss auf Strategien, Ausrüstung, Ausbildung – und direktem Zugang zur Ministerin. Kann das sein? In einer Kooperation begann der Tagesspiegel mit dem ARD-Magazin „Fakt“ zu recherchieren.
    Fast ein ganzes Jahr wurden Strukturen der Bundeswehrführung studiert, Organigramme des Ministeriums, Biografien hoher Militärs, Stapel ministerieller Verordnungen, kleine Anfragen der Fraktionen und die Antworten der Bundesregierung, Dutzende vertraulicher Papiere und vieles, vieles mehr. Das Ergebnis: Es gibt sie wirklich, die Afghanistan-Connection.
    Quelle: Tagesspiegel

    Siehe dazu auch: Afghanistan Connection

    Anmerkung WL: Lesenswert. Das erklärt Vieles, was wir an Militarisierung erleben.

  3. Redezeit – Die Berichterstattung über die Ukraine-Krise
    Eine ausgewogene, präzise Berichterstattung über Kriege und andere bewaffnete Auseinandersetzungen ist für Redaktionen eine große Herausforderung. Gelingt es den deutschen Medien, über die Ukraine-Krise fair, unparteiisch und plural zu informieren? Oder ist das Bild, das die Medien zeichnen, schief und latent russlandfeindlich?
    Unter welchen Bedingungen arbeiten deutsche Korrespondenten vor Ort? Und gehen Redaktionen sorgsam mit der schwierigen Informationslage um? Über diese und andere Fragen geht es im Themenabend auf NDR Info – mit einer extralangen Ausgabe der Redezeit von 20.30 bis 22.00 Uhr.
    Redezeit-Moderator Andreas Bormann begrüßt als Gäste:
    Prof. Dr. Joachim von Puttkamer
    Osteuropa-Historiker, Direktor des Imre-Kertész-Kollegs “Europas Osten im 20. Jahrhundert” an der Friedrich Schiller Universität Jena
    Matthias Bröckers
    freier Journalist, Mitautor von “Wir sind die Guten – Ansichten eines Putinverstehers oder wie uns die Medien manipulieren”
    Dr. Kai Gniffke
    Erster Chefredakteur ARD-aktuell
    Bernd Musch-Borowska
    NDR Info Redakteur und Ukraine-Korrespondent
    Quelle 1: NDR Info
    Quelle 2: Direktlink auf den Podcast zur Sendung
  4. IS/Syrien
    1. Biden Apologizes for Saying Mideast Allies Funded Extremist Syrian Rebels
      Vice President Joe Biden has apologized after saying U.S. allies in the Middle East funded and armed extremist rebels in Syria. Biden made the comments in a speech at Harvard University last week.
      Vice President Joe Biden: “Our biggest problem is our allies. Our allies in the region were our largest problem in Syria. The Turks were great friends, and I have a great relationship with Erdogan, which I’ve just spent a lot of time with. The Saudis, the Emiratis, etc. What were they doing? They were so determined to take down Assad and essentially have a proxy Sunni-Shia war, what did they do? They poured hundreds of millions of dollars and tens, thousands of tons of weapons into anyone who would fight against Assad. Except that the people who were being supplied were al-Nusra and al-Qaeda and the extremist elements of jihadis coming from other parts of the world.”
      Over the weekend, Biden directly apologized in phone calls to Turkish President Recep Tayyip Erdogan and then to Crown Prince Mohammed bin Zayed of the United Arab Emirates. The White House says Biden expressed regret “for any implication that [U.S.] allies and partners in the region had intentionally supplied or facilitated the growth of [ISIS] or other violent extremists in Syria.”
      Quelle: Democracy Now
    2. Massakerpolitik
      Wie die “Antiterrorkoalition” die Kurden Syriens in einem widerlichen geopolitischen Geschacher den Massenmordmilizen des Islamischen Staates zum Fraß vorwirft
      Die Hilferufe aus der umkämpften kurdischen Stadt Kobane werden immer verzweifelter. Auch am 7. Oktober wandte sich der Kovorsitzende des Kantons Kobane, Salih Muslim, mit der Bitte an die Weltgemeinschaft, die Verteidiger der Stadt doch endlich mit schweren Waffen und Munition zu versorgen, sowie eine ernsthafte Luftkampagne gegen die Stellungen des Islamisches Staates (IS) einzuleiten. Ansonsten drohten Massaker in der Stadt, die viele Zivilisten immer noch nicht verlassen hätten. Man sei für die bisherigen Luftschläge dankbar, so Muslim, aber es seien immer noch Panzer, gepanzerte Fahrzeuge und Artillerie“außerhalb der Stadt, die diese nach Gutdünken beschießen könnten.
      Quelle: Telepolis

      Anmerkung unseres Lesers M.S.: Ein etwas langer, aber sehr lesenswerter Artikel. Ich möchte hier noch den letzten Absatz des Artikels hervorheben:

      “Zwischen der Realität dieser geopolitisch motivierten Massenmordpolitik und ihrer öffentlichen Wahrnehmung klafft somit ein Abgrund, der inzwischen wahrhaft Orwellsche Ausmaße erreicht. Eine mit Terrorförderern angereicherte internationale “Antiterrorkoalition” lässt die einzige nennenswerte fortschrittliche Kraft des Nahen Ostens – die an Selbstverständlichkeiten wie Gleichberechtigung, Säkularismus und Basisdemokratie festhält – von ihrem selbst hervorgebrachten Terrorgebilde massakrieren. Zugleich wird die PKK, deren syrische Schwesterorganisation gerade vor den Augen des türkischen Militärs vom IS massakriert wird, von der EU und der Bundesrepublik weiterhin als eine verbotene Terrororganisation geführt.”

    3. Die vom Islamischen Staat verwendete Munition stammt vor allem aus den USA und China
      Die Organisation Conflict Armament Research hat die Herkunft von Proben aus Syrien und dem Irak untersucht
      Die Türkei lässt mit Unterstützung der USA und ihrer Koalition den Islamischen Staat weiter gegen die von der YPG verteidigte Grenzstadt Kobane vormarschieren. Der türkische Präsident Erdogan machte klar, dass er die mit der PKK verbundenen Kurden, fast die einzige nicht-islamistische Gruppe, nicht unterstützen werde. Für ihn gebe es keinen Unterschied zwischen IS und der PKK, sagte er am Samstag. Dass die USA die fatale Politik der Türkei unterstützt, zeigt die Entschuldigung des US-Vizepräsidenten Biden gegenüber Erdogan und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Ihnen bescheinigte er, dass sie nichts mit dem Erstarken von irgendwelchen Terrororganisationen zu tun hätten, was er in einer Rede am vergangenen Donnerstag behauptet hatte.
      Quelle: Telepolis
  5. Bundesregierung sieht trotz schwacher Konjunktur und unsicherer Aussichten keinen Handlungsbedarf
    Die deutsche Konjunktur kennt seit Mai des laufenden Jahres keine klare Tendenz. Die im Mai vergangenen Jahres begonnene Aufwärtsbewegung ist seitdem unterbrochen. Diese Entwicklung setzt sich auch bis in den September hinein fort. Das konnten wir dank unserer Berechnungen zur Spannungszahl nach der Methode des ehemaligen Mitglied des Sachverständigenrats Claus Köhler bereits Ende des vergangenen Monats feststellen. Die jüngsten Ergebnisse des Statistischen Bundesamts für die Auftragseingänge im Verarbeitenden Gewerbe und die Produktion im Produzierenden Gewerbe bestätigen diese Entwicklung. Wir hatten in unserer jüngsten Konjunktureinschätzung für Deutschland Ende September hieraus auch wirtschaftspolitische Schlussfolgerungen gezogen.
    “Beides, die Unsicherheit über den weiteren Konjunkturverlauf und das unangemessene Wirtschaftswachstum, könnte der Bundesregierung als wirtschaftspolitische Handlungsgrundlage dienen. So könnte sie, um einer Rezession vorzubeugen bzw. um ein angemessenes Wirtschaftswachstum zu sichern, Infrastrukturinvestitionen vorziehen bzw. erhöhen. Weder die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, noch der Bundeswirtschaftsminister haben sich zum jetzigen Zeitpunkt zu den jüngsten Arbeitsmarktzahlen geäußert. Auch den Bundesfinanzminister, der sich bis zuletzt auf die Haushaltskonsolidierung hier und in der Europäischen Währungsunion konzentriert hat, müssten die Arbeitsmarktzahlen und der aus ihnen ablesbare, unsichere Konjunkturverlauf alarmieren…..
    Quelle: Wirtschaft und Gesellschaft
  6. Dierk Hirschel: Das Märchen vom freien Handel
    Solange Profite wichtiger sind als Menschen, ist es besser, wenn TTIP, CETA & Co scheitern.
    „Grenzenloser Handel schafft Wohlstand für alle“ – das ist eine seit fast 200 Jahren immer wiederholte Behauptung. Die stammt ursprünglich vom britischen Nationalökonomen David Ricardo und gilt bis heute als zentrale Grundlage der Wirtschaftspolitik. Die Wirklichkeit aber widerlegt den Glaubenssatz: Tatsächlich produziert freier Handel auch viele Verlierer.
    Ricardos Theorie ignorierte nicht nur die Rolle des Geldes, sondern auch Größenvorteile bei Produktion und Absatz – sogenannte Skalenerträge. Dadurch erlangen wenige Unternehmen eine riesige Marktmacht. Nobelpreisträger Paul Krugman hat schon vor Jahrzehnten nachgewiesen, dass Freihandel in erster Linie den wirtschaftlich Starken nutzt: Werden Handelsschranken abgebaut, profitieren reiche Industrieländer und transnationale Konzerne. Der Popularität der Freihandelslehre tat das freilich keinen Abbruch, denn angeblich kommen die Wohlstandszuwächse ja jedem zugute. Wie im Märchen gewinnen alle – auch die Armen. Tatsächlich aber zahlen sie die Rechnung für die immer größeren Märkte und den ständig zunehmenden Wettbewerb.
    Die Wirtschaftsgeschichte entlarvt die Freihandelsdoktrin als Ideologie….
    Der schrankenlose europäische Handel sollte zwischen zwei bis fünf Millionen neue Jobs schaffen. Pustekuchen! Auch beim Abbau der Handelsschranken zwischen den USA, Kanada und Mexiko wurden allein für die Vereinigten Staaten jährlich 170.000 neue Stellen prognostiziert. Tatsächlich aber gingen zwischen New York und Los Angeles eine Million Jobs verloren.
    Quelle: Internationale Politik und Gesellschaft

    Anmerkung WL: Es ist wohl der gewerkschaftlichen Solidarität mit den Sozialdemokraten geschuldet, dass Dierk Hirschel darauf vertraut, dass Wirtschaftsminister Gabriel die „Roten Linien“ (Ablehnung von Investorenschutz und Investorenräte) nicht überschreiten werde, ja sogar noch erhofft, dass er eine Sozialklausel in die Freihandelsabkommen hineinverhandelt. Vielleicht kann ein hauptamtlicher Gewerkschafter nicht anders, als am Ende einer fundamentalen Kritik wieder die Brücke zum SPD-Vorsitzenden zu bauen. Man sollte sich allerdings fragen, ob man damit nicht Gewerkschaftern falsche Hoffnungen macht.

    passend dazu: Consolidated CETA Text – Canada-European Union: Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA)
    Chapter 30, Articel X.01: The CETA Joint Committee
    1. The Parties hereby establish a CETA Joint Committee comprising representatives of the European Union, on the one hand, and representatives of Canada, on the other. The CETA Joint Committee shall be co-chaired by the Minister for International Trade of Canada and the Member of the European Commission responsible for Trade, or their respective designees.
    4. The CETA Joint Committee shall…
    b. Supervise the work of all specialized committees and other bodies established under the CETA;….
    e. Take decisions as set out in Article X.04 Decision Making; […]
    Article X.03 Decision Making
    1. The CETA Joint Committee shall, for the purpose of attaining the objectives of this Agreement, have the power to take decisions in respect of all matters in the cases provided by this Agreement.
    2. The decisions taken shall be binding on the Parties, which shall take the measures necessary to implement the decisions taken. The CETA Joint Committee may also make appropriate recommendations.
    Quelle: CETA Text
    Chapter 30:

    Anmerkung unseres Lesers O.W.: Einmal installiert, kann das Joint Committee die Regeln aufstellen und die Regierungen müssen umsetzen…!

  7. Versicherer wollen Straßen bauen und damit die Bürger melken!


    Der Sanierungsstau in der deutschen Infrastruktur ist augenfällig. Rund 7,2 Milliarden Euro jährlich und das viele, viele Jahre lang – sind angeblich nötig, um Straßen, Brücken und Gleise so instand zu setzen, dass diese Volkswirtschaft keinen Schaden nimmt und weiter wachsen kann. Als Retter kommen nun die deutschen Lebensversicherer ins Spiel. Verkehrsminister Dobrindt (CSU) propagiert dies offen und auch Sigmar Gabriel (SPD) wirbt um die Assekuranz. Es geht um eine Wiederbelebung des Konzepts PPP, der so genannten Public-Private-Partnership. Nun war ja die Partnerschaft zwischen Staat und Lebensversicherung genau genommen nie wirklich beendet oder erlahmt.
Gerade erst hat die Bundesregierung mit dem Lebensversicherungsreformgesetz die Branche davor gerettet, dass sie ihre Kunden in der seit 2008 gesetzlich vorgeschriebenen Höhe an den Bewertungsreserven beteiligen muss.
Nun will man den Versicherern noch ein sicheres und langfristig stabiles Geschäft zuschachern: Straßen sanieren, Brücken bauen, Schienen auswechseln. Mit garantierter Profitrate. Ja sind denn alle völlig verrückt geworden? Natürlich nicht alle. Für die Versicherungsmanager wäre das sicher ein guter Deal. Doch die Politik scheint wirklich von Sinnen. Sie könnte derzeit zu einem Zins von nahe Null Gelder auf dem Kapitalmarkt aufnehmen und ein Konjunkturprogramm ohnegleichen in Gang setzen. Stattdessen sollen die Versicherungen das Geschäft machen. Tatsächlich wissen die Lebensversicherer nicht mehr so recht, wohin mit dem vielen Geld. Anlagenotstand nennt man das. Staatspapiere rechnen sich nicht mehr und an Aktien und Immobilien trauen sie sich nicht so recht ran.
    Also haben die Versicherungsbosse wohl der Bundesregierung klar gemacht: Jahrzehntelang haben wir Euch die Staatsanleihen abgekauft, nun speist ihr uns mit Niedrigzinsen ab, wir brauchen ein neues Geschäftsmodell!
    Und das scheint nun gefunden: Siehe oben. Bleibt nur die Frage: Gegenüber wem haben die Bundesminister eigentlich ihren Eid abgelegt? Dem Volke oder den Lebensversicherungen?

    Übrigens: Der Bundesrechnungshof ist gegen die private Finanzierung der Infrastrukturprojekte. Die Erfahrungen in der Vergangenheit zeigten, dass die Maßnahmen in der Regel dann erheblich teurer würden.
Aber das muss die Versicherungen ja nicht kümmern. Nur die Bürger: Die zahlen dann Mautgebühren oder höhere Steuern. Oder beides.

    Quelle: Holger Balodis
  8. Steueroase Luxemburg: Amazon soll weniger als ein Prozent Steuern zahlen
    • Die Steueroase Luxemburg und der Internethändler sollen ausgehandelt haben, dass Amazon kaum Steuern zahlen muss. Die Europäische Kommission ermittelt nun offiziell, ob dieser Deal illegal ist.
    • Unterm Strich zahle Amazon weniger als ein Prozent auf seine europäischen Gewinne, berichtet die Financial Times. Dabei beruft sich das Blatt auf Personen, die an entsprechenden Ermittlungen beteiligt sein sollen.
    • Über den Fall entscheidet die neue EU-Kommission. Chef der Behörde wird Jean-Claude Juncker – er war Premier und Finanzminister in Luxemburg, als Amazon den günstigen Steuerdeal bekommen hat.
    • Die EU ermittelt bereits offiziell gegen Irland wegen Apple, gegen die Niederlande wegen Starbucks und wegen Fiat gegen Luxemburg.

    Quelle: SZ

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Wie kann es sein, daß so ein unfaßbarer Steuerdeal – maximal 1% Steuern auf alles! – überhaupt jemals legal war???? Und wieso fällt das der EU-Kommission erst jetzt auf, volle elf Jahre nach dem Deal und kurz, bevor sie ihre Arbeit einstellt? Ist das eine merkwürdige und besondere Form der Rache am Luxemburger Juncker?

  9. BMW-Aktionäre Quandt lösen Aldi-Besitzer ab
    Von Aldi zu BMW: 31 Milliarden Euro besitzen die BMW-Großaktionäre Quandt laut dem „Manager Magazin“. Damit wären sie Deutschlands reichste Familie und stoßen die Aldi-Eigentümer Albrecht vom Thron der Milliardäre….
    Mit einem Vermögen von 31 Milliarden Euro stehen die Geschwister Stefan Quandt und Susanne Klatten sowie ihre Mutter Johanna erstmals auf Platz eins des Rankings, das das „manager magazin“ am Dienstag veröffentlichte. Sie besitzen zusammen 46,7 Prozent am Autobauer BMW, dazu den Chemiekonzern Altana sowie Anteile an SGL Carbon und Nordex. Auf Platz zwei liegt die Familie des im Juli verstorbenen Aldi-Süd-Gründers Karl Albrecht mit einem Vermögen von 18,3 Milliarden Euro, gefolgt von Maria-Elisabeth Schaeffler und ihrem Sohn Georg, Eigentümer des gleichnamigen Autozulieferers und Großaktionäre beim Reifenhersteller Continental, mit einem Vermögen von 17,6 Milliarden Euro. Die Familie um Theo Albrecht jr. (Aldi Nord) liegt auf dem vierten Rang…
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung: Bertolt Brecht:

    Fragen eines lesenden Arbeiters
    Wer baute das siebentorige Theben?
    In den Büchern stehen die Namen von Königen.
    Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt?
    Und das mehrmals zerstörte Babylon –
    Wer baute es so viele Male auf? In welchen Häusern
    Des goldstrahlenden Lima wohnten die Bauleute?
    Wohin gingen an dem Abend, wo die Chinesische Mauer fertig war Die Maurer?
    Das große Rom
    Ist voll von Triumphbögen. Wer errichtete sie? Über wen Triumphierten die Cäsaren? Hatte das vielbesungene Byzanz
    Nur Paläste für seine Bewohner? Selbst in dem sagenhaften Atlantis Brüllten in der Nacht, wo das Meer es verschlang
    Die Ersaufenden nach ihren Sklaven.
    Der junge Alexander eroberte Indien.
    Er allein?
    Cäsar schlug die Gallier.
    Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?
    Philipp von Spanien weinte, als seine Flotte Untergegangen war. Weinte sonst niemand?
    Friedrich der Zweite siegte im Siebenjährigen Krieg. Wer Siegte außer ihm?
    Jede Seite ein Sieg.
    Wer kochte den Siegesschmaus?
    Alle zehn Jahre ein großer Mann.
    Wer bezahlte die Spesen?
    So viele Berichte.
    So viele Fragen.

  10. Manche sind wirklich völlig verwildert: Syrische Flüchtlingskinder stellen Lehrer in Minden vor eine mächtige Herausforderung
    „In den neunziger Jahren waren das viele Aussiedler aus der Sowjetunion“, erinnert sich Liselotte Zassenhaus, heute stellvertretende Schulleiterin an der Ganztagshauptschule Todtenhausen. „Da konnte man sich zumindest sicher sein, dass die in ihrer Heimat eine gewisse Schulbildung genossen hatten, viele waren spitzenmäßig in Mathe.“ Mit der jüngsten Flüchtlingswelle aus Syrien stehen in Deutschland aber viele Lehrer vor einer ganz anderen Situation.
    In Ellen Usmans Klasse fliegt die Tür mit einem Rums gegen die Wand, dass man glaubt, es haut den Putz von den renovierungsbedürftigen Wänden. Im Türrahmen steht ein schuldbewusst grinsender Zehnjähriger. „Zwei Jahre Auffanglager in der Türkei“, sagt sie leise, „der schafft es kaum auf einem Stuhl sitzen zu bleiben, ist völlig verwildert. … Vor der Flucht ist er maximal ein Jahr zur Schule gegangen, hier müsste er eigentlich in die fünfte Klasse. Wie soll das gehen?“ Ein anderes Kind hat überhaupt noch nie eine Schule von innen gesehen. „Wir arbeiten seit zwei Monaten mit ihm, aber alphabetisiert ist er immer noch nicht.“ In der ersten Reihe bemühen sich zwei Mädchen redlich, die Verbtabellen von der Tafel in ihr Heft zu kopieren, kippen aber immer wieder in die arabische Schreibweise – von links nach rechts – und malen die Buchstaben verkehrt herum aufs Papier, was sie praktisch unlesbar macht. In einer hinteren Ecke langweilen sich ein Mädchen und zwei Jungen aus Polen, die mit der Aufgabe längst fertig sind, und beginnen mit Stiftkappen nach dem Jungen aus Kasachstan in der ersten Reihe zu werfen. Genauso unterschiedlich wie ihre Vorkenntnisse ist ihr Alter: Von zehn bis 17 Jahren ist alles vertreten.
    Quelle: Mindener Tageblatt

    Anmerkung Orlando Pascheit: Wer sich nach diesem schlaglichtartigen Bericht vorstellt, wie die Kommunen mal besser mal weniger gut ausgestattet auf sich allein gestellt versuchen, syrische Bürgerkriegskinder zu integrieren, kann sich nur wundern und die Wenigen bewundern, die sich diesen Problemen stellen. Gewiss, niemand kann behaupten, der Umgang mit den neuen Flüchtlingen sei einfach und gewiss sind die syrischen Bürgerkriegskinder ein ganz besonderer Fall, aber es ist schon erstaunlich, dass im Umgang mit fremdsprachigen Kindern, keine Handlungsanweisungen, keine Konzepte, keine Materialien, kaum Personal gestützt auf die langjährigen Erfahrungen in diversen Bundesländern existieren. Es ist unfassbar, dass bei jedem neuen Flüchtlingsschub das Rad neu erfunden werden muss. So sollten z.B. in ausreichendem Maße Lehrer zur Verfügung stehen, die über solch eine wichtige Qualifikation wie “Deutsch für Ausländer” verfügen. Es ist geradezu absurd, dass es sozusagen ein Glücksfall ist, dass Ellen Usman in obigem Fall über die Qualifikation “Deutsch für Ausländer” verfügt. Mittlerweile bemüht sich die Kreisverwaltung einen regelmäßigen Austausch, Fortbildungen und Unterrichtsmaterialien zu organisieren. Dafür müsste eigentlich ganz automatisch mit der Zuweisung von Flüchtlingen gesorgt werden.
    Ein anderes Problem ist die die Finanzierung. Nun werden im Königsteiner Schlüssel Steuereinnahmen und der Bevölkerungszahl bei der Verteilung der Flüchtlinge berücksichtigt, aber ich bezweifle, dass dabei die Haushaltlage der Kommunen berücksichtigt wird. Allzu viele Kommunen in NRW sind ziemlich klamm, ergo sind den Mitteln für Fortbildungen, Materialien und Austausch meist Grenzen gesetzt. – Im Grunde müsste die Integration dieser Flüchtlingskinder bundesweit koordiniert werden und vom Bund finanziert werden, damit nicht die jeweilige Haushaltslage der Kommunen über Erfolg bzw. Misserfolg der Integrationsbemühungen entscheidet. Sonst wird bald wieder, wie Nadine Conti schreibt, vom “mangelnden Integrationswillen der Betroffenen” die Rede sein.

  11. Die Datenbank “Atypische Beschäftigung”
    Die regionale Datenbank “Atypische Beschäftigung” des WSI stellt für alle Stadt- und Landkreise in der Bundesrepublik Deutschland Daten zur atypischen Beschäftigung zur Verfügung. Sie bietet einen schnellen Überblick zur Entwicklung der Beschäftigung von 2005 bis 2013 mit Auswertungen in Tabellen und Grafiken. Als atypische Beschäftigung werden in der Datenbank alle Beschäftigungsverhältnisse eingestuft, die mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllen: Teilzeitbeschäftigung, Zeitarbeitsverhältnis und geringfügige Beschäftigung. Die regionale Datenbank “Atypische Beschäftigung” ist das Ergebnis eines Forschungsprojekts der Forschungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung und wird vom WSI betreut und jährlich aktualisiert.
    Quelle: WSI

    Dazu: Atypisch ist fast normal
    Minijobs und Co. bleiben weit verbreitet: Fast jeder zweite Job ist kein Normalarbeitsverhältnis.
    Deutschlandweit waren im Jahr 2013 demnach 43,3 Prozent aller Arbeitsverhältnisse Minijobs, Teilzeitstellen oder Leiharbeit. Eigentlich, so WSI-Experte Toralf Pusch, wäre angesichts der vergleichsweise guten Arbeitsmarktentwicklung in den letzten Jahren ein verringerter Druck zur Aufnahme solcher Beschäftigungsformen zu erwarten gewesen.
    Stattdessen zeigen die Berechnungen des WSI, dass die Leiharbeit mit einem Anteil von 2 Prozent der sozialversicherungspflichtigen und geringfügigen Beschäftigung annähernd auf dem Stand des Vorkrisenjahrs 2007 verharrt. Der Anteil der Minijobs hat im Vergleich zu 2007 sogar leicht zugelegt: um 0,6 auf 21,1 Prozent aller Arbeitsverhältnisse. Dazu dürften vor allem Neben-Minijobs beigetragen haben, deren Zahl seit 2007 um über 650.000 zugenommen hat, erläutert Pusch. Bei der Teilzeit zeigt die Statistik für die Jahre 2007 bis 2011 ebenfalls Zuwächse. Nach Umstellung der Meldestatistik der Bundesagentur für Arbeit betrug die Teilzeitquote im vergangenen Jahr 20,2 Prozent. Wie auch Minijobs würden Teilzeitbeschäftigungen vor allem von Frauen ausgeübt, konstatiert der Forscher.
    Quelle: Hans-Böckler-Stiftung

  12. Die Aufstiegsangst der Arbeiterkinder
    Immer mehr Deutsche studieren. Doch die Herkunft beeinflusst den Bildungsweg. Ihren Eltern zuliebe verzichten manche Kinder von Nichtakademikern auf ein Studium.
    Betrachtet man die Studierenden nach ihren sozioökonomischen Merkmalen, dann sticht eines heraus, das eine gute Prognose über den Bildungsweg erlaubt: die soziale Herkunft, gemessen am Bildungsabschluss der Eltern. Man kann es auf die Formel bringen: Ein Kind aus einem Akademikerhaushalt studiert fast immer, ein Kind aus einem Arbeiterhaushalt selten. Sogar die Wahl des Studienfaches ist schichtspezifisch. So findet man unter Medizin- und Jurastudenten kaum Arbeiterkinder, aber relativ viele in den Ingenieurwissenschaften, Geisteswissenschaften und dem Bereich soziale Arbeit.
    Drei Viertel des Nachwuchses mit akademisch gebildeten Eltern landet an der Hochschule, aus Nichtakademikerhaushalten nur ein Viertel.
    Quelle: FAZ.Net
  13. Wo die Grünen von gestern heute ihr Geld verdienen
    Wechsel von der grünen Politik in die Wirtschaft: Einst zogen sie gegen Plastikmüll und Benzingestank zu Felde. Jetzt arbeiten sie für Auto- und Dämmstoffindustrie.
    In den vergangenen Jahren haben Grüne immer mehr zentrale Positionen in Verbänden und der Wirtschaft besetzt. Längst sind sie nicht mehr nur Lobbyisten für die Solarindustrie, sondern auch für den Maschinenbau, die Pharmabranche oder die Metallindustrie. Nicht nur Abgeordnete wechseln die Seiten, sondern auch ihre Mitarbeiter. Sie seien allein schon wegen ihres politischen Insiderwissens für die Verbände interessant, sagt Sebastian Hofmann, der für den Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) arbeitet.
    Quelle: Tagesspiegel
  14. Schon morgens gutes Geld verdienen! SZ-Zusteller
    Wir suchen Sie als zuverlässigen und verantwortungsbewussten Zeitungszusteller/- in, ab 18 Jahre, zwischen 3.30 Uhr und 6.00 Uhr morgens für die Stadt und den Landkreis München. Nutzen Sie diese lukrative Verdienstmöglichkeit und kommen Sie ins Team: • auf 450-Euro-Basis oder • in Teilzeit mit Lohnsteuerkarte • mit 25 % steuerfreiem Nachtzuschlag Wir freuen uns auf Ihr Interesse
    Quelle: Münchner Wochenanzeiger

    Anmerkung Orlando Pascheit: Ausnahmsweise hier einmal eine Werbeanzeige, die keinesfalls als solche an den geschätzten Leser der NachDenkSeiten gerichtet ist, sondern von den Zuständen in unserem Lande Kunde gibt. Schon die Formulierung “lukrative Verdienstmöglichkeit” lässt jeden aufhorchen, der schon einmal Zeitungen ausgetragen hat. Lukrativ kommt von lateinischen “lucrari” und heißt gewinnen. So bietet der Duden denn auch für das Wort lukrativ folgende Synonyme: gewinnbringend, einträglich, gut/hoch dotiert, lohnend, profitabel, rentabel usw. Unserem Leser, der diese Anzeige entdeckt hat, ist allerdings viel Grundsätzlicheres zu dieser “lukrativen Verdienstmöglichkeit” eingefallen:

    Anmerkung unseres Leser H.A.: Es braucht schon ein gediegenes Maß an Chuzpe, auf der einen Seite eine teure Lobbyistengruppe zu beschäftigen, die es schafft, ausgerechnet die Zeitungszusteller durch den Gesetzgeber vom Mindestlohn ausschließen zu lassen, andererseits händeringend nach Menschen zu suchen und ihnen anzubieten, “ins Team zu kommen” (diese Phrase ist eine Unverfrorenheit!), die in Not genug sind, um sich unterhalb des Mindestlohns (= eine “lukrative Verdienstmöglichkeit” – nächste Unverfrorenheit!) zu nachtschlafener Zeit bei jedem Wetter die Füße platt zu laufen.
    Es wird ein Wahnsinnsgeld für Werbung ausgegeben – z.B. um bei Google auf der ersten Suchergebnisseite zu erscheinen, aber auch, um in einer Zeitung eine wirksame Firmenanzeige zu schalten. Da die Zeitung fast ausschließlich von dieser Werbung lebt (sie kassieren dafür reichlich!), sollte doch wohl derjenige, der die Werbung mit seinen Füßen unter die Leute bringt, angemessen (also wie ein ordentlich Beschäftigter einer Werbeagentur) entlohnt werden – genauso wie der Journalist, der mit “Inhalt” dafür sorgt, dass die Werbung unter die Leute gebracht werden kann.
    Wenn diese “Teammitglieder” der untersten Kategorie so händeringend gesucht werden: Wieso reagiert der “freie Markt” nicht mit höheren Löhnen? Wo ist die freie Marktwirtschaft denn, wenn es um die Pfründe der Zeitungsverleger und Werbefachleute geht? Man versucht es halt zuerst mit einem Flyer. Ob irgendwann die Löhne an den Bedarf angepasst werden? Hoffentlich melden sich möglichst wenige Kandidaten, damit die vielgepriesene “freie Marktwirtschaft” auch ordentlich funktioniert. – Der beigefügte Flyer wurde nicht nur in die Briefkästen der Haushalte gesteckt. Er liegt auch auf den Tresen in diversen Kneipen in München aus.

  15. Gregor Kritidis: Griechenlands angebliche „Success-Story“: Verelendung statt Demokratie
    In keinem anderen Land der EU ist es im Zuge der Weltfinanzkrise zu derart starken sozialen und politischen Verwerfungen gekommen wie in Griechenland. Die Ursache der Misere, so die vorherrschende Lesart, sei eine Mischung aus südeuropäischem Schlendrian und balkanischer Vetternwirtschaft. Diese Deutung steht jedoch insofern auf wackeligen Füßen, als der Anstieg der staatlichen Neuverschuldung infolge der Bankenrettungs-Programme keinesfalls eine griechische Besonderheit war. Das Besondere an Griechenland war und ist, dass die sozialen und politischen Eliten aus eigenem Antrieb zur Umsetzung des Austeritätsprogramms auf die Hilfe der EU und des IWF zurückgegriffen haben. …
    Die drastische Senkung der Masseneinkommen, die sogenannte „innere Abwertung“ ist das ausdrückliche Ziel der Politik der Troika, hinter dem andere Ziele wie die Reform der öffentlichen Verwaltung oder des Steuersystems deutlich zurückstehen. Das liegt in der Logik des Bündnisses zwischen den Gläubigern und ihren Vertretern einerseits und der griechischen Oberschicht sowie ihrer politischen Repräsentanten andererseits begründet. Keine griechische Regierung hat ein Interesse, die eigene Machtbasis ernsthaft zu gefährden. Folglich können keine Reformen umgesetzt werden, die zentrale Interessen der griechischen Oberschicht berühren. Exemplarisch dafür ist die Reform des Steuerwesens, dass – sollte sie jemals ernsthaft in Angriff genommen werden – die de jure und de fakto bestehende Steuerfreiheit der Oberschicht und der oberen Mittelschicht beseitigen müßte. Das bedeutet, dass die traditionellen Formen der politischen Herrschaft, insbesondere der ausgeprägte Klientelismus, nicht beseitigt sondern im Gegenteil noch befestigt werden. Mit zunehmender Verarmung nimmt die soziale Abhängigkeit der ums Überleben kämpfenden Bevölkerung zu, sodass Formen der Vorteilsgewährung und –nahme einen besonders guten Nährboden finden. … Die Austerity-Politik hat die Grundlage für eine massive Umverteilung des Eigentums gelegt, nicht nur durch die nach deutschem Vorbild eingesetzte Privatisierungs-Agentur, sondern auch durch Firmenpleiten und private Notverkäufe. Zudem haben die großen Kapitalgruppen in Griechenland von der Senkung der Masseneinkommen erheblich profitiert. Durch die Rezession sinkt jedoch auch die Schuldentragfähigkeit des griechischen Staates, sodass die Bedienung der Schulden zunehmend in Frage steht – eine Kuh kann man schlachten, gleichzeitig melken kann man sie nicht. Eine erneute Umschuldung in welcher Form auch immer ist daher auf absehbare Zeit unumgänglich. ….
    Quelle: annotazioni.de
  16. Das Meer der Hoffnung
    Für einige Wochen war Europa geeint, vergangenes Jahr im Oktober – geeint im Entsetzen. Im Entsetzen über die Bilder aus Lampedusa, von jener Tragödie, bei der am 3. Oktober 2013 direkt vor dem rettenden Strand 368 Menschen erbärmlich ertrunken waren. Es schien, als sei Europa endlich erwacht, als hätten Bürger, Medien und Politiker endlich begriffen, welches Drama sich seit Jahren im Mittelmeer abspielt. Italien wenigstens ließ den Schwüren Taten folgen. Seit November 2013 läuft in der Straße von Sizilien der “Mare Nostrum”-Einsatz, patrouillieren Schiffe und Flugzeuge bis weit hinunter vor die libysche Küste. Nicht Grenzbewachung im Sinne der europäischen Frontex-Philosophie ist das, bilanziert Christopher Hein, Direktor des Consiglio italiano per i rifugiati, des italienischen Flüchtlingsrats, sondern ein “proaktiver Einsatz”, der darauf zielt, Schiffe in Not aufzuspüren und für die schnellstmögliche Rettung zu sorgen, durch eigene Einheiten oder per Alarmierung von Handelsschiffen in der Unglückszone. Dieses Jahr sind schon fast 140.000 Menschen übers Meer nach Italien gekommen, und Mare-Nostrum-Schiffe haben sogar mehr Flüchtlinge gerettet, als Renzi vor der UN gesagt hat: über 90.000. Die meisten fliehen heute vor Kriegen und Diktaturen, aus Syrien, Eritrea oder Palästina.
    Quelle: taz

    Anmerkung Orlando Pascheit: Natürlich ist “Mare Nostrum” ein Erfolg, auch wenn manche zurecht einwenden mögen, dass die Gewissheit der Flüchtlinge, dass ihre Boote von der italienischen Marine gerettet würden, den Flüchtlingsstrom zusätzlich anwachsen lasse. Deshalb ist überhaupt nicht einsehbar, dass die EU nicht die Kosten für “Mare Nostrum” übernimmt. Das Budget von Triton soll monatlich 2,7 Millionen Euro betragen. Triton wird wesentlich näher an der italienischen Küste operieren, “Mare Nostrum” war hingegen auch vor der Küste Libyens tätig. Hinzu kommt, dass Frontex nicht über eigene Grenzwächter oder Schiffe verfügt und deshalb auf das Material und das Personal der Mitgliedstaaten angewiesen ist. Ende September hat Frontex einen Aufruf an alle 28 EU-Staaten gerichtet. Man sammle derzeit Zusagen, heißt es am Hauptsitz der Agentur in Warschau. – In der Tat: Seit dem 4. Oktober geht Europas Flüchtlingspolitik so weiter wie bisher – ganz so, als sei vor einem Jahr eigentlich nichts passiert.

  17. Bund soll Unis in Wissenschaft stärken
    Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf zur Neufassung des Artikels 91b Absatz 1 Grundgesetzänderung vorgelegt. Danach sollen die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen für eine erweiterte Kooperation von Bund und Ländern im Wissenschaftsbereich geschaffen werden (18/2710).
    Einrichtungen von Wissenschaft und Forschung der Hochschulen können nach der Föderalismusreform von 2006 von Bund nach Artikel 91b Absatz 1 Nummer 2 Grundgesetz nur thematisch und zeitlich begrenzt als „Vorhaben der Wissenschaft und Forschung“ in Fällen überregionaler Bedeutung gemeinsam gefördert werden. Dies soll jetzt geändert werden. Hochschulen sollen in gleicher Weise wie außeruniversitäre Forschungseinrichtungen in Fällen überregionaler Bedeutung nach Artikel 91b Absatz 1 Nummer 1 des Grundgesetzes institutionell gefördert werden können.
    Für eine international wettbewerbsfähige Wissenschafts- und Forschungslandschaft komme den Hochschulen eine Schlüsselfunktion zu. Sie seien mit ihrer Einheit aus Forschung und Lehre das zentrale Element des Wissenschaftssystems. In Verbindung mit der Aufgabe des Wissens- und Technologietransfers trügen die Universitäten entscheidend zur Innovationsfähigkeit Deutschlands in einer globalisierten Welt bei und bildeten mittlerweile mehr als 50 Prozent eines Altersjahrganges aus. Zudem stellten sich den Hochschulen vielfältige Herausforderungen, wie die Heterogenität der Studentenschaft, die demographische Entwicklung sowie die Sicherung einer angemessenen Grundfinanzierung. All dies erfordere es, die Hochschulen verstärkt zu fördern und ihnen eine verlässliche finanzielle Perspektive zu bieten.
    Quelle: Deutscher Bundestag

    Anmerkung WL: Späte Einsicht! Siehe schon „Vom kooperativen Föderalismus zum Wettbewerbsföderalismus – küntig herrscht zwischen den Ländern das Recht des Stärkeren“

  18. Realsatiriker Josef Joffe gibt Zugabe
    Erboster ZEIT-Herausgeber geht gegen Die Anstalt (ZDF) in Berufung
    Das Verdienst von ZEIT-Herausgeber Josef Joffe, die Verflechtungen deutscher Edeljournalisten mit transatlantischen Lobby-Organisationen möglichst unterhaltsam und nachhaltig in die Öffentlichkeit zu bringen, ist an pädagogischem Wert kaum zu überschätzen…
    Während die Häme nun auf Don Quichoffe abregnet, ist das Thema transatlantischer Kontaktpflege mit Journalisten weitaus umfangreicher….
    Doch in der US-Lobby treten sich ausgerechnet die am besten bezahlten TV-Journalisten von ARD und ZDF gegenseitig auf die Füße. So machte der mit ca. einer halben Million Euro/Jahr an GEZ-Geldern ausgestattete heutige WDR-Intendant Tom Buhrow für die ultrakonservative deutsch-amerikanische Lobby Atlantik-Brücke e.V. 2009 den Festredner, wo er den US-Botschafter lobte, der nicht einmal die Sprache seines Gastlandes spricht. Auch ZDF-Starjournalist Claus Kleber, der ähnlich gut wie Buhrow verdient, ist mit seiner journalistischen Tätigkeit nicht so ausgelastet, als dass er nicht auch Zeit für das Kuratorium der Atlantik-Brücke hätte. Letztes Jahr verstieg sich Kleber zu einem Vergleich der Tagesschau mit nordkoreanischem Regierungsfernsehen. Derartige Töne kennt man eher von US-TV-Moderatoren, die um den Titel des konservativsten Kommentators konkurrieren.
    Quelle: Telepolis

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