„Krieg in unserer Zeit“, eine deutsche Partei ergreift Partei für den Krieg.
Willy Wimmer macht auf den Reader zur 15. Außenpolitischen Jahrestagung der Heinrich-Böll-Stiftung aufmerksam. Siehe hier [PDF]. Er hat dazu einen Text geschrieben, den wir im Folgenden wiedergeben. Der Titel des Papiers lautet: „Auf dem Weg zu mehr Verantwortung?“ Die Grünen profilieren sich immer mehr als Partei der militärischen Intervention; und die Heinrich-Böll-Stiftung bietet sich als Basis und Katalysator dieser Entwicklung an. Darauf wird zurückzukommen sein – auch deshalb, weil der Missbrauch des Namens von Heinrich Böll langsam nicht mehr erträglich bleibt. Albrecht Müller
Und hier der Beitrag von Willy Wimmer – verbunden mit dem Dank für diese Unterstützung:
„Krieg in unserer Zeit“, eine deutsche Partei ergreift Partei für den Krieg.
Das hatten wir schon einmal. „Zweck heiligt die Mittel“. Dafür bezahlt Deutschland bis heute und noch für eine lange Zeit. Wenn Irrsinn zur Methode wird, dann verfällt man auf solche Slogans. Nicht anders schallt es heutzutage aus der grünen Ecke, aus der Böll-Stiftung und dem Relikt aus der grünen Regierungszeit, dem European Council on Foreign Relations. Eigentlich wäre ein neuerliches Credo aus der grünen Ecke für Krieg nicht nötig gewesen. Spätestens seit dem Wirken des ehemaligen grünen Außenministers Fischer vor, während und nach dem Jugoslawien-Krieg weiß man, was „fliegende Fahnen“ bei den Grünen bedeuten. Da darf auch mal „Auschwitz“ bemüht werden, ohne dass es für diese widerliche Instrumentalisierung einen gewaltigen öffentlichen Aufschrei gegeben hätte. Noch bevor die Kriegstrommeln gerührt werden, schallt schon Begeisterung für neuerliches Schlachten aus der „grünen Ecke“.
Jetzt lässt man, im Beisein mehr oder weniger prominenter Namen, die berühmte Katze aus dem Sack. Wie heißt es doch im neuen, grünen Leitfaden für den nächsten Angriffskrieg:“ die deutsche Politik muss akzeptieren, dass das bestehende internationale System, allen voran die Vereinten Nationen, nicht den Herausforderungen der Weltunordnung des 21. Jahrhunderts entsprechen. Das bedeutet praktisch zu akzeptieren, dass ein Agieren außerhalb des bestehenden völkerrechtlichen Rahmens vonnöten sein kann, wenn die Stabilität der internationalen Ordnung gefährdet ist.“ So definiert man das, was der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder in sehr freimütiger Weise in Zusammenhang mit dem deutschen Beitrag zum Jugoslawien-Krieg eingestanden hatte. Selbstverständlich habe er damit das Völkerrecht gebrochen, so räumte er es ein. Irgendwie konnte er bis heute gewiss sein, dass für ihn und alle Beteiligten an diesem ordinären Angriffskrieg ein derartiges Eingeständnis vor allem vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag folgenlos bleiben werde. Das gilt natürlich auch für seinen damaligen Außenminister Fischer, dessen einzige Maßregelung in einem Farbbeutel bestand. Vermutlich war die Farbe „grün“, denn diese Farbe bedeutet im politischen Farbenspiel dieser Republik die größte Hoffnung auf Krieg und eine Beteiligung an demselben.
Der Mentor für dieses Denken ist bedeutend und damit die ganze Perversion des Denkens ihm auch gerecht werden kann, soll demnächst an der altehrwürdigen Universität Bonn ausgerechnet ein Völkerrechtslehrstuhl mit seinem Namen verbunden werden. Es handelt sich um den ehemaligen amerikanischen Außenminister Henry Kissinger, der vor dem Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien nicht müde geworden ist, in deutschen und internationalen Publikationen die Beseitigung des in Europa seit dem Mittelalter entwickelten Völkerrechts zu fordern. Stattdessen sollte eine internationale Ordnung geschaffen werden, die der Bedürfnislage der USA auf Weltherrschaft entsprechen würde. Nürnberg oder der Gedanke daran sollte verschwinden. Ein Gedanke, der für jemanden mit größerer Ortskenntnis geradezu verlockend erscheinen musste, wenn es um fadenscheinige Begründungen für Angriffskriege á la Irak, etc. gehen sollte. Wie war das noch mit dem „weiten Weg nach Westen“ für Deutschland oder mit dem „Griff nach der Weltherrschaft“?. Da beteiligt man sich heute lieber an verhängnisvollen Studien der Böll-Stiftung, wenn man Winkler heißt. Oder besteht der Sinn des grünen Schreis nach Krieg darin, für gewisse Altvordere den Weg nach Den Haag abzuschneiden? Durch Quasi-Legitimation zumindest in manchen Augen der sogenannten Öffentlichkeit.
Unter diesen Umständen machen auch die Äußerungen des Herrn Bundespräsidenten zum Einsatz des deutschen Militärs einen neuen Sinn. Es war schon bei seiner Rede zur Münchner Sicherheitskonferenz auffallend, dass er sich nicht vorbehaltslos dafür stark gemacht hatte, die bestehende Völkerrechtsordnung zu festigen, um mit den objektiv vorhandenen Schwierigkeiten fertig werden zu können. Oberste deutsche Bundesgerichte hatten in den letzten Jahren Urteile zu der Frage Krieg-Völkerrecht-Grundgesetz-Soldatengesetz gefällt, die eigentlich jeder Bundesregierung die Schamesröte ins Gesicht hätte treiben müssen. Dazu schwieg der oberste Hüter der Verfassung ebenso wie die jeweilige Bundesregierung es vermocht hatte. Wo war sein Bekenntnis dazu, dass in Anbetracht der Geschichte seit dem Jugoslawien-Krieg, dem mörderischen Krieg gegen Irak und deutscher Hilfeleistungen dazu sowie der Killereinsätze amerikanischer Drohnen über deutsche Standorte, von deutschem Boden nie wieder ein Angriffskrieg würde gestartet werden dürfen? Wo war sein Bekenntnis dazu, nach dem Soldatengesetz nicht dem einzelnen Soldaten die Antwort auf die Frage aufbürden zu dürfen, ob sein Handeln mit dem Völkerrecht übereinstimme?
Stattdessen wurde die nicht zu bezweifelnde Achtung der Menschenrechte im Kontext zu Einsätzen der Bundeswehr gesetzt. Ist dem Herrn Bundespräsidenten völlig entgangen, wie sehr diese Menschenrechte auf Gedeih und Verderb an die völkerrechtliche Ordnung, die wir derzeit haben, gebunden sind? Wir haben gerade in den letzten Jahrzehnten die Militarisierung der Menschenrechte durch die westliche Führungsmacht, die USA, erleben müssen. Menschenrechte wurden zu Kampfbegriffen wie „humanitäre Intervention“, “right to protect“ etc. degradiert, ganz im Sinne des britischen Imperialismus aus dem 19. Jahrhundert, dem sie nahtlos entlehnt worden sind.
Natürlich ist es nicht von der Hand zu weisen, dieses Aufblühen eines „grünen Bellizismus“ in einen Zusammenhang mit dem Wegdrücken der FDP aus dem deutschen Parteienspektrum zu betrachten. Was kann man der FDP nicht alles nachsagen? Aber eines gewiss nicht: sie sei eine deutsche Partei gewesen, bei der sich das eigene Grundgesetz und das Völkerrecht nicht unter den gegebenen Umständen bestens aufgehoben fühlen durfte. Baum und Leuthäuser sind zwei Namen dafür. Das deutsche Verhängnis bekommt eine neue Farbe: grün.