ÖPP-Modelle in der Kritik des Obersten Bayerischen Rechnungshofs (ORH)
Über die Irrwege der so genannten Öffentlich Privaten Partnerschaften haben wir auf den NachDenkSeiten schon häufig berichtet und auch darüber, dass sie den Steuerzahler teuer zu stehen kommen. Nun hat auch der Bayerische Rechnungshof zwei ÖPP-Baumaßnahmen untersucht und sie auf ihre Wirtschaftlichkeit im Vergleich zu einer konventionellen öffentlichen Finanzierung und Durchführung überprüft. Ergebnis: „Ein realistischer Kostenvergleich lässt keine Vorteile der ÖPP-Lösung gegenüber einer herkömmlichen Verwirklichung erkennen.“
Christine Wicht hat sich den Jahrsbericht 2006 daraufhin genauer angesehen.
ÖPP-Modelle in der Kritik des Obersten Bayerischen Rechnungshofs (ORH)
von Christine Wicht
Öffentlich Private Partnerschaft (ÖPP) oder Private Public Partnership (PPP), die vertraglich geregelte langfristige Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und der Privatwirtschaft, zeigt sich in der Praxis oftmals als teures Patentrezept. Mit der Begründung, dass der Öffentlichen Hand, mit diesem Modell bei knappen Kassen wieder finanzielle Freiräume geschaffen werden könnten, fand dieses Konzept Eingang in politische Gremien, wie Stadt-, Kreistage, Landtage und Bundestag. PPP wurde mit der Erwartung verbunden, öffentliche Investitionen in Zusammenarbeit mit Akteuren aus der Privatwirtschaft effizienter und billiger als bisher realisieren zu können. So werden beispielsweise Bereiche des Straßenbaus, Schulen, ja sogar Rathäuser zunehmend nach dem PPP- Konzept durchgeführt. Wirtschafts- und Finanzberater haben unterstützt von Lobbyistenverbände haben auf dem Feld der ÖPP neue profitable Tätigkeitsfelder entdeckt. Aufgrund klammer Kassen werden von Wirtschaftsexperten ÖPP-Modelle als Lösung zur Sanierung maroder Haushaltskassen propagiert und deshalb von politischen Entscheidungsträgern gern angenommen. Nun zeigt der aktuelle Bericht des Obersten Bayerischen Rechnungshofs [PDF – 777KB] (ORH) von 2006 anhand zweier aktueller Fälle, dass ÖPP-Modelle nicht günstiger sind als konventionelle Modelle. Die Prüfung der geschätzten Kosten beider Varianten zeigt, dass in diesen Fällen verschiedene Dinge miteinander verglichen wurden.
Folgende zwei Baumaßnahmen, die in der ÖPP-Version durchgeführt wurden, hat der ORH in seinem Jahresbericht 2006 untersucht:
- Die Verlegung der Staatsstraße 2309 bei Miltenberg/Bayern, mit dem Bau einer Brücke für 55 Mio. Euro. Die Ortsdurchfahrt von Miltenberg soll durch die 4,8 km lange Verlegung der Staatsstrasse 2309 entlastet werden. Dazu müssen eine 355m lange Brücke über den Main und ein 340 m langer Tunnel gebaut werden.
- Die Flughafentangente Ost (FTO), München/Erding, mit welcher eine leistungsfähige Nord-Süd-Verbindung zwischen den Autobahnen A 92 und A94 hergestellt werden soll. Die 27 km lange Strecke ist in sechs Bauabschnitte unterteilt, von welchen drei bereits fertig gestellt sind. Das ÖPP-Projekt bezieht sich auf den Bauabschnitt 4, welcher 3,5 km lang ist. (Quelle: ORH-Jahresbericht S. 53)
Der Wirtschaftlichkeitsvergleich
Der Wirtschaftlichkeitsvergleich und das Ausschreibungsmanagement wurden von der Firma VBD vorgenommen. Das Unternehmen hat sich in der Vergangenheit auf Cross-Border-Leasing spezialisiert und nach der Einstellung dieses Steuersparmodells auf die Beratung von ÖPP-Modellen konzentriert. Hartmut Fischer von der VBD Beratungsgesellschaft für Behörden war außerdem beteiligt an der Ausarbeitung des ÖPP-Beschleunigungsgesetzes. Der ORH hat das Gutachten von VBD kritisch unter die Lupe genommen und dabei folgende gravierende Mängel festgestellt. Der ORH zitiert auf S. 56 das Bayerische Staatsministerium:
Nach Berechnungen des Staatsministeriums der Finanzen wäre die unmittelbare Kreditfinanzierung durch den Staat bei der St 2309 um 2,4 Mio. Euro bei gleichen Baukosten sogar um 3,1 Mio. Euro günstiger; bei der FTO läge der Vorteil bei 0,19 bzw. 0,32 Mio. Euro. Die Verwaltung kommt dennoch in beiden Fällen zu einem positiven Ergebnis zugunsten von ÖPP.
ÖPP-Eignungstest
Vor der Realisierung der ÖPP-Modelle hätte ein Eignungstest hinsichtlich der Projektphasen Planung, Bau, Finanzierung, Betrieb/Erhaltung, Verwertung stattfinden sollen. Beide Pilotprojekte wurden jedoch ohne einen solchen Eignungstest veranschlagt. Diese Entscheidung wird damit begründet, praktische Erfahrungen mit ÖPP gewinnen zu wollen. Nach Ansicht des ORH hätte ein vorgeschalteter Eignungstest zu einem anderen Ergebnis führen müssen (Quelle: ORH-Jahresbericht S. 62).
Geschätzte Kosten, bei konventioneller Projektrealisierung, verglichen mit den Ausschreibungsergebnissen der ÖPP-Variante für die Staatsstraße 2309 und die FTO (ORH-Bericht S. 55/56):
Baukosten
Zur Kostenermittlung der konventionellen Variante des Baus der Staatsstraße 2309 wurde ein mehrfacher Auf- und Abbau der Baustelle kalkuliert. Bei der ÖPP-Variante veranschlagten die Gutachter der Firma VBD dagegen die effiziente Durchführung der Baumaßnahme an einem Stück. Des Weiteren wurden bei der ÖPP-Variante kostengünstige Sonderbauweisen berücksichtigt, die bei konventioneller Realisierung ebenso anwendbar wären (Quelle: ORH-Jahresbericht S. 56/57).
Bei der Kalkulation der FTO gingen die Gutachter für die ÖPP-Variante von der kostengünstigeren Rahmenbauweise aus. Diese Methode wäre bei konventioneller Technik genauso anwendbar, so dass dadurch kein Kostenvorteil für die ÖPP-Lösung entstehen dürfte. Die Verwaltung hat hier bei beiden Varianten die Kosten für eine Dauerzählstelle einbezogen, obwohl diese nur bei der ÖPP-Variante nötig gewesen wäre. Bei ehrlicher Betrachtung der Kalkulationselemente ergäbe sich gegenüber dem errechneten Vorteil von 120.000,– Euro gar ein Nachteil in Höhe von 245.000,– Euro für das ÖPP-Modell. Die Mehrkosten für den aufwendigeren Kompaktasphalt sind noch nicht einberechnet, dieses Material würde erst in der Erhaltungsphase Kostenvorteile bringen.
Fazit des ORH:
Wären die Projekte konventionell vergleichbar und zum selben Zeitpunkt ausgeschrieben worden, so wären ähnliche Angebot zu erwarten gewesen. Die errechneten Kostenvorteile für ÖPP sind daher unrealistisch.
Erhaltungskosten
Die Kalkulation der Straßensanierungen der St 2309 sah bei konventioneller Variante zwei Sanierungen zu je 480.000,– Euro vor, die ÖPP-Variante jedoch nur einen einmaligen Deckenbau in Höhe von 690.000,– Euro. (Quelle: ORH-Jahresbericht S. 57). Der Vergleich der Erhaltungskosten der FTO ist ähnlich kalkuliert, deshalb sieht der ORH keine Kostenvorteile für die ÖPP-Lösung.
Finanzierungskosten
…Der Auftraggeber finanziert sämtliche Bauleistungen vor. Er hat dafür einen Kreditfachvertrag mit einer Bank geschlossen. Während der Bauzeit werden die nachgewiesenen Bauleistungen mit einem variablen Satz verzinst. Nach Abnahme und Übergabe der Straße kann der Auftragnehmer vertragsgemäß seine Werklohnforderung gegenüber dem Staat einredefrei an die vorfinanzierende Bank abtreten. Der Staat refinanziert die Bau- und Finanzierungskosten über einen Zeitraum von zehn Jahren erstmals im Jahr der Abnahme der Bauleistungen (Teile A und B). Außerdem vergütet das Bauamt die Erhaltungsmaßnahmen.
Quelle: orh.bayern.de
Da der Staat ein günstigeres Rating hat als jedes Baukonsortium, sind bei gleichem Finanzierungsbedarf die Finanzierungskosten bei der konventionellen Variante generell günstiger als bei der ÖPP-Variante und somit ein Nachteil für die ÖPP-Lösung.
Insolvenzrisiko
Sollte das Bauunternehmen während der Bauphase insolvent werden, entstünden dem Staat keine zusätzlichen Kosten, so die Argumentation für die ÖPP-Variante. Die private Vorfinanzierung führt nicht zu direkten Zahlungen der Straßenbauverwaltung, der Staat muss erst nach Abnahme der Bauleistungen zahlen. Der Staat trägt die Verantwortung für eine Neuausschreibung, was einen Zeitverlust, Mehraufwand und erhöhte Kosten für das Bauamt bedeuten würde (ORH-Bericht S. 61)
Erhaltungsrisiko
Erhaltungsmaßnahmen werden bei konventioneller Realisierung oftmals aufgrund knapper Haushaltsmittel verschoben. Der ÖPP-Auftragsnehmer habe, so die Argumentation, größere zeitliche Dispositionsfreiheit, der Staat sei dagegen finanziell eingeengt. Nach Auffassung des ORH entfiele der Vorteil, wenn die für notwendige Erhaltungsmaßnahmen erforderlichen Haushaltsmittel für die Erhaltung so bereitstünden, wie sie die Bauverwaltung den Unternehmen in den ÖPP-Verträgen zugesichert hat (ORH-Bericht S. 61).
Fazit des ORH:
Im Ergebnis führt somit auch die Risikobewertung nicht zu Vorteilen für ÖPP, die die Mehrkosten aus der privaten Kreditfinanzierung ausgleichen könnten.
Der ORH fasst das Ergebnis seiner Prüfungen wie folgt zusammen:
Ein realistischer Kostenvergleich lässt keine Vorteile der ÖPP-Lösung gegenüber einer herkömmlichen Verwirklichung erkennen. Kostenersparnisse entstehen, wenn ohne zeitliche Streckung gebaut werden kann. Dies wäre auch nach der konventionellen Methode möglich gewesen. Gleiches gilt für die Kostenvorteile bei der Vergabe an Generalunternehmer gegenüber einer Aufteilung in Fachlose gemäß den Mittelstandsrichtlinien. Jedes ÖPP-Vorhaben begründet wie eine unmittelbare Kreditaufnahme auch langfristige finanzielle Belastungen für die Zukunft und engt den künftigen Handlungsspielraum entsprechend ein.
(ORH-Bericht S. 62)
Erfahrungen der bayerischen Straßenbauverwaltung mit ÖPP-Modellen
Bereits im Jahr 1994 konnte die bayerische Straßenbauverwaltung Erfahrungen mit dem Bau von zwei Staatsstraßen durch private Vorfinanzierungen sammeln. In beiden Fällen hatte der ORH erhebliche Mehrkosten festgestellt (Quelle: ORH-Bericht 1997 Tnr.23). Daraufhin ersuchte der Landtag in einem Landtagsbeschluss vom 24. April 1998 die Staatsregierung
… eine private Vorfinanzierung öffentlicher Investitionen auf besonders begründete Ausnahmefälle zu beschränken….
(LT-Drucksache 13/10947 Nr. 2 d, Quelle: ORH Jahresbericht 2006, Seite 54). Der Bayerische Rechnungshof hat die aktuellen Projekte der Staatsstraße in Miltenberg und der FTO als Sackgasse beschrieben, da sich der Vertrag auf Qualitätsanforderungen beschränke und bautechnische Details fehlen. Bereits am 5.5.2006 stellte der Oberste Bayerische Rechnungshof folgende Anforderungen an ÖPP-Modelle:
- Bei ÖPP-Projekten treten andere laufende Ausgaben an die Stelle von Zins- und Tilgungslasten und belasten künftige Haushalte in gleicher oder ähnlicher Weise.
- Nur nachgewiesene und haushaltswirksame Effizienzgewinne können zur Haushaltsentlastung beitragen.
- ÖPP-Projekte, die sich die öffentliche Hand konventionell finanziert nicht leisten kann, darf sie sich ebenso wenig alternativ finanziert leisten.
- Erst nach Feststellung der Notwendigkeit eines Projekts darf und muss geprüft werden, ob das Projekt für eine ÖPP-Realisierungsvariante geeignet ist.
- Die Wirtschaftlichkeit eines Projekts muss in jedem Einzelfall und über die gesamte Laufzeit hinweg (Lebenszyklusansatz) nachgewiesen sein.
- Zwischen der öffentlichen Hand und dem privaten Partner ist eine angemessene und wirtschaftliche Risikoverteilung vorzunehmen.
- Die öffentliche Hand darf sich durch ÖPP-Projekte nicht aus dem Vergaberecht „stehlen.“
- Die Komplexität von ÖPP-Projekten stellt besonders hohe Ansprüche an die Vertragsgestaltung. Fehlerhafte Verträge haben unmittelbare Auswirkung auf die Wirtschaftlichkeit des Projekts.
- ÖPP-Projekte sind während ihrer gesamten Vertragslaufzeit im Haushalt klar darzustellen. Die Belastung künftiger Haushalte muss eindeutig erkennbar sein.
- Die Prüfungsrechte der Rechnungshöfe sind sicherzustellen.
- Im kommunalen Bereich handelt es sich bei ÖPP-Projekten häufig um kreditähnliche Geschäfte, die in fast allen Ländern der Genehmigung der Kommunalaufsichtsbehörde bedürfen.
- Von staatlicher Seite sollten Mindestanforderungen für ÖPP-Projekte vorgegeben werden.
Dennoch plant der Freistaat Bayern weitere Projekte in ÖPP-Zusammenarbeit auszuführen. Dazu zählen die Sanierung der Mainbrücken in Bergrheinfeld, Segnitz, Klingenberg und Volkach. Das von den privaten Investoren vorgeleistete Kapital wird vom Freistaat in 10 Jahresraten zurückgezahlt. Innenminister Beckstein hat sich bezüglich der ÖPP-Projekte dahingehend geäußert, dass die Anzahl begrenzt bleiben müsse. Politische Entscheidungsträger wären besser beraten, ÖPP-Projekte künftig durch von wirtschaftlichen Interessen freien und unabhängigen Experten kontrollieren zu lassen.