Die US-nah organisierte Gleichschaltung wichtiger Leitmedien (Teil II zur Putin- Rede, Ukraine, etc.)
Der Medienwissenschaftler Uwe Krüger hat 2013 das Ergebnis seiner wissenschaftlichen Arbeit über die Zusammenhänge von Größen des deutschen Journalismus mit außen- und sicherheitspolitisch aktiven Eliten veröffentlicht. Der Titel seines Buches: „Meinungsmacht“[*]. Seine Beobachtungen sind wichtig, um die Grundlinien wichtiger Medienschaffenden in der wieder auflebenden Auseinandersetzung zwischen West und Ost und damit das überwiegende Medienecho beim Konflikt um die Ukraine besser zu verstehen und vor allem auch die Orientierung an transatlantischem und US-amerikanischen Denken einordnen zu können. Albrecht Müller.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download
So wird der Mainstream US-nah ausgerichtet
Uwe Krüger hat beobachtet und beschreibt, dass sich Journalisten in verschiedenen Zirkeln mit den Mächtigen treffen, und sich dieses Eingebundensein in ihren journalistischen Werken niederschlägt. Wörtlich: „Am auffälligsten war der Befund, dass vier leitende Journalisten der „Süddeutschen Zeitung“ (Kornelius), der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Frankenberger), der „Welt“ (Stürmer) und der „Zeit“ (Joffe) stark in US- und NATO-affinen Strukturen eingebunden sind.“ Das deckt sich mit den Beobachtungen vieler unserer Leserinnen und Leser. Allerdings beobachten wir das Phänomen der Anlehnung und gleich Richtung bei einer Reihe anderer Journalistinnen und Journalisten.
Die Daten im Buch von Uwe Krüger beziehen sich auf die Jahre 2002-2009. Die meisten Beobachtungen sind noch aktuell. Siehe dazu auch ein Telepolis-Interview zum Thema.
Hier ist eine Tabelle mit Größen des deutschen Journalismus, die in transatlantisch ausgerichteten außen- und sicherheitspolitischen Eliten-Organisationen eingebunden waren und sind. Diese Tabelle ist ein Auszug aus einer Tabelle des Buches von Uwe Krüger (siehe dort die Seiten 119-122):
Medium | Name | Organisation, in der der Journalist zwischen 2002 und 2009 involviert war |
---|---|---|
ZEIT | Josef Joffe | American Academy in Berlin American Council on Germany American Institute for Contemporary German Studies Aspen Institute Deutschland Atlantik-Brücke Bilderberg Europe’s World Goldman Sachs Foundation Hypovereinsbank International Institute for Strategic Studies „Internationale Politik“ Münchner Sicherheitskonferenz „The American Interest“ Trilaterale Kommission |
ZEIT | Matthias Naß | Atlantik-Brücke Bilderberg |
ZEIT | Marc Brost | Atlantik-Brücke |
Süddeutsche Zeitung | Stefan Kornelius | American Institute for Contemporary German Studies Bundesakademie für Sicherheitspolitik Deutsche Atlantische Gesellschaft Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik „Internationale Politik“ Körber-Stiftung Münchner Sicherheitskonferenz |
ZDF | Claus Kleber | Aspen Institute Deutschland |
ZDF | Peter Frey | Bundesakademie für Sicherheitspolitik Körber-Stiftung |
BILD | Kai Diekmann | Atlantik-Brücke |
FAZ | Klaus-Dieter Frankenberger | Atlantische Initiative Bundesakademie für Sicherheitspolitik Institut für Europäische Politik Münchner Sicherheitskonferenz Trilaterale Kommission |
WELT | Michael Stürmer | Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik European Council on Foreign Relations German British Forum Münchner Sicherheitskonferenz Valdai Discussion Club |
Die genannten Personen waren auf verschiedene Weise mit den genannten Institutionen verwoben – u.a. Mitgliedschaft in Vereinen, Beirat oder Kuratorium sowie mit der Teilnahme an nicht-öffentlichen Konferenzen.
Ergänzende Anmerkung:
Claus Kleber war 15 Jahre lang Washington-Korrespondent der ARD, und er war bis vor einigen Jahren Kuratoriumsmitglied des Aspen Institutes Deutschland (US-Organisation). Er war bis 2013 regelmäßig Teilnehmer der Münchner Sicherheitskonferenz [PDF – 465 KB] (einer Nato-nahen Veranstaltung) und hat dort mindestens eine Podiumsdiskussion moderiert [PDF – 465 KB] (u.a. mit John Kerry)
Die Liste der ähnlich mit Eliten verwobenen Journalistinnen und Journalisten wäre gewaltig zu erweitern, wollte man ein komplettes Bild der Einflussnahme zeichnen. In meiner Darstellung fehlen Spiegel und Spiegel online, die Bild-Zeitung, die kommerziellen Sender und große Regionalzeitungen. Über all ist die Gleichrichtung spürbar.
Uwe Krüger hat Artikel und andere Medienprodukte der genannten Journalisten untersucht und festgestellt: Die Journalisten lagen ganz auf Linie mit den Eliten. Sie mahnten zu stärkerem militärischen Engagement und empfahlen mehr Führung und Überzeugungsarbeit bei der skeptischen Bevölkerung, um die Linie durchzusetzen. Zu welchen Ergebnissen diese Agitation führt, konnten wir erleben, als im Kontext der Münchner Sicherheitskonferenz dieses Jahres Bundespräsident Gauck, Außenminister Steinmeier und Verteidigungsministerin von der Leyen einvernehmlich mehr Verantwortung in der Welt einforderten, was gleichbedeutend ist mit mehr militärischem Engagement. Solche Schübe der außen- und sicherheitspolitischen Veränderungen werden genau von diesen Kreisen von Journalisten in Kombination mit den verschiedenen Institutionen bewerkstelligt.
Die Nähe zu den Eliten und zu deren politischer Orientierung zahlt sich auch für die Karriere der genannten Journalisten aus. Joffe, Frey, Kleber etc. sind auch dank ihrer ideologischen Ausrichtung und ihrer Verbundenheit mit den mächtigen Zirkeln der Eliten beruflich erfolgreich.
Die genannten Personen sind einflussreich. Sie bestimmen durch ihre Prominenz und ihre gleiche Ausrichtung auch die Berichterstattung und Kommentierung von anderen Journalistinnen und Journalisten.
Im eigenen Medium gilt das oft ganz direkt. Ein typisches Beispiel ist der Kommentar zur Putin Rede von Julian Hans in der Süddeutschen Zeitung vom 19. März 2014. Die Überschrift in der Printausgabe lautete: „Europas Alptraum“. Typisch für die Verdrehung im Sinne der westlichen „Staatengemeinschaft“ war u.a. der Schluss:
„Im Zeitraum von gerade einmal drei Wochen hat Europa erlebt, wie seine über Jahrzehnte stabile Sicherheitsordnung zerbröselte. Wie soll man Putin entgegentreten? Keiner weiß es. Und für die Völker Mitteleuropas sind die alten Schreckgespenster zurückgekehrt – ihr Albtraum.“
Da ist keine Rede von der Mitwirkung der Europäischen Union, der USA und der NATO an der Erosion der stabilen Sicherheitsordnung. Von den Zumutungen und den gebrochenen Versprechungen gegenüber Russland wird nicht berichtet. Schuld sind allein die Russen.
Die Einbindung von Journalisten findet auf vielfältige Weise statt – durch Verknüpfung mit den aufgeführten Institutionen. Darüber hinaus aber auch durch die Tätigkeit als Korrespondenten, vor allem in den USA und in Brüssel. Ein Leser der NachDenkSeiten, dem ich Anregungen für diesen Artikel verdanke, schreibt:
„Mir fiel auf, dass durch das bekannte Rotationsprinzip nach kurzzeitigen Aufenthalt in USA plötzlich ein anderer “Zungenschlag” zu vernehmen war, der anderswo als Gehirnwäsche gebrandmarkt wird.“ Er hat das beim Deutschlandfunk beobachtet. Man kann es bei der ARD und beim ZDF beobachten.
Die Rollback-Ideologen in den USA und Europa bestimmen das Medienecho maßgeblich. Wer in den USA regiert, ist dabei ziemlich gleichgültig. Auch in Europa ist festzustellen, dass zum Beispiel Sozialdemokraten und Grüne fest in die herrschende Ideologie und ihre Agitationen eingebunden sind, oft noch fester als die traditionellen Konservativen.
Das ist kein neues Phänomen. Clevere Rechtskonservative und ihre Agitatoren im Hintergrund suchen sich oft eher Links orientierte Personen als Rammböcke zur Durchsetzung ihrer Interessen und Ideologien. So wurden Joschka Fischer und Rudolf Scharping für die Durchsetzung der militärischen Intervention im Kosovo Krieg instrumentalisiert. So geschieht es heute. Der sozialistische Präsident Frankreichs ist einer der Hauptmatadore der neuen Konfrontation in Europa; wichtige Repräsentanten der Grünen einschließlich der schon im Teil I. erwähnten Heinrich-Böll-Stiftung wirken an vorderer Front beim Aufbau der neuen Konfrontation in Europa mit.
Fazit:
Es ist wichtig, über die organisierte Gleichschaltung vieler Medien aufzuklären.
Es ist wichtig, auf diese Weise die Glaubwürdigkeit dieser Medien zu erschüttern.
Nur dann wird es gelingen, in unserem Volk den noch vorhandenen Widerstand gegen einen neuen kalten Krieg und gegen die neue Teilung Europas in West und Ost zu erhalten und auszubauen.
Deshalb die herzliche Bitte: Klären Sie auf über die Abhängigkeit vieler deutscher Medien von den Herrschenden und einer militärorientierten herrschenden Ideologie, die übrigens immer auch eine innenpolitische und gesellschaftspolitische Seite hat.
Nennen Sie Namen. Denn die laufende Agitation ist nicht namenlos. Sie wird von Personen organisiert und getragen. Die Glaubwürdigkeit dieser Personen muss im Mark erschüttert werden.
Im Anhang finden Sie zwei gut passende Leserbriefe auf den gestrigen Teil I.
Anhang:
Leserbrief 1:
lieber albrecht, ein paar anregungen zu deiner weiteren betrachtung aus der sicht derjenigen, die ihre lektion aus dem kalten krieg gelernt haben:
- merkel ist durch ihre sozialization in der ddr die “geborene antirussin”, die ihren hass gegen moskau politisch auslebt; sie hat nie erfahren können, wie der kalte krieg aus sicht des westens aussah, und die erleichterung verspüren können, die wir mit “ksze” und “osze”, “glasnost” und “perestroika” erlebten – diese erfahrung ist und bleibt ihr fremd, deshalb versagt sie, nicht nur in der ukraine/krim-frage.
(Notwendige Korrektur AM: Das ist nicht korrekt. Ich teile die Meinung einer NDS-Leserin, die schreibt: “Ich selbst und viele andere ehemalige DDR-Bürger sind aufgrund unserer Sozialisierung keine Antirussen geworden! DDR-Aufwuchs mit Antirussenhaltung gleichzusetzen, würde die Sache zu einfach darstellen.” – Danke für diese Korrektur.) - verheugen hat uns als eu-erweiterungskommissar doch all die problemländer an den europäischen hals gehängt, die als brückenländer die sicherheitsinteressen hätten wahren können, wenn man das europäische haus mit russland weiter gebaut hätte, statt mit der eu auch die nato an die grenzen russlands heranzuführen, aber er hat auch die probleme dieser länder duchschaut: das hilft ihm heute bei der analyse der situation in der ukraine.
- tscheltschik und andere erinnern sich plötzlich nicht mehr an zusagen gegenüber gorbatschow/schewardnadze, die nato nicht über die grenzen deutschlands hinaus auszudehnen (“ich kenne den vermerk genscher’s nicht”), polarisieren unter berufung auf ihre teilnahme an allen ost-west-gesprächen 1989/90 damit die diskussion, indem sie gorbatschow als alten vertrottelten mann darstellen.
- steinmeier ist ein schwadronierender bürokrat, dessen sprache die diplomatie als permanente lüge entlarvt. wo sind eigentlich all die thinktanks und sonstigen beamten im aa, die solche rollenspiele veranstalten, um die ereignisse vorzudenken: ein vordenken findet in der politik ebensowenig statt wie ein nachdenken. auch hier wird der zusammenhang zwischen den eigentlichen machthabern des militärisch-industriellen-finanz-kartells und der abhängigkeit der politik sichtbar – gott erbarme sich der erbärmlichkeit unserer politik. steinmeier sucht eine “spaltung europas” in der ukraine zu verhindern und vertieft die spaltung europas geichzeitig mit seiner sanktionspolitik gegen russland.
- wir werden jahrzehnte brauchen, um das vertrauen wieder aufzubauen, dass der westen seit 1990 im osten verspielt hat. politik fragt nicht nach schuld, sondern nach verantwortung – wie uns max weber gelehrt hat. aber das kartell der nationalistischen “schlafwandler” lebt auch hundert jahre nach dem 1. weltkrieg immer noch, wie uns craig gelehrt hat.
einen schönen tag – und halte kurs, dein albert
Leserbrief 2:
Lieber Herr Müller,
den zweiten Teil Ihrer hervorragenden Analyse der “Krim-Krise” kann ich kaum erwarten. Ihre Gedanken teile ich hundertprozentig und kann mir gut vorstellen, wie sehr sie als einer der “Polit-Macher” jener außenpolitischen Wende, welche uns dauerhaften Frieden in Europa zu bringen versprach, unter dem Säbelrasseln einer wiederbelebten unseligen Kalte-Kriegs-Rhetorik leiden. Lebhaft erinnere ich mich daran, wie ich 1990 den Schwerpunkt meiner journalistischen Arbeit von Sicherheits- und Militärpolitik auf die USA verlegte und als Büroleiter nach Washington ging – in der festen Erwartung, dass mit dem scheinbaren Ende des Kalten Kriegs die Bedeutung meines vorherigen Arbeitsbereich sehr schnell marginalisiert würde.
Die von Ihnen zur Recht angesprochene Sorge, dass mit der älteren Generation auch die so wichtige Erinnerung an die politisch so schädlich Blockade-Haltung der Blockkonfrontation verschwindet, beschäftigt auch mich sehr, wenn ich das leichtfertige, fast schon bellizistische Geschwafel in den meisten unserer Leit(d)medien lese. Dass die deutsche Wirtschaft, wenn auch aus (verständlichem) Eigennutz, in dieser Frage weithin eine differenzierte Haltung einnimmt, kann ich nur begrüßen. Vielleicht sollte man Frau Merkel bei ihrer “marktorientierten Demokratie” stärker daran erinnern.
…
Ihr S. von I.
[«*] Uwe Krüger (2013) Meinungsmacht. Der Einfluss von Eliten auf Leitmedien und Alpha-Journalisten – eine kritische Netzwerkanalyse. Köln: Herbert von Halem Verlag