SPD-Politiker Hans-Peter Bartels will die Politikverdrossenheit mit einem Institut für die Didaktik der Demokratie eindämmen.
Weil sich „viele vom Gang der Dinge in ihren demokratischen Institutionen“ distanzierten, würden sie in einem „fundamentalen Punkt den Feinden der Freiheit recht“ geben, meint MdB Bartels und spricht von einem „Extremismus der Mitte“. Den Grund für die Verdrossenheit gegenüber der gegenwärtigen Politik, sieht Bartels in der „Ahnungslosigkeit“ über das bestehende Regierungssystem. Deshalb brauchten wir „einen neuen Anlauf zu einer systematischen, verbindlichen Bildung und Erziehung zur Demokratie als Lebensform.“ Fazit: Wenn wir erst einmal ein „Institut für die Didaktik der Demokratie“ hätten, dann würde die Mehrheit dem „Gang der Dinge“ über die Umverteilung von unten nach oben, über die Hartz-Gesetze, über die Verunsicherung und die drastische Kürzung der Renten und über die anderen „Reformen“ unverdrossen zustimmen. Zustimmung zur Politik der regierenden Parteien ist für Bartels wohl gleichbedeutend mit Zustimmung zur Demokratie? Unseren Leser Reinhard Bauske hat diese Logik zu einer Glosse gereizt.
Wider die Politikverdrossenheit
Von Reinhard Bauske
Es begann damit, dass Franz Müntefering, Genosse und Arbeitsminister, sich beklagte, es sei unfair, dass er an seinen Aussagen von vor der Wahl gemessen werde. Diese Aussage führte in den Medien zu – je nach Richtung – leicht ironischen bis heftigen Kommentaren. Deshalb durfte diese Aussage so ‚platt’ und ‚aus dem Bauch’ gesagt natürlich nicht stehen bleiben. Dr. phil. Bartels – wie „Münte“ mit 35 für die SPD in den Bundestag gewählt – sollte deshalb argumentativen Flankenschutz gewähren und die Sache mal politologisch aufarbeiten. Ergebnis dieser akademischen Bemühungen war ein Essay, der jetzt im Zentralorgan der ‚Neuen Sozialdemokratie’, bei Spiegel-Online erschien.
Schon ahnend, worauf die Sache hinausläuft, habe ich mir dennoch die Mühe gemacht, diesen ‚Versuch über die Ursachen der Politikverdrossenheit’ zu lesen. Und tatsächlich: mit Hilfe einiger wohlfeiler Zitate und Zahlen – wofür hat man schließlich Politikwissenschaft studiert – kommt Dr. phil. Bartels zum Resümee: der Wähler ist zu dumm für die Demokratie! Dieses sagt er natürlich nicht so direkt, sondern führt diverse Erhebungen und Umfragen auf, die zu beweisen scheinen, dass die Mehrheit der Bürger die Institutionen und Mechanismen der parlamentarischen Demokratie nur unzureichend kennen. (Wobei er geschickt davon ablenkt, dass der Bürger nicht mit der Demokratie an sich unzufrieden ist, sondern mit konkretem Regierungshandeln.) Es bestehe also ein erheblicher Mangel an Ausbildung. Und daraus schließt er messerscharf, dass wir ein ‚Institut für die Didaktik der Demokratie’ in Berlin (unter Bundeshoheit?) benötigen. Da soll dann wohl festgelegt werden, was und wie viel der Bundesbürger über Demokratie wissen muss.
Wenn ich diese Argumentationsweise auf das ‚normale’ Leben übertrage heißt das z.B.: wer nicht weiß, welche Zutaten Wurst enthält, darf auch keine Aussagen zu ihrer Qualität machen! Um bei der Wurst zu bleiben: den Bürger interessieren weder die Zutaten noch irgendwelche ‚Mechanismen’! An der Wurst interessiert ihn, ob sie ihm schmeckt und an der Regierung – nicht der Demokratie – interessiert ihn, ob sie seine Bedürfnisse und Interessen berücksichtigt.
Wie geht es weiter?
Man kann den Gedanken mit der staatlich verordneten didaktischen Schulung in Demokratie auch noch weiter spinnen. Da wäre dieses Institut dann nur der erste Schritt. Darauf müssten natürlich verbindliche Lehrpläne folgen. Und als 3. Schritt wäre dann die Wahlqualifikationsprüfung denkbar – sozusagen die „allgemeine Wahlreife“. Mit der Folge: wer nicht besteht, darf nicht wählen und muss sich nachschulen lassen. Wir leben aber in Zeiten des Bürokratieabbaus und des ‚schlanken Staates’, da wird sich also sehr schnell jemand finden, der feststellt, dass die Ergebnisse bei dieser Wahlqualifikationsprüfung eng korrelieren mit dem Einkommen und der formalen Bildung der Prüflinge. Zur Verwaltungsvereinfachung empfiehlt es sich daher, das Wahlrecht vom Einkommen (und Vermögen) und – was meist miteinander korrespondiert – vom Bildungsgrad abhängig zu machen. Da es allerdings in einer Demokratie nicht hinnehmbar ist, dass der nur von ‚Transferleistungen’ abhängige Bürger gar nicht mehr wählen kann, muss es ein ‚gewichtetes’ Wahlrecht geben. Zur Feststellung der Gewichte ist wiederum Einkommen und Vermögen ein verlässlicher Maßstab (Motto: wer viel hat, hat auch viel zu verlieren und verhält sich daher entsprechend verantwortungsvoll).
(Die alten Griechen nannten das dann Timokratie, was sich ja fast so anhört wie Demokratie.)
Hier wäre noch anzumerken, dass natürlich nicht das versteuerte Einkommen oder nur das Inlands-Vermögen zum Maßstab gemacht werden darf. Dies würde die Leistungsträger, die sich ja häufig auch mit kreativer Buchführung auskennen, unangemessen benachteiligen.
Ein ähnliches Verfahren wäre natürlich auch bei Meinungsumfragen anzuwenden, um nicht zu verfälschten Ergebnissen durch die ewig Unzufriedenen zu kommen. Binnen kurzen hätten wir wieder eine starke Unterstützung der Regierenden und damit auch eine hohe Akzeptanz der Demokratie.