Facebook und die Zensur

Jens Berger
Ein Artikel von:

Als die NachDenkSeiten-Unterstützerin Margareth Gorges vor wenigen Tagen Wolfgang Liebs Kommentar zur Wahl Katrin Göring-Eckardts auf die Facebook-Wall[*] der Grünen postete, staunte sie nicht schlecht – kurze Zeit später war nicht nur ihr Post verschwunden, Frau Gorges wurde vielmehr von Facebook mitgeteilt, dass sie die nächsten 60 Tage nicht mehr auf die Walls anderer Nutzer schreiben darf und sie im Wiederholungsfall ganz vom Facebook-Angebot ausgesperrt wird. Man könnte dies als Lappalie abtun, schließlich besagt ein Facebook-Verbot „nur“, dass man die Seiten dieses Konzerns nicht mehr wie gewohnt nutzen kann. Wäre da nicht der Medienwandel – einige wenige große und gänzlich intransparente Konzerne beherrschen das Internet und bestimmen, welche Inhalte Nutzer zu sehen bekommen und welche Nutzer für andere sichtbar sind. Zensur gehört dabei nicht nur zur Tagesordnung, sondern auch zum Geschäftsmodell. Von Jens Berger.

Es war der „Facebook-Community-Desk“ der Frau Gorges die wenig aussagekräftige Nachricht übermittelte, sie habe angeblich belanglose Inhalte auf fremde Facebook-Seiten gepostet. Dies verstieße gegen die „Community-Richtlinien“. Das ist gleich in doppelter Hinsicht ein Affront. Was maßt sich Facebook eigentlich an, zu entscheiden, welcher Inhalt „belanglos“ ist? Selbst wer den NachDenkSeiten nicht freundlich gesinnt ist, wird nicht behaupten können, dass Wolfgang Liebs Artikel über Katrin Göring-Eckhardt keinen Belang hätte. Und von welchen „Community-Richtlinien“ spricht der „Community-Desk“ eigentlich? Das klingt ja alles so wunderbar basisdemokratisch. Die Community, also die Nutzer selbst, stellen Richtlinien auf und ein Verstoß gegen diese Richtlinien wird von der Community, also wiederum den Nutzern selbst, geahndet. Pustekuchen! Kein einziger Nutzer des Facebook-Netzwerks wurde je gefragt, welche Richtlinien er sich wünscht und wie ein Verstoß gegen diese Richtlinien geahndet wird. Die Richtlinien werden von Facebook diktiert und über Verstöße entscheiden die Facebook-Mitarbeiter in einem der vier weltweiten Facebook-Zentren. Für Deutschland ist – wohl aus Steuergründen – die Facebook-Niederlassung in Dublin/Irland zuständig. Schöne neue digitale Welt.

Den Grünen kann man im konkreten Fall noch nicht einmal einen Vorwurf machen. Natürlich entscheidet jeder Facebook-Nutzer selbst, was auf „seiner“ Wall steht. Auch die NachDenkSeiten löschen (in seltenen Fällen) Nutzerkommentare auf ihrer Facebook-Seite, die beispielsweise einen fremdenfeindlichen Inhalt haben. Für die „Hygiene“ seiner Seite ist jeder Nutzer selbst verantwortlich. Facebook erlaubt seinen Nutzern sogar, anderen Nutzern das Posten auf der eigenen Seite generell zu verbieten. Wer dies wünscht, kann diese Option wählen. Nicht hinzunehmen ist jedoch, dass andere Nutzer vom Netzwerkbetreiber global gesperrt werden, wenn ein Nutzer der Ansicht ist, dass die betreffenden Kommentare inhaltlich „belanglos“ seien. Einem Redakteur einer Zeitung steht es beispielsweise frei, einen Leserbrief nicht zu veröffentlichen, wenn er den Inhalt für belanglos hält. Dies führt im analogen Leben jedoch nicht dazu, dass die Post 60 Tage lang keine Briefe des betreffenden Leserbriefschreibers mehr befördert. Im Netz gelten hier offenbar andere Regeln.

Hätte Frau Gorges die Grünen ärgern wollen, hätte sie – natürlich für viel Geld – Wolfgang Liebs Kommentar als „gesponserten“ Post bei Facebook einstellen können. Als Nutzer kann man sich zwar gegen andere Nutzer wehren – nicht jedoch gegen die kommerziellen Interessen des Facebook-Konzerns. Welche Werbung auf der eigenen Facebook-Seite steht, kriegt man als Nutzer meist noch nicht einmal zu Gesicht.

Dabei ist Frau Gorges beileibe nicht das einzige Opfer von Zensur bei Facebook. Auch die Occupy-Bewegung und die Anti-Atomkraft-Bewegung fühlen sich von Facebook zensiert. Facebook weist dies natürlich weit von sich und führt die Probleme auf „technische Ursachen“ zurück. Alles andere wäre auch überraschend.

Die Facebook-Welt ist eine Welt der Algorithmen. Diese Algorithmen bestimmen, wann ein Beitrag als Spam eingestuft wird und ob der eigene Beitrag überhaupt anderen Nutzern gezeigt wird. In der Facebook-Welt sind nicht aller Nutzer gleich und Facebook lebt von dieser Ungleichheit. Die NachDenkSeiten haben auf Facebook beispielsweise fast 14.000 Fans – dennoch bekommen in der Regel nur zwischen 1.500 und 5.000 dieser Fans die Beiträge der NachDenkSeiten auf ihrer eigenen Facebook-Seite zu sehen. Wenn die NachDenkSeiten wollen, dass alle ihre Facebook-Fans die Beiträge auch zu Gesicht bekommen, müssten sie für ihrer eigenen Beiträge bezahlen – Facebook nennt dies ein wenig freundlicher „hervorheben“. Selbstverständlich weigern sich die NachDenkSeiten auf diese sanfte Form der Erpressung einzugehen und müssen daher auch damit leben, dass nicht alle Fans die eigenen Beiträge zu Gesicht bekommen.

Die Macht der neuen Internetgiganten ist erschreckend. Neben Facebook zählen auch Apple, Google und Amazon zu den Herrschern des neuen Internets, die die Inhalte ihrer Nutzer mit Vorliebe zensieren. Und dabei geht es nicht nur um weibliche Brüste, die amerikanischen Nutzern offenbar nicht zuzumuten sind.

Siehe dazu den sehr lesenswerten Artikel „Vier Sheriffs zensieren die Welt“, der im August in der ZEIT erschienen ist.

Die genannten Konzerne verbuchen 80% des grenzüberschreitenden Verkehrs im Internet für sich und nehmen gleichzeitig auf der Transparenzliste von Transparency International die letzten Plätze ein – Amazon liegt sogar noch hinter Gazprom, was ein echtes Kunststück sein dürfte. Zumindest in der westlichen Welt wird die Meinungsfreiheit weniger vom Staat als vielmehr von intransparenten und willkürlichen internationalen Großkonzernen gefährdet. Dieses Thema gehört dringend auf die Agenda. Ansonsten könnten wir uns schon morgen in einem autoritären Disneyland wiederfinden, in dem nicht nur die prüden Moralvorstellungen amerikanischer Konzerne, sondern auch deren ethische, moralische und politische Vorstellungen die Richtlinien für die Grenzen unserer Freiheit sind. Unsere Werte werden jedoch durch das Grundgesetz bestimmt und nicht durch die „Community-Richtlinien“ von internationalen Großkonzernen.


[«*] Die Facebook-Wall ist eine Mitteilungsseite eines Facebook-Auftritts. Neben den Beiträgen des betreffenden Nutzers findet man dort auch Beiträge anderer Nutzer, die an den jeweiligen Facebook-Auftritt gerichtet sind.

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